Donnerstag, 25. April 2024

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Fotograf Ralf Brueck
Die verborgene DNA von Bildräumen

Im NRW-Forum in Düsseldorf stellt der Fotograf Ralf Brueck Serien der jüngsten Jahre aus. In "Deconstruction", "Distortion" und "Deutsch-amerikanische Freundschaft" werden Natur und Stadt mit der Kamera datenmäßig erfasst, dann seziert, digital manipuliert und neu arrangiert.

Von Peter Backof | 27.06.2016
    Der Fotografiekünstler Ralf Brueck vor einem seiner Werke.
    Der Fotografiekünstler Ralf Brueck vor einem seiner Werke. (Deutschlandradio - Peter Backof)
    "Ich habe jetzt schon von vielen Seiten gehört, dass da so eine Art Science-Fiction-Eindruck entsteht. Ich meine, ich habe jetzt nichts gegen Science Fiction, finde ich auch ganz gut, aber."
    Aber! Es ist eigentlich keine Science Fiction, wenn Ralf Brueck aus Düsseldorf ein Modul der Weltraumstation ISS fotografiert, ein Foto aus der Serie "Deconstruction". Darin öffnet sich ein Raum nach dem Raum nach dem Raum. Alles stürzt in einen Fluchtpunkt. Eine Atmosphäre wie in der Odyssee im Weltraum von Stanley Kubrick: Halb technisch plausibel, halb mystisch entrückt.
    "Ich benutze eine Großformatkamera. So eine Kamera, wo man sich ein Tuch über den Kopf zieht. Einfach, weil die Negative sehr groß sind und weil die Auflösung, die Megapixel, dann auch sehr hoch sind."
    Die analoge Plattenkamera erfüllt für die bis zu 3,20 Meter breiten Abzüge in der Ausstellung im NRW-Forum genau den Zweck: Das Modul der ISS konnte er so – in der Weltraumwerft am Boden - gestochen scharf und hypertechnoid aufs Negativ bringen.
    "Und hinterher wird dann diese analoge Aufnahme gescannt und im Rechner bearbeitet, indem ich dann verschiedene Tools in Photoshop benutze. Diese Tools sind ja genauso wie ein Maler verschiedene Tools hat, indem er Spatel benutzt, mehrere Male Farbe aufträgt, um sein Bild dahin zu bringen, wie er es gerne hätte."
    Malen mit Pixeln also. Für das ISS-Modul heißt das: Den Sturz in die Tiefe des Raums gibt es gar nicht. Genauso wenig wie die extrem futuristischen Re-Designs von "Terminal 21" oder "Alex Berlin" aus den Serien "Deconstruction" und "Distortion". Das sind Montagen, Stauchungen und Zerrungen echter Orte, sodass pink-farbige Balken wie Barcode-Striche im grauen Raum schweben.
    Grenzen des Fotografiebegriffs erweitern
    So im Aktenkeller eines Unternehmens in Florenz, wo Ralf Brueck ein Jahr lang Villa-Romana-Stipendiat war. Eigentlich ein banaler Funktionsraum, der jetzt aber eine Aura hat, sodass wir die Finanzströme sehen können, um die es hier eigentlich geht? "Pink Mist" - Nebel in Pink -, wieder 3,20 Meter breit und wirkungsmächtig:
    "Ich wollte einfach die Grenzen des Fotografiebegriffs, wie er für mich gilt, erweitern und habe geguckt, was ich eigentlich noch mit dem Bild machen kann. Und habe dann so einen Abgriff aus der Bild-DNA genommen, sage ich mal, und verändert, praktisch die Bild-DNA zum Mutieren gebracht."
    New Colour Photography nennt sich diese junge fotografische Schublade mit Vorbildern aus den USA. Man nutzt sämtliche verfügbaren Mittel und schafft Bilder, die mehr sind als Fotos. Auch für Ralf Brueck selbst ist der erste Blick auf ein Resultat wie Bleigießen an Silvester.
    "Damit kann ich mich anfreunden: Das Unbeschreibliche finde ich schon ganz gut."
    Wie soll man auch diese gigantischen Strahlenbündel nennen, die scheinbar aus dem Weltraum auf Parklandschaften und Autobahnen niederprasseln? Staunende Touristen auf dem Foto "Manic Depression" zücken die Kamera, wollen die Erscheinung festhalten. Ein Foto im Foto im Foto. Ralf Brueck wirbelt die Wirklichkeitsebenen und damit den Begriff von Fotografie ordentlich durcheinander. Auch die assoziativen Titel seiner Fotos sollen dabei eine Rolle spielen. "Kubrick", "Unknown Pleasures", "Personal Jesus". Die Ausstellung hat auch einen gefühlten Soundtrack aus Joy Division, Depeche Mode, Johnny Cash: eine zusätzliche Farbe.
    "Wochenlang nur im Auto zu sitzen und dann überall da anzuhalten, wo ich etwas interessant finde. Mich treiben zu lassen, ist wie so eine Art Road Movie."
    Reise in die USA
    Zweimal hat Ralf Brueck die USA bereist. Monatelang und querfeldein. Spießige Carports irgendwo in Montana, eine frisch gestrichene Bushalte im sandigen Nirgendwo Arizonas: Banales, Zufälliges, nie klischeehaft Amerikanisches. Aber für Ralf Brueck in dem Moment bedeutend Wirkendes ist zu sehen. Die Serie "Deutsch-amerikanische Freundschaft": Heißt so wie die 80er-Band mit dem Hit "Der Mussolini", ist aber auch Roadmovie für die eigene Karriere.
    "Deutsch-amerikanische Freundschaft, den Namen habe ich gewählt, weil es für mich um eine Auseinandersetzung mit der amerikanischen Fotografie ging. Ich habe das Gefühl, dass die viel freier arbeiten als mir das möglich gewesen ist in der Düsseldorfer Fotoschule."
    "Next Exit Right": Da kann man dann rätseln über dieses drei Meter breite Foto von einer Verkehrshinweistafel am Highway: Fahren Sie die nächste rechts! - oder: Hier liegen sie richtig? Ziemlich symptomatisch für das, was Ralf Brueck macht. Vielleicht hat er den Hinweis ja auch einfach hineinmontiert ins Foto: Er bedeutet, was immer man darin sehen will.