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Forum Gemeinnütziger Journalismus
Ruf nach neuen Regeln

In Deutschland ist spendenfinanzierter Journalismus die Ausnahme. Ein wesentlicher Grund: Bislang fehlt dafür die gesetzliche Grundlage. Einige Organisationen wollen, dass sich das ändert. Doch aus der Politik kommen unterschiedliche Signale.

Von Christopher Ophoven | 16.12.2019
Das Correctiv Logo in Berlin
Zum Beispiel Correctiv: Das Recherchezentrum wird von den Finanzämtern als gemeinnützig anerkannt (Britta Pedersen/dpa)
Markus Beckedahl ist ein gefragter Gesprächspartner, wenn es um netzpolitische Themen geht. Zu Recht, denn er und sein Team von netzpolitik.org stoßen immer wieder Debatten an, auch durch Leaks von Regierungsdokumenten. Nicht nur unter und Journalisten hat ihnen das viel Anerkennung eingebracht, sagt der Medienrechtler Professor Thomas Hoeren von der Universität Münster. "Es ist die zentrale Plattform für Medienrecht und was Medienpolitik angeht."
Ähnlich positiv werden auch die Arbeiten von Correctiv bewertet. Das Recherche-Büro hat sich immer wieder durch investigative und datenjournalistische Inhalte hervorgetan, zum Beispiel im Fall des als "Cum Ex" bekannt gewordenen Steuerbetrugs durch Banken. Correctiv und netzpolitik.org fallen also definitiv durch gute journalistische Arbeit auf, findet der Medienökonom Professor Christian Wellbrock von der Universität Köln: "Sie haben auf jeden Fall wichtige Impulse geliefert in den letzten Jahren, die unter Umständen ohne diese Redaktionen so nicht gesetzt worden wären."
Eigentlich gilt Journalismus nicht als gemeinnützig
Correctiv und Netzpolitik.org haben aber noch eine Gemeinsamkeit: Sie werden beide von den Finanzämtern als gemeinnützig anerkannt und genießen deshalb steuerliche Vorteile. Die Sache hat allerdings einen Haken, denn Journalismus zählt nicht zu den im Gesetz genannten förderungswürdigen Bereichen. Beide Angebote setzen deshalb auf Hilfskonstruktionen, erklärt Stephanie Reuter, Geschäftsführerin der Rudolf Augstein Stiftung.
"Allerdings müssen sie dafür eben andere Zwecke angeben, die in der Abgabenordnung genannt werden und die ja dann auch entsprechend erfüllen. Also das bedeutet, wenn jetzt über Bildung beispielsweise die Gemeinnützigkeit anerkannt wurde, dann müssen sie eben auch Bildungsangebote zur Verfügung stellen und können sich eben nicht ausschließlich auf ihre journalistische Tätigkeit konzentrieren."
Wunsch nach Rechtssicherheit
Und genau das soll sich jetzt ändern. Correctiv, netztpolitik.org, die Augstein-Stiftung und viele andere Organisation haben vor Kurzem das Forum Gemeinnütziger Journalismus gegründet. Sie wollen, dass bei der nun anstehenden Reform des Gemeinnützigkeitsrechts Journalismus auch als Kategorie aufgenommen wird. Das würde Rechtssicherheit herstellen, und auch andere, kleinere, gemeinwohlorientierte Redaktionen könnten künftig von steuerlichen Vorteilen profitieren. Eine entsprechende Initiative hatte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet in den Bundesrat eingebracht.
Derzeit scheinen die Erfolgsaussichten allerdings begrenzt. Medien-Staatsministerin Monika Grütters antwortete auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag sehr ausweichend. Correctiv-Geschäftsführer David Schraven ist dennoch zuversichtlich, dass die Gemeinnützigkeit von Journalismus bei der Reform des Gesetzes berücksichtigt wird.
"Ich glaub schon, dass das nächstes Jahr klappt. Das ist halt so 'ne Sache, da müssen Leute überzeugt werden, dann muss halt auch Frau Grütters überzeugt werden, aber ich glaube, das klappt. Wir haben fast einstimmig die medienpolitischen Sprecher der Parteien hinter der Position und wenn wir jetzt die Finanzpolitischen Sprecher auch noch einsammeln, ja was soll denn die Frau Grütters dagegen haben? Dann wird die das auch gut finden."
David Schraven mit Bart und Brille im Büro des Recherchekollektivs "Correctiv".
"Correctiv"-Geschäftsführer David Schraven (dpa / Britta Pedersen)
Eine Gefahr: Missbrauch
Eine Anerkennung von Journalismus als gemeinnützigen Zweck könnte allerdings zu Steuermindereinnahmen fürchten, zumindest ist das die Befürchtung von Finanzpolitikern. Ein weiteres Problem aus finanzpolitischer Sicht: Wenn Journalismus als gemeinnützig anerkannt wird, warum dann nicht auch andere Zwecke? Es werden also Begehrlichkeiten geweckt. Es gibt aber noch eine weitere Befürchtung, die auch Medienökonom Wellbrock sieht.
"Es steht und fällt ja mit einer Definition von Journalismus, denn über Informationen oder auch Nachrichten kann ja nicht nur gesellschaftlicher Nutzen entstehen. Das muss einfach sehr gut vorbereitet sein, um eben Geschichten wie gezielte Propaganda von dieser Fördermöglichkeit, die das ja darstellt, auszuschließen."
Keine Pläne des Bundesfinanzministeriums
Genau daran arbeitet das Forum Gemeinnütziger Journalismus gerade – an einer Definition von Journalismus, die Missbrauch ausschließen soll. Dass das klappt, davon ist Wellbrock überzeugt.
"Wenn ich mir das Konstrukt Gemeinnützigkeit vorstelle, dann ist der Journalismus, so wie ich ihn verstehe, prädestiniert dafür, darunter zu fallen und dann muss es zumindest mittelfristig eine Möglichkeit geben, dass der Journalismus auch juristisch als gemeinnützig eingeordnet wird."
Nach aktuellem Stand wird es dazu aber wohl nicht kommen. Das Bundesfinanzministerium wird Journalismus nicht als neuen gemeinnützigen Zweck aufnehmen, heißt es beispielsweise aus dem Büro der medienpolitischen Sprecherin der Grünen, Margit Stumpp. Für David Schraven von Correctiv wäre das eine fatale Entscheidung.
"Wenn wir diese Zeit verpassen, dieses Zeitfenster und die Reform der Abgabenordnung jetzt abgeschlossen wäre, dann bleibt das zu für Jahre. Dann haben wir bestimmt für fünf, sechs, sieben, acht Jahre keine Chance mehr, gemeinnützigen Journalismus einzuführen."