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Forschung und Fankultur
Game of Geeks

"Game of Thrones" ist wohl die am ausführlichsten erforschte TV-Serie: Informatiker errechnen den nächsten Toten, Geografen analysieren das fiktive Klima, und Theologen suchen unter den zahlreichen Figuren nach Jesus. Der wissenschaftliche Hype kennt keine Grenzen.

Von Christian Röther | 17.07.2018
    Richard Dormer and Rory McCann, Game of Thrones (2017) Season 7 HBO Los Angeles
    Darsteller Richard Dormer und Rorx McCann aus der 7. Staffel der HBO-Serie "Game of Thrones" (imago/Cinema Publishers Collection)
    "Game of Thrones", geremixt durch die Wissenschaft: In der fiktiven Welt gibt es offenbar eine ganze Menge zu erforschen. Nicht weiter überraschend, dass sich Medien-, Literatur- und Filmwissenschaft mit der Serie befassen, denn "Game of Thrones" revolutionierte das serielle Erzählen – mit seiner hyperkomplexen Handlung oder dadurch, dass viele Hauptfiguren gewaltsam sterben.
    Zitat aus "Game of Thrones": "Bringt mir seinen Kopf!"
    Algorithmus sagt voraus, wer stirbt
    Das massenhafte Morden hat aber auch das Interesse von Natur- und Strukturwissenschaft geweckt – wie der Informatik, die mit Fiktion und Fantasy ja normalerweise nicht so viel zu tun hat. Studierende der TU München haben einen Algorithmus programmiert, der voraussagen soll, wer in "Game of Thrones" als nächstes stirbt. Und das funktioniert gar nicht so schlecht: Von den Top-Fünf, die die Informatiker als Todeskandidaten errechnet haben, sind drei inzwischen tot.
    "Was tot ist, kann niemals sterben."
    Konkurrenzlos sind die Münchner Informatiker allerdings nicht, denn auch viele andere Forscher spielen mit bei diesem Game of Geeks: ein Physiker aus Ungarn etwa oder ein Datenwissenschaftler aus den USA. Auch sie programmierten für die Serie Todesalgorithmen.
    "Man spricht ja auch von Geeks oder Fan-Scholars, also solchen, die von ihrer Profession herkommen und sich mit dem Gegenstand, der sie in ihrer privaten Sphäre interessiert, beschäftigen."
    Thorsten Wettich zählt sich auch selbst zu diesen Geeks. Er ist Kultur- und Religionswissenschaftler an der Universität Göttingen, und interessiert sich nicht nur für die Serie an sich, sondern auch für den wissenschaftlichen Hype um "Game of Thrones".
    "Dass es da schon so viel Literatur dazu gibt, das ist sicherlich eine Folge davon, dass einfach so viele Menschen sich dafür begeistern und dass sie eben versuchen, da Anknüpfungspunkte zu finden auch von ihren professionellen Arbeitsbereichen her."
    Kein gängiges Hollywood Schema
    Wie Andrew Beveridge, ein Mathe-Professor aus den USA. Er nutzt die Methode der Netzwerkanalyse, um herausfinden, welche von den dutzenden Figuren in "Game of Thrones" denn wohl der Hauptcharakter ist. Deshalb analysierte er für die einzelnen Staffeln, wie häufig die Figuren vorkommen und welche Beziehungen sie untereinander haben. Durchschnittlich am besten abgeschnitten hat dabei eine Figur, die – typisch für "Game of Thrones" – so gar nicht in das gängige Schema des Hollywood-Helden passt:
    "Ich bin schuldig ein Zwerg zu sein."
    Diese Datenanalysen bleiben gewissermaßen im Kosmos von "Game of Thrones", während viele andere Forschende den Bogen schlagen aus der Serie in die reale Welt. Schon früh wurden die Geschlechterrollen analysiert und kritisiert – vor allem die Gewalt gegen Frauen. Mehrere wissenschaftliche Sammelbände sind erschienen zu Frauen und Gender in "Game of Thrones".
    "Ich habe sie getötet mit meinen eigenen Händen. Vollkommen egal, sie war eine Hure."
    Gelehrtendisput über Erlöserfigur
    Kritisch beäugt wird die Serie auch in der Geschichtswissenschaft – weil sie das europäische Mittelalter sehr klischeehaft darstelle. Von Hamburg bis Harvard stand "Game of Thrones" bei Geschichtsstudierenden auf dem Lehrplan. Intensiv geschaut wird das Epos auch in wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit Religion befassen. Analysiert wurden zum Beispiel: die religiöse Gewalt, die Anleihen an die Religionsgeschichte oder die Religionskritik in der Serie, in der die Figuren in Glaubenssachen oft sehr beliebig daherkommen.
    "Ich schwöre es, Milord, bei den alten Göttern und den neuen."
    Trotzdem haben auch christliche Theologen die Serie für sich entdeckt. Sie suchen und finden Parallelen zu Moses Wanderung durch die Wüste, oder natürlich zu Jesus und seinem Leidensweg. Wer allerdings in "Game of Thrones" der Erlöser sein wird – oder die Erlöserin – da streiten sich die Gelehrten noch. Den Kultur- und Religionswissenschaftler Thorsten Wettich überzeugen diese theologischen Lesarten nicht immer:
    "Theologen würde ich es im Speziellen vorwerfen, dass sie so die Tendenz dazu haben, von der christlichen Warte her Sachen hineinzulesen in den Objektgegenstand, der studiert wird. Und da sind sie manchmal ein bisschen überschwänglich, ein bisschen großzügig, ein bisschen zu frei nach meinem Dafürhalten, diese Parallelen aufzustellen, weil es eine fiktive Welt ist, die da erschaffen wurde und nicht alles eins zu eins übertragbar ist."
    Grenzenlose wissenschaftliche Kreativität
    Trotzdem hat auch die Psychologie "Game of Thrones" auf die Couch gelegt – und die leidgeplagten Figuren zum Beispiel untersucht auf Posttraumatische Belastungsstörungen, oder die Zuschauer dabei beobachtet, wie sie auf besonders harte Szenen reagieren – denn das Netz ist voll von solchen Reaction-Videos.
    Diverse Disziplinen nutzen also die Popularität der Serie, um ihre Forschungsansätze und -ergebnisse besser zu vermitteln – an die eigenen Studierenden, aber auch an die Öffentlichkeit. Dabei scheint die wissenschaftliche Kreativität keine Grenzen zu kennen: Der britische Geografie-Professor Dan Lund erforscht sogar das fiktive Klima – denn schon öfters ist vermutet worden, dass "Game of Thrones" vor allem eins will: Die Menschheit warnen vor den Gefahren des Klimawandels.