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Forsa-Chef: Nicht jede neue Meldung führt zum Vertrauensverlust

Der Chef des Meinungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, sagt, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen einen Rücktritt von Bundespräsident Wulff sei. Wenn nicht noch etwas " Dramatisches zutage gefördert wird", werde es keinen radikalen Meinungsumschwung bei den Bürgern geben.

Manfred Güllner im Gespräch mit Sandra Schulz | 21.12.2011
    Sandra Schulz: Der Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten verbietet er, jede weitere Diskussion über die Nähe oder frühere Nähe Wulffs zu unternehmen über den umstrittenen Hauskredit, oder gebietet der Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten, auch heute wieder die Fragen zu stellen, die uns seit einer Woche beschäftigen? Das sehen Regierung und Opposition natürlich grundsätzlich anders. Mehrere Stimmen aus dem Unions-Lager fordern auch heute ein Ende der Diskussion. Dabei kommt neuer Stoff von Wulffs Anwalt.
    In Berlin begrüße ich jetzt den Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Guten Tag, Manfred Güllner.

    Manfred Güllner: Schönen guten Tag!

    Schulz: Jetzt waren bisher in den Umfragen die meisten Deutschen gegen einen Rücktritt Wulffs. Ist das nach Ihren Erkenntnissen noch aktuell?

    Güllner: Wir haben jetzt keine ganz aktuellen Umfragen von gestern oder heute, da muss man abwarten, ob das Meinungsbild kippt. Aber wir hatten ja in der letzten Woche und auch Anfang dieser Woche für den "Stern" gefragt und gesehen, dass in der Tat eine Mehrheit der Menschen gegen einen Rücktritt von Wulff ist, dass auch die Zufriedenheit mit dem, was der Bundespräsident bisher getan hat, noch überwiegt. Also das "Volk" steht noch auf der Seite des Präsidenten.

    Schulz: Gleichzeitig zitiert die "Süddeutsche Zeitung" heute eine Umfrage, nach der die meisten Menschen Wulffs Nähe zu vermögenden Unternehmern zumindest für unangemessen hält. Wie passt das beides zusammen?

    Güllner: Na gut, das ist das generelle Unbehagen, was man ja an vielen Politikern hat, und hinzu kommt das doch negative Image, was eben auch Großkonzerne, was die Finanzmärkte im Augenblick haben, und wenn dort irgendwo Vermischungen sind, dann wird das sicherlich negativ beurteilt. Auf der anderen Seite steht aber, dass das Amt des Bundespräsidenten ein sehr hohes Ansehen hat. Das ist die politische Institution, die seit Jahren das höchste Vertrauen genießt. Das hat zwar durch den Rücktritt Köhlers deutlich gelitten, aber Wulff hat es wieder etwas nach oben gezogen. Das schützt im Augenblick ja auch noch die Person Wulff, dieses große Vertrauen, was der Institution entgegengebracht wird.

    Schulz: Können Sie darüber schon etwas sagen, ob auch das Ansehen des Amtes durch diese neue Affäre, durch diese Affäre Wulff Schaden nehmen wird?

    Güllner: Das müssen wir abwarten, da haben wir noch keine aktuellen Zahlen. Sicherlich wird diese Diskussion das Vertrauen wieder etwas nach unten bringen, aber wie weit, das wäre zu früh, darüber zu spekulieren.

    Schulz: Jetzt kommt heute ein neues Scheibchen der Wahrheit, von Wulffs Wahrheit von seinen Anwälten. Ist das auch noch mal neue Dynamik für den Fall?

    Güllner: Ich glaube, man muss hier sehen, dass alles, was in den Medien jetzt noch zutage gefördert wird, von vielen Menschen auch eher mit Skepsis betrachtet wird. Sie haben das ja auch untersucht gehabt und auch hier im Falle Wulff, wie aber auch schon in früheren Fällen gesehen, dass die Mehrheit der Menschen glaubt, dass das von den Medien übertrieben dargestellt wird. Also man muss hier auch sehen, dass nicht alles das, was in den Medien berichtet wird, von den Menschen eins zu eins übernommen wird, sondern die durchaus das Gefühl haben, hier wird etwas aufgebauscht, hier wird etwas verzerrt dargestellt. Insofern: Nicht jede neue Meldung führt dazu, dass das Vertrauen weiter in den Keller geht.

    Schulz: Das heißt, die Strategie, die Wulff im Moment zu verfolgen scheint, sich weitestgehend im Hintergrund zu halten, seine Anwälte agieren zu lassen, das ist dann auch eine kluge Strategie so gesehen?

    Güllner: Wenn man dieses alles zusammen sieht, dann, denke ich, ist das im Augenblick sicherlich eine richtige Strategie, und wenn nicht noch was Dramatisches zutage gefördert wird, dann, glaube ich, wird es keinen radikalen Meinungsumschwung bei den Bürgern geben.

    Schulz: Sie haben die Skepsis, die Medienskepsis vieler Menschen gerade angesprochen. Kann das einem Bundespräsidenten, der so in der Kritik steht, unterm Strich sogar etwas nutzen, wenn er sich zurückhält und die Medien, wie auch wir heute Mittag, den Fall immer weiterdrehen?

    Güllner: Ich denke, ja, dass hier man im Zweifel dann doch dem Amtsinhaber glaubt, wie gesagt: es sei denn, es kommen noch gravierende Tatbestände hier zum Vorschein, die dann wirklich zu einem negativen Urteil führen. Aber solange das nicht der Fall ist, denke ich, profitiert auch in dem konkreten Fall Christian Wulff von der Skepsis, die man den Medien gegenüber bringt.

    Schulz: Es geht ja hier um persönliche Integrität, um Glaubwürdigkeit. Welche Rolle spielen diese Werte denn generell in den Umfragen?

    Güllner: An sich kann man sagen, ist natürlich Glaubwürdigkeit ein sehr hohes Gut und am liebsten möchten natürlich die Menschen auch Politiker haben, die glaubwürdig sind. Auf der anderen Seite wissen wir, dass seit Jahren kontinuierlich das Vertrauen in die Politik, in die Akteure in der Politik gesunken ist. Man traut denen, wenn man das Mal etwas salopp sagt, eigentlich alles Schlechte zu. Insofern kann die Glaubwürdigkeit der Politiker eigentlich gar nicht mehr weiter in den Keller gehen. Also man erwartet von den Politikern gar nicht mehr, dass sie glaubwürdig sind.

    Schulz: Wie gehen Sie dem als Meinungsforscher nach? Gibt es Parameter für Glaubwürdigkeit?

    Güllner: Wir haben ja immer Fragen, die auf das Vertrauen abzielen, auch was das Vertrauen zu bestimmten Personen anbelangt, und hier können wir doch sehen, dass über die letzten Jahre - und das ist ja kein Prozess, der in den letzten Monaten oder letzten ein, zwei Jahren stattgefunden hat, sondern das läuft schon über sehr viele Jahre - das Vertrauen auch in die Parteien gesunken ist, dass die beiden großen Parteien, die beiden sogenannten Volksparteien, Union und SPD, an Bindekraft verloren haben, und das sind ja die Indikatoren, die wir messen. Wir können es auch dann an ganz harten Daten sehen, wenn wir die Wahlbeteiligung uns angucken. Die ging zunächst auf kommunaler Ebene, bei kommunalen Wahlen zurück, dann auch bei Landtagswahlen und jetzt auch bei Bundestagswahlen, und hier können wir deutlich sehen, dass viele aus einem Unmut heraus über die Art und Weise, wie Politik gemacht wird, wie die politischen Akteure agieren, viele Menschen bei Wahlen zu Hause bleiben.

    Schulz: Und unterm Strich profitieren dann diejenigen, verstehe ich Sie da richtig, die diese self fulfilling prophecy einlösen?

    Güllner: Nein. Wir haben ja im Augenblick noch kein aggressives Wahlverhalten. Das heißt, der Unmut, das Unbehagen der Bürger schlägt sich in Wahlenthaltung nieder. Man empfindet das Personalangebot, zum Teil auch das inhaltliche Angebot als nicht zureichend, zum Teil als Zumutung, und dann sagt man, dann bleibe ich eben zu Hause. Man wählt noch keine radikalen extremen Parteien, denn die profitieren ja im Augenblick noch nicht von diesem Unmut.

    Schulz: Um noch mal bei handfesten Wahlergebnissen und Umfragen zu bleiben: Der Bundespräsident wird ja gar nicht vom Volk gewählt, die Kanzlerin dagegen schon, hat sich viel gesprächiger gezeigt zum Thema als Wulff selbst, aber auch als in der Causa Köhler im vergangenen Jahr. Wird ihr das noch schaden?

    Güllner: Nein, ich glaube nicht. Wir haben ja gesehen, dass die Art und Weise der Nominierung von Christian Wulff bei Merkel keine Dellen hinterlassen hat. Da ist es eher so, dass etwa die abrupte Kehrtwende in der Energiepolitik Merkel viel Glaubwürdigkeit, über die wir ja schon gesprochen haben, gekostet hat. Das ist etwas, was man auch als Opportunismus brandmarkt. Aber die Nominierung von Wulff und die Wahl von Christian Wulff im letzten Jahr, die haben bei Merkel keine Glaubwürdigkeitsdellen hinterlassen.

    Schulz: Manfred Güllner war das, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Forsa, heute hier bei uns in den "Informationen am Mittag". Danke schön.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.