Freitag, 19. April 2024

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Forscher zu Folgen des Klimawandels
"Sind als Menschen nicht an dieses andere Klima angepasst"

Sind wir in Sachen Klimawandel auf dem Weg in ein "Worst-Case-Szenario"? Elmar Kriegler vom Potsdam-Institut geht zumindest davon aus, dass es zu einer "massiven Veränderung" kommen wird, die in den Regionen unterschiedlich ausgeprägt auftreten wird. Wir als Menschen würden das mit vielen Konsequenzen bezahlen.

Elmar Kriegler im Gespräch mit Britta Fecke | 06.08.2020
Willy Kenneth, Bewohner einer der Inseln des vom Klimawandel bedrohten Staats Vanuatu
Es müsse darum gehen, deutlich mehr zu tun, als im Moment getan werde, sagte der Klimaforscher Elmar Kriegler im Dlf in Bezug auf die aktuelle Klimapolitik (Deutschlandradio / Felie Moucir Zernack)
Zurzeit wird eine Studie des US-Klimaforschers Christopher Schwalm heiß diskutiert. Nach dieser sind wir aktuell auf dem Weg in ein Worst-Case-Szenario für das Klima. Bodennahe Luftschichten könnten sich um durchschnittlich fünf Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit erwärmen. Über aktuelle Klima-Szenarien haben wir mit Elmar Kriegler gesprochen, er ist Forschungsbereichsleiter beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, sein Bereich sind Transformationspfade.
Britta Fecke: Eine Erwärmung um fünf Grad bis zum Ende dieses Jahrhunderts, davon geht das schlimmste Szenario aus, für wie wahrscheinlich halten Sie diesen hohen Temperaturanstieg und damit einhergehend ja auch einen hohen Anstieg von Treibhausgasen?
Elmar Kriegler: Dieses sehr pessimistische Szenario ist zwar in den letzten zehn Jahren realisiert worden, weil sehr viele Kohlekraftwerke auch gebaut worden sind. Aber angesichts von Trends wie zunehmender Nutzung erneuerbarer Energien und auch zunehmend stärker werdender Klimapolitik – nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Bereichen der Welt – stehen die Zeichen gut, dass es nicht ganz so schlimm kommen wird. Allerdings muss man sagen, dass zwischen dem schlimmsten Fall und schlimm auch nur ein gradueller Unterschied ist. Wenn es statt fünf Grad in 2100 dann 3,5 Grad werden – und das ist das, was wir sehen, wenn wir die gegenwärtigen Trends fortschreiben, auch in der Klimapolitik –, dann ist das auch noch ein massiver Klimawandel und sehr schlimm. Insofern muss es darum gehen, deutlich mehr zu tun, als im Moment getan wird.
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"Dürren, Hochtemperaturereignisse, Stürme und Fluten"
Fecke: Wenn Sie sagen, es könnten nur drei Grad werden, das wird genauso schlimm, womit müssen wir rechnen bei einer Erwärmung von drei Grad?
Kriegler: Nicht genauso schlimm, aber sehr schlimm, weil die Energie, die im Klimasystem gespeichert wird durch den Treibhauseffekt, massiv und enorm ist. Es wird dann zu einer Erwärmung der Mitteltemperatur kommen, was dann in unseren Breiten eine deutlich höhere Erwärmung bedeutet mit all den Folgen – Dürren, Hochtemperaturereignisse, Stürme und Fluten. Die verteilen sich eben nicht einheitlich über den gesamten Globus, sondern sie sind in den Regionen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Es wird zu einer massiven Veränderung unserer Umwelt und unseres Klimas kommen, was wir als Menschheit mit vielen Konsequenzen zu bezahlen haben, weil wir eben an dieses andere Klima nicht angepasst sind, sondern an das heutige Klima.
Fecke: Nun plant ja selbst China langfristig den Ausstieg aus der Kohle, auch die arabischen Länder planen für die Zeit nach dem Öl. Ist es nicht etwas zu pessimistisch zu glauben, dass sich die Kohleverstromung weiterhin durchsetzen wird?
Kriegler: Ja, die Zeichen sind da sehr durchwachsen. Zum einen gibt es natürlich in manchen Regionen, unter anderem in Europa, einen hohen Druck, aber auch hier bei uns in Deutschland – und wir brauchen nur über die Grenze nach Polen gucken – sehen wir, wie schwierig es ist, aus der Kohle auszusteigen. In anderen Ländern ist man überhaupt noch nicht an dem Punkt, sondern baut sogar die Kohle aus – ich nenne da zum Beispiel die Türkei, Vietnam. Auch in China versucht man zwar, den Kohleausbau zu drosseln, aber es findet immer noch ein Ausbau statt. Das heißt also, es müssten viel mehr Politikmaßnahmen sein und auch international in den Klimaverhandlungen mehr Bestrebungen, an die Kohle und an die fossilen Brennstoffe ranzugehen und nicht nur den Blick zu werfen auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, der natürlich gut ist. Aber wenn er nicht begleitet wird mit einem drastischen Rückfahren der Nutzung fossiler Brennstoffe, wird es dem Klima dann nur begrenzt helfen.
Ein Schaufelradbagger arbeitet im Braunkohle-Tagebau Hambach.
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Fecke: Die Nutzung dieser fossilen Brennstoffe ist das eine. Wird bei diesen Szenarien eigentlich auch das Auftauen des Permafrostbodens miteinberechnet, denn das Methan, das da freigesetzt wird – und es ist ja doch viel mehr als befürchtet –, ist ja 24-mal klimawirksamer oder klimaschädlicher als CO2?
Kriegler: Ja, das ist ein guter Punkt – teilweise. Die Emissionsszenarien führen zu einer Klimaerwärmung, und die Erwärmung selbst hat dann Auswirkungen auf Methan, wie Sie es genannt haben, in den Böden, was dann ausgast durch, wir nennen das ein natürliches Feedback auf das Klimasystem. Das ist noch nicht so gut verstanden. Manche Modelle nehmen das mit rein. Ob die Magnitude, also die Größenordnung richtig ist, ist eine andere Frage, aber die Befürchtung ist, dass uns da noch einige Überraschungen ins Haus stehen, dass also dann diese Feedbacks den Klimawandel noch verstärken werden in einem Maß, wie es bisher noch nicht in den Rechnungen einbezogen ist.
"Wir haben ja schon sehr viel Zeit verloren"
Fecke: Eine Erwärmung der bodennahen Luftschicht um nur 1,5 Grad Celsius, das wird immer genannt, um die Folgen des Klimawandels noch einigermaßen beherrschen zu können. Was müssten wir denn tun, damit wir diese Zahl überhaupt erreichen?
Kriegler: Ja, das ist ein wichtiges und sehr ambitioniertes Ziel, und zwar müssten wir, um dieses Ziel zu erreichen, ungefähr um die Jahrhundertmitte global bei netto null CO2-Emissionen liegen. Um das in einen Kontext zu setzen: Heute emittieren wir weltweit ungefähr 40 Milliarden Tonnen CO2, und diese gewaltige Menge von CO2 müssten wir auf null herunterfahren, um das 1,5-Grad-Ziel einigermaßen zu halten. Das bedeutet eben auch für Industrieländer, die eine Vorreiterrolle dort spielen müssen, dass sie das auch noch früher erreichen müssen als 2050, um dann eben Restemissionen in anderen Ländern auszugleichen. Das ist eine enorme Herausforderung, und insofern ist so wichtig eben, keine weitere Zeit zu verlieren. Wir haben ja schon sehr viel Zeit verloren. 1992, die Klimarahmenkonvention, 1997 das Kyoto-Protokoll, das ist jetzt alles schon fast 30 Jahre her, und diese Zeit, die wir nicht genutzt haben, die tut uns jetzt sehr weh, und Insofern darf es jetzt wirklich kein weiteres Zögern geben. Es gibt Trends in der Klimapolitik, die aber noch zu schwach sind. Und gerade auch, wenn ich das noch sagen darf, diesen Satz: Jetzt, wo wir das Augenmerk auf die COVID-Pandemie legen müssen und sehr viel darüber nachgedacht wird, welche Maßnahmenpakete helfen können, die Ökonomie wieder anzukurbeln, ist es umso wichtiger, die grüne Transformation, den Klimaschutz mitzudenken. Das geschieht in Europa und in Deutschland teilweise, aber wenn wir in andere Teile der Welt gucken, dann sehen wir, dass das gar nicht mitgedacht wird, sondern im Gegenteil wieder verstärkt auf Kohle und fossile Brennstoffe gesetzt wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.