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Fragwürdige Kompensationsprojekte in China

Der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) ist eines der vom Kyoto-Protokoll vorgesehenen Instrumente, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu vermindern. Damit werden bestimmte Industrie- oder Energieprojekte in Entwicklungsländern gefördert, die Investoren erhalten im Gegenzug Emissionszertifikate. Beispiele in China lassen an der Sinnhaftigkeit aber zweifeln.

Von Markus Rimmele | 23.11.2011
    Kein Land produziert so viel Treibhausgas wie China. Die jedes Jahr um knapp zehn Prozent wachsende Wirtschaft frisst alle durchaus vorhandenen Fortschritte im Klimaschutz sofort wieder auf. Besonders CO2-intensiv ist die Stromerzeugung. Rund 80 Prozent der elektrischen Energie stammt aus Kohlekraftwerken. Es ist daher wohl nicht verwunderlich, dass chinesische Kraftwerke in den internationalen CDM-Emissionshandel mit einbezogen sein sollen. Die Idee: Ein Investor aus einem Industrieland investiert in ein Kraftwerk in China, das besonders effizient arbeitet. Für das dadurch eingesparte CO2 bekommt er Emissionsrechte, mit denen er auch handeln kann. Doch die Nichtregierungs-Organisation CDM Watch stellt die Förderung von chinesischen Kraftwerken in Frage. Die Anlagen in der Volksrepublik würden von alleine immer moderner, so der Vorwurf. Hier sei keine Förderung mehr nötig. Wu Libo, Energie-Expertin an der Shanghaier Fudan-Universität hegt ebenfalls Zweifel.

    "Einige chinesische Industrien, vor allem Stahl und Kohlekraftwerke, arbeiten schon mit ziemlich fortschrittlicher Technologie. Die chinesischen Kraftwerke haben ihre Kapazität erweitert, was sie energieeffizienter macht. Manche chinesische Technologien übertreffen heute schon den internationalen Standard."

    Pro Jahr, so rechnet CDM Watch vor, steigt der Kohlepreis um zehn Prozent. Das zwinge zu effizienterer Technologie in den Kraftwerken, ob mit oder ohne CDM-Geld. Hier regle der Markt alles von allein. 13 chinesische Anlagen stehen derzeit auf der Liste, als CDM-Projekte anerkannt zu werden. Bei acht Stück davon behaupten die Kraftwerksplaner, ohne Fördergeld könnten sie sich nur eine deutlich schmutzigere Technologie leisten. Tatsächlich aber, so die NGO, sind in China seit 2008 nur noch moderne Anlagen ans Netz gegangen. Die Umweltvorschriften sind strenger geworden. Kurz: Chinas Kraftwerke werden auch ohne CDM effizienter.

    China ist eines der Hauptzielländer für CDM-Gelder. Projekte existieren auch in anderen Bereichen:

    "CDM spielt aber keine große Rolle bei Chinas Anstrengungen, die Emissionen zu senken, sagt Wu Libo. In China befindet sich zwar ein Drittel der CDM-Projekte weltweit, aber das macht nicht viel aus im Vergleich zu den anderen Anstrengungen, die China unternimmt. Doch immerhin: Durch CDM wurde ein CO2-Marktsystem eingeführt in China. Die Investoren haben nun gemerkt, dass CO2 auch Kapital sein kann."

    Etwa ein Dutzend Börsenplätze zum Handel von Emissionszertifikaten ist in China entstanden. Die wichtigsten befinden sich in Peking, Shanghai und Tianjin. Wenn auch nicht alle CDM-Projekte sinnvoll sein mögen. Das Prinzip Emissionshandel ist durchaus erfolgreich in China, sagt Zhu Dunming von Tsing Capital, einer chinesischen Investitionsfirma im Bereich Umwelttechnologie.

    "Ich glaube, China wird seinen eigenen Emissionshandel entwickeln. Das UN-Programm ist begrenzt, und die Bewerbung dauert viel zu lang. Viele Lokalregierungen in China wollen ihre eigenen Handelssysteme aufbauen und einen Emissions-Binnenmarkt entwickeln."

    China investiert viel Geld in erneuerbare Energien. 2010 waren es rund 36 Milliarden Euro, so viel wie in keinem anderen Land auf der Welt. Und diese Zahl soll sich in den kommenden fünf Jahren noch verdoppeln.

    Umweltgesetze, Zertifikatehandel, Erneuerbare Energien. China braucht wohl immer weniger Entwicklungshilfe beim Thema Klimaschutz – obwohl es der größte CO2-Verschmutzer der Welt ist.