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Formel 1
Mit Vollgas in die Krise

Zu langsam, zu leise, zu langweilig: Die fetten Jahre der Formel 1 sind vorbei - auch in Deutschland. Der Grand Prix auf dem Hockenheimring könnte der letzte in absehbarer Zeit in Deutschland sein.

Von Daniela Müllenborn | 30.07.2016
    Nico Rosberg beim Training in Hockenheim.
    Nico Rosberg beim Training auf dem Hockenheimring (imago sportfotodienst)
    Endlich wieder zuhause! Niko Hülkenbergs Freude über das Heimspiel in Hockenheim mündet fast schon in ein Plädoyer:
    "Es ist als deutscher Fahrer natürlich schön, wenn man den Heim-Grand-Prix zurück hat. Wir hatten so viele erfolgreiche deutsche Rennfahrer, deutsche Marken, es ist eigentlich kriminell, dass wir letztes Jahr nicht hier waren. Wir müssen hier her kommen!"
    Nein! Das muss die Formel 1 überhaupt nicht! Sagt ihr Boss Bernie Ecclestone. Und deshalb hatte der mit den Betreibern des Hockenheimrings auch nur noch für dieses Jahr und für 2018 einen Vertrag abgeschlossen. Nach einer Verlängerung sieht es eher nicht aus. Ecclestone geht lieber woanders hin. Nach Bahrain zum Beispiel oder nach Aserbaidschan, wo sie ihm horrende Summen von bis zu 35 Millionen Euro zahlen. Sozusagen aus der Staatskasse. Oder nach Russland, wo die Formel1 seit 2014 gastiert, ein Prestigeprojekt von Präsident Wladimir Putin ist und dementsprechend bei russischen Sendern verkauft wurde:
    "Das ist sie, die neue Formel 1-Strecke in Sotschi. Sie ist mehr als eine Strecke. Sie ist ein Blick in die Zukunft. Ein Beispiel dafür, was in Russland möglich ist."
    Die Akzeptanz bei den Fans sinkt
    Russlands Präsident Wladimir Putin handelte den Vertrag für Sotschi höchstpersönlich mit Bernie Ecclestone aus. Viele traditionsreiche Formel-1-Strecken können da nicht mehr mithalten. Auf der einen Seite die hohen Antrittsgelder, die sie auf der anderen Seite nur über erhöhte Ticketpreise wieder hereinbekommen können. Da aber spielen die Fans nicht mehr mit. Deshalb gibt es einen Großen Preis von Frankreich schon seit einigen Jahren nicht mehr.
    Der Nürburgring flog aus dem Rennkalender. Der Klassiker in Monza in Italien steht auf der Kippe. Und die Formel 1 wandert immer mehr vom klassischen europäischen Kernmarkt, wo traditionell immer die meisten Fans waren, in Regionen, wo sie kaum Wurzeln hat! Nur ein Grund, warum es mit ihr mit Vollgas in die Krise ging.
    Die Akzeptanz bei den Fans sinkt. Nicht nur an den Rennstrecken sind die Zuschauerzahlen in den vergangenen Jahren teilweise drastisch zurückgegangen. Auch vor den Fernsehern. Der deutsche Sender RTL verzeichnete mal 10 Millionen Zuschauer. Das war Ende der 1990er Anfang der 2000er-Jahre. 2015 waren es nur noch gut vier Millionen, und auch wenn RTL in dieser Saison teilweise wieder leicht steigende Zahlen vermeldet: Die Fans fänden die heutige Formel 1 als nicht mehr attraktiv, vermutet Motorsport-Experte Swen Körner von der Deutschen Sporthochschule Köln. Wegen der anhaltenden Dominanz des Mercedes-Rennstalls mit den besten Fahrern in den besten Autos und wegen Regeländerungen,
    "… die weder für Zuschauer noch für Fahrer irgendwie nachvollziehbar sind. Die Umstellung auf V6-Motoren, die Limitierung von Treibstoffverbrauch haben dazu geführt, dass das Rennen in den letzten Jahren langsamer geworden ist."
    Für die Fans ist es nicht mehr schnell genug, nicht mehr laut genug und viel zu langweilig. Mit Formel 1 hat das für sie nichts mehr zu tun. Hinzu kommt der Eindruck, die Fahrer wären in ihren High-Tech-Autos heute sowieso nur noch "ferngesteuerte" Marionetten, abhängig vor allem von den Ingenieuren an der Box, und von Team-Chefs, die über Rennstrategien, Positionswechsel und Stall-Ordern entscheiden. Die Formel 1 manövriert sich ins Abseits.
    Keine neuen Formel 1-Helden
    Und dann sieht der Kölner Motorsport-Experte Swen Körner in Deutschland noch ein spezielles Problem:
    "Schumacher ist die Ikone der Formel 1 schlechthin. Mit sieben Weltmeistertiteln führt an ihm kein Weg vorbei. Und das macht es Nachfolgern wie Sebastian Vettel oder Niko Rosberg schwer in seine Fußstapfen zu treten. Also die Nische des Formel-1-Helden ist besetzt und das wird bis auf absehbare Zeit auch so bleiben."
    Zu Michael Schumachers Zeiten kamen Hunderttausende zum Hockenheimring oder zum Nürburgring. Formel 1 war Kult. Nachfolger wie Sebastian Vettel konnten keinen Boom in Deutschland auslösen. Da halfen auch Vettels vier WM-Titel in Serie nicht. Er war halt nicht der erste Deutsche, dem dies gelungen ist. Nico Rosberg, der in diesem Jahr um den WM-Titel mitfährt freut sich trotzdem auf seinen Heim-Grand-Prix in Hockenheim und rührt noch ein bisschen die Werbetrommel:
    "Dieses Jahr ist Formel 1 richtig spannend, so spannend wie lange nicht mehr und ich glaube, dass alle die hierher kommen, richtig Spaß haben werden."
    Ob der Grand Prix an diesem Wochenende auf dem Hockenheimring vielleicht der letzte in absehbarer Zeit in Deutschland ist, hängt von den Zuschauerzahlen ab. 60.000 müssten kommen, damit die Betreiber kein weiteres Minusgeschäft machen. Das könnte dann reichen um 2018 noch einmal einen Grand-Prix zu veranstalten. Für den es ja noch einen Vertrag gibt. Mit Bernie Ecclestone, der angesichts der Krise jetzt wohl die kleineren Teams stärken will. Denn Konkurrenz belebt auch in der Formel 1 das Geschäft. Das wissen sie auch bei Mercedes und werden wohl mitspielen. Und lauter soll es auch wieder werden. Durch Soundgeneratoren!