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Fortschritte bei Bachelor und Master - mit Abstrichen

Der Bologna-Prozess, im Zuge dessen in Deutschland Bachelor- und Master-Abschlüsse eingeführt wurden, wird zehn Jahre alt. Bund, Länder und Hochschulen fanden heute in Berlin mit Professoren, Studierenden und Sozialpartnern zusammen, um vor der Bologna-Ministerkonferenz Ende April 2009 in Leuven Bilanz zu ziehen.

Von Katja Bigalke | 30.01.2009
    "Zunächst einmal ist der Umstellungsprozess weit voran gekommen. Drei Viertel der 12.000 Studiengänge sind schon auf die neue Struktur mit Bachelor und Master umgestellt, Zwei Drittel der Studienanfänger im Wintersemester 2008, 2009 haben sich in den neuen Bologna kompatiblen Studiengängen eingeschrieben, das waren zwei Jahre vorher noch weniger als die Hälfte. Das macht deutlich: Wir sind bei der Umstellung voll im Zeitplan."

    Aber nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ sieht der Staatssekretär große Fortschritte bei der deutschen Umsetzung der Bologna Leitlinien. Von wegen Lernfabriken, die die Effizienz höher gewichten als Geist und Bildung, von wegen Ministudium. Storm zieht eine positive Bilanz.
    "Man kann zunehmend beobachten, dass die Hochschulen die Umstellung benutzt haben um die Hochschulen umfassend zu modernisieren, und vor allem die Umstellung auch für eine Profilbildung zu nutzen, so dass wir das Ziel einen Wettbewerb der Hochschulen mit qualitativ überzeugenden Angeboten zu erreichen, dass wir auch da vorangekommen sind. Uns ist sehr daran gelegen, dass wir einen Erfahrungsaustausch weiter voran bringen können: Mit dem Ziel dass die Best Practice Angebote dann auch von anderen aufgenommen werden."

    Bei der qualitativ hochwertigen Umsetzung der Bologna Leitlinien sieht Storm dann auch in erster Linie die Hochschulen in der Pflicht. Eine Ansicht, die er mit Birger Hendriks, dem Bologna-Beauftragten der Kultusministerkonferenz, teilt.

    "Das alte Verständnis – wir bilden Wissenschaftler aus – das hat sich geändert, daran müssen sich manche auch gewöhnen. Aber nicht die Struktur als solche hat Defizite sondern die Umsetzung – es muss nachgearbeitet werden. Die Hochschulen sind autonomer, jede Hochschule bringt ihr eigenes Profil heraus, das heißt es fällt Studierenden schwer ohne Zeitverlust zu wechseln und es werden mitgebrachte Studiengänge zum Teil nicht anerkannt. Also anders gewendet: Es muss hier bessere Studierbarkeit hergestellt werden auch mit mehr Luft. Die Studiengänge sind zu voll gepackt. Workload das Stichwort. Wir müssen auf eine stärkere Kompetenzorientierung achten – das muss besser erreicht werden als bisher."

    Auf europäischer Ebene dürfte das keine leichte Aufgabe werden: zumal an der Bologna Reform mittlerweile 46 Staaten beteiligt sind. Für die Ministerkonferenz in Leuven fordert Hendriks dementsprechend die bisher gesteckten Ziele umzusetzen und den Katalog nicht schon wieder um neue Richtlinien zu erweitern: zu sichern, dass die umgestellten Studiengänge auch wirklich funktionieren, dass Studieren flexibler wird und die Studierenden mobiler werden. Anja Gadow vom Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften unterstützt es deshalb ausdrücklich, in Leuven nicht schon wieder gut klingende Aktionslinien zu formulieren, sondern die alten erstmal umzusetzen. Allerdings ist sie äußerst skeptisch, was die Kooperation der Hochschulen angeht und gibt dem Bildungsföderalismus die Schuld.
    "Die wollen meines Erachtens das alles nur extrem schönfärben, kann ja auch sein dass sie nicht wissen wie sie das machen sollen. Durch diesen Konflikt Bund Länder und dann hat man noch Hochschulautonomie – wer ist dann dafür zuständig. Ist alles ein bisschen schwierig, aber da ist die Bundesregierung die Landesregierung selber dran schuld. Hätten sie ja nicht machen müssen, die Kompetenz abzugeben."

    Vor allem hätte Bologna das Studium auch sozial gerechter machen sollen. Davon sei bislang noch nichts umgesetzt, findet Gadow.

    "Die Sachen die man in London gesagt hat – also soziale Dimension als ganz großes Thema, da hatten wir ein paar Hoffnungen reingesetzt, die wurden unserer Meinung nach alle nicht erfüllt weil man keinen Aktionsplan gemacht hat, sondern den Ist-Stand geschönt und den jetzt im Bericht verfasst hat. Also Studiengebühren hat man weiter in irgendwelchen Ländern eingeführt. Die Bundesregierung hat nicht dagegen gemacht. Beim Bafög, okay, es gab 10 Prozent Erhöhung. aber nicht wegen dem Bologna Prozess."

    Auch dass die Studienanfängerquote wie Staatssekretär Storm hervorhob, bei noch nie gekannten 39,3 Prozent liegt – dürfte Anja Gadow nur begrenzt zufriedenstellen. Denn ob das den jüngsten Reformen zu verdanken ist, weiß niemand.