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Fotos vom G7-Gipfel
Wer war hier der Boss?

Der tiefe Riss zwischen Donald Trump und den übrigen Teilnehmern des G7-Gipfels zeigte sich nicht erst, als der US-Präsident seine Zustimmung zur Abschlusserklärung per Twitter zurückzog. Doch wer steht nach dem Eklat als Sieger da? Alles eine Frage der Perspektive, wie auch die unterschiedlichen Fotos zeigen, die von dem Treffen in Kanada verbreitet wurden.

10.06.2018
    Merkel spricht mit Trump während Macron, Abe und Bolton zuhören.
    Dieses Bild verbreitete sich viral im Netz mit allerlei Fantasien dazu... (dpa / Jesco Denzel / Bundesregierung)
    Alles schien schon in trockenen Tüchern, als US-Präsident Donald Trump, der den G7-Gipfel im kanadischen La Malbaie vorzeitig verlassen hatte, aus der Air Force One twitterte, dass er seine Zustimmung zum Abschlusskommuniqué zurückzieht. Als Grund gab er die kritischen Äußerungen des kanadischen Premierministers Justin Trudeau über die US-Zölle auf Stahl und Aluminium an.
    Dass es nicht einfach werden würde zwischen Trump und seinen Kollegen aus den anderen G7-Staaten, hatte sich schon vor dem Treffen abgezeichnet. Unter anderem der französische Präsident Emmanuel Macron ging offen auf Konfrontationskurs mit Trump, Zeitungen sprachen vom "G6-plus-eins-Gipfel". Die Polarisierung prägte dann auch die gesamte Symbolik des Treffens. Geradezu ikonographisch geriet das Foto des Bundespresseamtes, das Regierungssprecher Steffen Seibert veröffentlichte.
    Das Bild von Fotograf Jesco Denzel entstand bei Beratungen am Rande des Gipfels. Darauf zu sehen ist Trump, der nach den Worten der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit "bockigem Gesichtsausdruck" und verschränkten Armen auf einem Stuhl sitzt. Neben ihm steht sein nationaler Sicherheitsberater, John Bolton, links von ihm stehen unter anderem Frankreichs Präsident Macron und der japanische Regierungschef Shinzo Abe. In der Mitte ist Bundeskanzlerin Angela Merkel zu sehen, die Trump mit "entschlossenem", aber auch "leicht frustriertem" Gesichtsausdruck anschaut, wie die dpa weiter schreibt.
    Schmollendes Kind vor Erwachsenen
    Zahlreiche Menschen verbreiteten das Foto mit unterschiedlichen Kommentaren. Während die einen der Meinung sind, das Trump als "Boss" vor den anderen Gipfelteilnehmern sitzt und den Ton angibt, sind andere der Meinung, dass der Chef niemals sitzen würde und Trump zudem durch die verschränkten Arme eher eine Abwehrhaltung zeigt oder wie ein "schmollendes Kind" vor den "Erwachsenen" wirkt. Die deutsche Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling, die an der Universität Berkeley in Kalifornien lehrt, hat dazu eine klare Meinung.
    Auch Roland Hughes von der BBC twittert das Foto und liefert das "Who's who" zur Szene gleich mit. Es sei klar zu erkennen, dass Kanzlerin Merkel an vorderster Front darum bemüht gewesen sei, die Differenzen zwischen Trump und den anderen Teilnehmern auszuräumen.
    Wie unterschiedlich die Perspektive sein kann, zeigt eine Gegenüberstellung der verschiedenen Fotos, die im Netz verbreitet wurden. Dabei geht es den jeweiligen Regierungen erkennbar darum, die Deutungshoheit über die Szene zu behaupten und die Wahrnehmung des Publikums zu steuern.
    Besonders sinnfällig ist der Gegensatz, wenn man das vom deutschen Regierungssprecher veröffentlichte Bild mit dem von Trumps Team vergleicht. Darauf sieht es so aus, als würde der amerikanische Präsident in der Mitte sitzen, umringt von Menschen, die ihm gespannt zuhören. Viele Twitter-User sind allerdings der Meinung, dass definitiv der deutsche Fotograf das beste Bild geschossen hat.
    Dass durch Fotos vermittelte Eindrücke oft auch sehr relativ sind, zeigt Roland Hughes von der BBC durch eine weitere Aufnahme. Darauf sehen die Beteiligten wesentlich freundlicher aus, was Hughes zu der Empfehlung veranlasst, in das viral verbreitete Bild nicht allzu viel hineinzuinterpretieren.
    (gri/wes)