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Fracking in Deutschland
Neues Gesetz für die Erdgasproduktion

Zwölf Prozent des deutschen Erdgasbedarfs können aus heimischen Quellen gedeckt werden. Maßgeblich dafür ist vor allem das Gasvorkommen im Boden Niedersachsens. Da Fracking jedoch wegen einer möglichen Gefährdung des Grundwassers hoch umstritten ist, soll es jetzt eine neue gesetzliche Regelung geben.

Von Anja Nehls | 09.03.2015
    Bundesumweltministerium in Berlin mit Anhängern und Funktionären von Umweltschutzorganisationen
    Vor etwa einem halben Jahr hatte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) das strengste Fracking-Gesetz der Welt angekündigt. (dpa / picture alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Fracking steht für Hydraulic Fracturing, also das Lösen von Gas aus Gesteinsschichten aus einer Tiefe bis 3000 Meter. Dabei wird ein Mix aus Wasser, Sand und Chemikalien mit Hochdruck durch Bohrlöcher in den Untergrund gepresst, um Erdgasvorräte freizusetzen, die sonst nicht erreichbar sind.
    Und weil das ganze Verfahren zum Beispiel wegen einer möglichen Gefährdung des Grundwassers hoch umstritten ist, soll es jetzt eine neue gesetzliche Regelung geben. Bisher gibt es einen Entwurf, dem Wirtschaftsverband Erdöl und Erdgasgewinnung geht er zu weit, Umweltschutzorganisationen geht er nicht weit genug.
    Angekündigt war ja vor einem guten halben Jahr von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks das strengste Fracking-Gesetz der Welt:
    "Fracking zu wirtschaftlichen Zwecken wird es in absehbarer Zeit in Deutschland nicht geben."
    Das Problem dabei ist, dass Fracking nicht gleich Fracking ist. In Niedersachsen wird seit vielen Jahren Erdgas gefördert durch Fracking im Sandgestein, das konventionelle Fracking – das soll weiterhin erlaubt bleiben, aber nicht in Naturschutzgebieten, in Gegenden, die zur Trinkwassergewinnung genutzt werden oder in Ballungszentren. Und das schränke die Fracking-Landkarte viel zu stark ein, sagt Martin Bachmann vom Wirtschaftsverband Erdöl und Erdgasgewinnung:
    Umweltbundesamt fürchtet Gefährdung des Trinkwassers
    "Wir haben seit 30 Jahren über 300 Fracks durchgeführt ohne jede Auswirkung auf Umwelt und Trinkwasser. Ich glaube, das kann man nicht einfach so bei Seite schieben."
    Das Umweltbundesamt will allerdings nicht ausschließen, dass Fracking das Trinkwasser gefährden kann – und Ulf Sieberg vom NABU hat jetzt schon ganz große Bedenken:
    "Wir haben heute Grenzwertüberschreitungen von Quecksilber um das 15.000-fache aus der konventionellen Förderung. Wir haben Benzolaustritte beim Lagerstättenwasser, wir haben Erdbebengefahr, wir haben die Verpressung von Lagerstättenwasser in Trinkwasserschutzgebieten, die zu Grenzwertüberschreitungen von giftigen Substanzen führen."
    Noch problematischer als die Förderung aus konventionellen Lagerstätten ist das Schiefergas- oder Kohleflözfracking, also die Förderung von Gas aus sogenannten unkonventionellen Lagerstätten – und auch das soll mit dem jetzigen Gesetzentwurf unter bestimmten Umständen erlaubt werden: nämlich wenn die Vorkommen unterhalb von 3000 Meter liegen. Und: Probebohrungen werden auch oberhalb der 3000-Meter-Grenze zugelassen.
    Erdgasindustrie hofft auf Unabhängigkeit von Russland
    Für die Erdgasindustrie steckt in diesem Schiefergas ein unglaubliches Potenzial, mit dem man sich unabhängig von Öl- und Gasimporten aus dem Ausland, also aus Russland, der Ukraine oder Saudi-Arabien machen könnte. Maria Krautzberger vom Umweltbundesamt sieht das anders:
    "Wir sehen den Anteil des Frackinggases in Deutschland für die Energieversorgung als sehr gering an, wir haben ihn auf etwa vier Prozent geschätzt. Er reicht also in keiner Weise dazu aus, die Importabhängigkeit aufzuheben."
    Allerdings führt die Industrie auch die Bedeutung von deutschem Know-how in der Frackingtechnologie für den Export ins Feld. Martin Bachmann vom Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung:
    "Erfahrungen, die wir in Deutschland seit Jahrzehnten mit dem Fracking gemacht haben, sind gern gesehen, zum Beispiel in Russland, den Niederlanden oder in Argentinien. Dieses Know-how, das wir vor Ort gewinnen und das wir hier ausbilden, das muss erhalten bleiben. Und hierfür benötigen wir die richtigen Rahmenbedingungen und Zeichen."
    Expertenkommission entscheidet über Unbedenklichkeit
    Der Verband fordert also, dass die Suche nach neuen Lagerstätten in Deutschland besser unterstützt wird. Außerdem wehrt sich der Verband dagegen, dass das Wasser, das für das Fracking benötigt wird, in jedem Fall aufbereitet werden muss. Umweltschutzverbände kritisieren, dass der neue Gesetzentwurf das nicht eindeutig regelt – und mit Schad- und Giftstoffen belastetes Lagerstättenwasser auch weiterhin unbehandelt in den Boden verpresst werden könne. Kein Problem ist das für Gernot Kalkoffen vom Wirtschaftsverband Erdöl und Erdgasgewinnung:
    "Wir sind mittlerweile in der Lage, mit Flüssigkeiten auszukommen, die fast ausschließlich aus Wasser bestehen. Das gilt insbesondere für flachere Horizonte und für das Schiefergas. Hier stehen mittlerweile sogar Flüssigkeiten zur Verfügung, die keinerlei umweltgefährliche oder giftige Substanzen mehr enthalten."
    Prinzipiell wäre mit dem neuen Gesetz nun auch ein kommerzielles Fracking bei einer geringeren Tiefe als 3000 Meter möglich. Wenn eine "Expertenkommission" das Fracking in der "jeweiligen geologischen Formation mehrheitlich als grundsätzlich unbedenklich einstuft". Wie die Entscheidung ausfällt, hängt dann natürlich davon ab, wie diese Expertenkommission besetzt ist. Das Votum der Kommission muss am Ende von den zuständigen Landesbehörden und der Regierung des betreffenden Bundeslandes bestätigt werden.