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Fraktionssondersitzungen
Angespannt aber ruhig

Alle vier Parteien im Bundestag - CDU, SPD, Grüne und Linke - haben gestern Sondersitzungen zur Griechenland-Krise abgehalten. Diskutiert wurde viel - vom Schuldenschnitt bis hin zu weiteren Verhandlungen mit den Griechen.

Von Christoph Reimann | 30.06.2015
    Es ist selten, dass an einem Montagabend noch etwas los ist auf der Fraktionsebene des Reichtagsgebäudes, direkt unter der Kuppel und ein Stockwerk über dem Plenarsaal. Anders, gestern Abend: Alle Fraktionen sind zu Sondersitzungen zusammengekommen. Das Thema:
    Die Lage in Griechenland. Kurz nach 19 Uhr, als letzte der vier Fraktionen ist auch die SPD mit ihrer Sitzung fertig. Als eine der ersten verlässt Hilde Mattheiß den Sitzungssaal.
    Die Sozialdemokratin gehört dem linken Flügel der Partei an. Sie gibt sich unaufgeregt. Ja, die Stimmung während der Sitzung sei angespannt gewesen, aber damit auch der Lage angemessen, sagt sie:
    Unsichere Faktoren im Raum
    "Das ist ja auch bei der Situation und in der Lage nicht irgendwie leicht zu bewältigen. Und natürlich tauscht man die Argumente aus und versucht, die Lage auch einzuordnen, aber es sind so viele Unsicherheits-Faktoren im Moment auch im Raum, dass man das nicht abschließend bewerten kann. Und entsprechend vorsichtig sind natürlich auch die Kommentierungen."
    Ähnlich klingt es, fragt man Sören Bartol, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, wie er den Auftritt von Angela Merkel beurteilt. Die Bundeskanzlerin stellte sich auch in der Fraktionssitzung der SPD den Fragen der Abgeordneten:
    "Es ging darum, dass wir uns als Koalitionspartner den Bericht der Kanzlerin haben wollten, was wie diskutiert wurde. Und sie hat das mit aller Ernsthaftigkeit gemacht. Sie hat uns einen Überblick über die Lage, wie sie sich aus ihrer Sicht darstellt, ergänzt durch den Vizekanzler Gabriel und auch den Außenminister und andere Diskutanten ... Das war eine sehr ernste, sehr angemessene Debatte."
    Steinbrück offenbar für Schuldenschnitt
    Angespannt, aber ruhig wird die Stimmung also beschrieben. Aber ganz so friedlich scheint es bei der Fraktionssitzung der SPD dann doch nicht zugegangen zu sein. Vor allem der frühere SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück soll durchaus deutliche Worte gefunden haben. Er selbst stürmte nach der Sitzung schnell zum Aufzug, sagte nichts in die Mikrofone, er habe nun einen Termin. Aber von Teilnehmern der Fraktionssitzung wurde bekannt, dass er als Zweiter, als Merkel anwesend war, das Wort ergriffen haben soll. Er soll einen Schuldenschnitt gefordert, die Verletzung weitreichender Grundsätze der europäischen Finanzmarkt-Politik durch die EZB kritisiert, und darauf hingewiesen haben, dass er dem aktuellen Angebot der EU an Griechenland im Bundestag nicht zugestimmt hätte.
    Ebenfalls angespannt aber ruhig – und vor allem unzufrieden mit der Politik der Bundesregierung gab sich die Opposition. Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, sagte über die Sitzung seiner Fraktion:
    Hofreiter kritisiert Merkels langes Schweigen
    "Die Stimmung bei der Fraktionssitzung war sehr, sehr ernst, weil sich alle große Sorgen um Europa machen, wie es weitergeht. Denn Europa ist in einer der dramatischsten Krisen, seit der Gründung der Europäischen Union. "
    Für das Vorgehen von Merkel findet er kritische Worte:
    "Erst mal tagelang zu schweigen und jetzt die Schuld allein Richtung griechische Regierung zu schieben, ist natürlich auch extrem schräg. Es ist natürlich nicht so, dass Frau Merkel alleine Schuld ist, sondern die Schuld verteilt sich gut zwischen Frau Merkel und den anderen europäischen Regierungen und der Regierung in Griechenland. Aber zuerst zu schweigen und dann reines Blame-Game zu machen, ist schon eine sehr seltsame Haltung für die angeblich mächtigste Frau Europas."
    Auch Gregor Gysi, Noch-Fraktionschef der Linkspartei, fordert in seinem Statement eine Abkehr von der aktuellen Griechenland-Politik. Sein Appell: Die Regierung müsse den Griechen entgegenkommen ...
    "Weil die Folgen ganz erheblich sind. Und zwar nicht nur, wie das leider in vielen Medien diskutiert wird, für die Griechinnen und Griechen, sondern auch für die Deutschen, für ganz Europa. "