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Fracking
Ein rumänisches Dorf rebelliert gegen US-Konzern

Der US-Öl-Konzern Chevron will in Rumänien Probebohrungen nach Schiefergas unternehmen. Das Unternehmen besitzt dafür bereits eine Förderlizenz für die nächsten 30 Jahre. Doch Regierung und Konzern haben die Rechnung ohne die Bürger gemacht.

Von Annett Müller | 18.11.2013

    Mühsam zieht Geta Barzu den Eimer aus ihrem Brunnen Einfach nur den Wasserhahn aufdrehen, das kennt die 66-Jährige nur aus dem Fernsehen. Künftig könnte sich das ändern. Der US-Ölkonzern Chevron will in der Gegend nach Schiefergas suchen. Möglicher Nebeneffekt: Das Dorf könnte eine Infrastruktur wie im Westen bekommen. Doch Barzu fürchtet ganz andere Folgen:
    "Wenn sie nach Schiefergas bohren, wird unser Grundwasser verschmutzt. Was trinken wir dann und wie versorgen wir unsere Tiere? Wir leben hier alle von Brunnenwasser. Von Quellen, die uns der Herrgott gegeben hat."
    Pungesti ist eine fromme Gemeinde in der ärmsten Gegend Rumäniens. Mit durchschnittlich 70 Euro im Monat muss ein Dorfbewohner über die Runden kommen. Das gelingt nur, weil jeder mühsam ein Stück Land bearbeitet und Vieh hält. Ohne eine intakte Natur wäre die Gemeinde ruiniert. Genau das befürchten die Einwohner, sollte Schiefergas in ihrer Region gefunden und das umstrittene Fracking eingesetzt werden.
    Bauern verhindern Probebohrung
    Aus Angst haben die Bauern Mitte Oktober eine Probebohrung von Chevron verhindert. Auch der 39-jährige Puiu Lavric stellte sich vor die Schaufelbagger des US-Konzerns und rief „Go home Chevron“. Die Arbeiten liegen seither auf Eis:
    "Woher sollen wir wissen, welche Substanzen beim Fracking in die Erde gepresst werden? Das hält der Konzern geheim, deshalb bin ich skeptisch. Ich würde nur einer Machbarkeitsstudie von unabhängigen Experten trauen, die weder von Chevron noch von unserer Regierung beauftragt wurden. Denn die beiden scheinen mir wie heimliche Verbündete zu sein."
    In Pungesti wird derzeit gemunkelt, dass die Lokal- und Landespolitiker mit dem US-Konzern gemeinsame Sache machen. Als Oppositionspolitiker verteufelten sie noch das riskante Verfahren. Eine breite öffentliche Diskussion über die Folgen gab es bislang jedoch nicht. Seit die Links-Liberalen an der Macht sind, haben sie eine Kehrtwende hingelegt und lassen sich von Chevron zu Lobby-Treffen und Reisen einladen. Der linke Kreisratschef Dumitru Buzatu ist einer von ihnen. Dass ihm die Leute aus Pungesti nun nicht mehr vertrauen, stört ihn wenig:
    "Die Leute müssen mir nicht glauben. Doch welchen anderen Investor gibt es gerade für die Region außer Chevron? Keinen! Wir müssen in diesem Land all unsere Potenziale nutzen – für unsere Weiterentwicklung."
    Fracking könnte Rumänien von Russland unabhängiger machen
    Rumänien könnte die neue Energiequelle gut gebrauchen, um in Zukunft nicht mehr am Tropf des russischen Gazprom-Konzerns zu hängen. Doch was bleibt dem Land vom Schiefergas, wenn es US-Amerikaner fördern? Fragen, die auch Chevron bislang kaum beantwortet habe, sagt Energiexpertin Ana Nutu vom Bukarester Think tank „Expert Forum“. Der US-Konzern müsse jetzt die Karten offenlegen:
    "Chevron muss jetzt in vielerlei Hinsicht Redlichkeit zeigen und demonstrieren, dass sie an einer guten Politik und an Transparenz interessiert sind. Sie sollten beispielsweise offenlegen, welche Einnahmen sie erwarten oder welche chemischen Substanzen sie verwenden. Chevron muss jetzt beweisen, dass sie päpstlicher sind als der Papst."
    Mit einer Werbe-Kampagne will der Energiekonzern jetzt seinen Ruf in Pungesti aufbessern. Einfach wird das nicht, in einer Kommune, deren Regionalpolitiker schon Vieles versprochen und wenig davon gehalten haben. Träume haben die Menschen in Pungesti deshalb keine mehr, dafür aber tiefes Misstrauen.
    Umweltaktivisten: Ausharren bis Chevron Rumänien verlässt
    Vor dem Dorf campen seit Wochen Umweltaktivisten - genau dort, wo Chevron zuerst nach Schiefergas suchen will. Die Demonstranten wollen ausharren, bis der US-Konzern Rumänien verlässt. Dorfbewohner - wie Geta Barzu - bringen warmes Mittagessen vorbei. ,Sie kommen doch aus Deutschland?‘, sagt sie.
    "Warum hat sich Ihr Land noch nicht zum Fracking-Verfahren durchgerungen? Wenn es keine hohen Risiken gebe, dann hätte Deutschland doch schon längst grünes Licht gegeben und würde damit Geld machen."
    Auch Barzu will, dass Rumänien erst einmal über das Fracking diskutiert. Ob ihr Protest etwas dabei ausrichten kann? Barzu überlegt kurz:
    "Wenn wir unseren Politikern etwas bedeuten würden, hätten sie uns nicht all die Jahre wie Abschaum behandelt. Vermutlich sagen sie sich: 'Lass diese dummen Bauern doch reden, wir ziehen das Projekt trotzdem durch'."