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Forschen auf der Fledermausinsel

Die Biologin Professor Elisabeth Kalko zieht es seit 15 Jahren zieht immer wieder nach Panama. Auf der kleinen Insel Barro Colorado erforscht sie Fledermäuse. Die Insel ist mit ihren über 70 bekannten Arten eine der wichtigsten Stätten für die Untersuchung von Fledermäusen weltweit.

Moderation: Ulrike Burgwinkel | 17.08.2007
    Ulrike Burgwinkel: Heute geht die Reise nach Panama, auf eine Insel, Barro Colorado Island, nicht weit vom Panamakanal entfernt. Dort forscht die Ulmer Biologin Elisabeth Kalko. Als Bad Woman war sie zu bewundern in einem Dokumentarfilm des US-Fernsehens. Die Professorin widmet sich nämlich ausschließlich diesen kleinen nachtaktiven Flugsäugern, den Fledermäusen. Ich hab sie als Erstes gefragt, wie es denn bei ihr so aussieht, auf der Feldstation.

    Elisabeth Kalko: Also wenn ich hier gerade bei mir zum Fenster rausschaue, dann sehe ich einen wunderschönen tropischen Regenwald. Wir sind gerade in der Regenzeit, das bedeutet, die Bäume sind alle voll belaubt, und es ist also sehr tropisch hier, und jeden Tag bekommen wir ein großes Gewitter.

    Burgwinkel: Was genau machen Sie denn auf Ihrer Feldstation?

    Kalko: Wir beschäftigen uns mit der Ökologie und dem Verhalten von Fledermäusen. Da wird man sich erst mal fragen, ja, was ist denn da eigentlich noch nicht bekannt. Also Fledermäuse sind hier besonders artenreich vertreten. Wir haben hier allein auf dieser Insel, die gerade mal 16 Quadratkilometer groß ist, schon über 70 Arten festgestellt. Und Fledermäuse nehmen sehr wichtige ökologische Funktionen im tropischen Regenwald ein. Es gibt dort sehr viele Fledermäuse, die sich von Früchten ernähren und als Samenausbreiter eine Rolle spielen, also für die Regeneration des Waldes zuständig sind. Dann haben wir insektenfressende Fledermäuse, wir haben bestäubende Fledermäuse, die an Blüten anfliegen, und wir haben dann auch noch interessanterweise fleischfressende Fledermäuse.

    Burgwinkel: Fledermäuse sind doch nachtaktiv, dann müssten Sie doch eigentlich auch eine Nachteule sein?

    Kalko: Das ist auch so. Ich bin die meiste Zeit dann nachtaktiv, muss natürlich aber tagsüber auch schauen, dass ich hier auch noch ein paar andere Sachen im Labor erledige. Wir haben ja hier dann auch immer Studierende mit dabei, die an ihren Arbeiten arbeiten, da muss dann alles Mögliche abgesprochen werden. Und um diese Fledermäuse überhaupt erst mal nachts "sehen" zu können in Anführungszeichen, müssen wir auch relativ viel Technik einsetzen, und die bedarf natürlich auch einer Überprüfung, und man muss erst mal seine Daten auch tagsüber anschauen.

    Burgwinkel: Welche Art der Technik haben Sie denn dabei, wenn Sie dann im Regenwald, im Urwald sind?

    Kalko: Wir schauen uns Fledermäuse mit ganz unterschiedlichen Geräten an, also zum einen durch Infrarotkameras, die wir einsetzen, um die Tiere beobachten zu können. Dann haben wir sogenannte Wärmebild-Kameras, mit der man dann die Wärmestrahlung der Tiere wahrnehmen kann. Dann machen wir sehr viel akustisch. Da haben wir Spezialgeräte, mit denen wir den Fledermaus-Ultraschall erst mal aufnehmen können und auch für uns hörbar machen können. Und dann merkt man, dass der Wald also wirklich angefüllt ist mit lauter Ultraschall.

    Burgwinkel: Sie erzählten, dass Sie das mit Studenten zusammen machen. Bringen Sie aus der Heimat mit, oder sind das auch Leute vor Ort?

    Kalko: Zum einen haben wir Studierende, die von der Universität Ulm kommen, inzwischen auch zunehmend Studierende, die von anderen Universitäten kommen, bei uns entweder Praktikum machen oder dann auch ihre Diplomarbeiten, später Masters-Arbeiten durchführen. Dann haben wir hier Studierende, die Doktorarbeiten durchführen. Und wir haben dann auch Studierende, die aus anderen Ländern kommen.

    Burgwinkel: Das, was Sie beschreiben und wie Sie es beschreiben, das klingt fast so, als würden Sie einen Traumjob machen dort.

    Kalko: Das würde ich auch so sehen. Also es ist wirklich so, Sie kennen sicherlich auch das Kinderbuch "Oh, wie schön ist Panama", das war ein Wahrwerden des Traumes, als ich meine Doktorarbeit abgeschlossen habe und dann hier für eine Post-Doktorandenzeit erst mal an [unverständlich] konnte. Da haben sich die Kontakte so prima entwickelt, dass es sozusagen meine zweite Heimat geworden ist.

    Burgwinkel: Was ist denn für Sie das Faszinierende an diesem Ort?

    Kalko: Ich kenne jetzt hier diese Feldstation und die Umgebung schon eigentlich seit vielen, vielen Jahren. Ganz erschreckend, wenn man feststellt, dass man schon an einem Ort irgendwas über 15 Jahre immer wieder herkommt, und trotzdem ist jedes Mal was Neues dabei. Mir kommt es so vor wie so ein großes Bilderbuch, und wenn ich hierher komme, dann schlage ich die nächsten Seiten um. Ich weiß nie, was auf den anderen Seiten drauf steht, und es ist immer was Neues. Und das ist das Faszinierende für mich, so ein Gebiet hier mal intensiv kennen zu lernen. Und dadurch, dass die Artenvielfalt so unglaublich groß ist und man immer wieder neue Dinge entdeckt, ist das eigentlich eine endlose Geschichte. Und das macht auch die Faszination und den Reiz aus.

    Burgwinkel: Gibt es denn auch die kleine Hufeisennase dort, die hat ja jetzt in Dresden den Bau der Waldschlösschenbrücke verhindern können?

    Kalko: Und zwar die Hufeisennase gehört in eine Familie, die alleine in der alten Welt vertreten ist. Die gibt es nämlich bei uns nicht hier in Panama. Und was hier in der neuen Welt vertreten sind, sind vor allen Dingen Blattnasenfledermäuse, also eine ganz andere Familie.