Donnerstag, 28. März 2024

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"Fraktus" in Hamburg
Amüsanter Nonsens

Mit Telefonstreichen haben sich die drei Hamburger Musiker Jacques Palminger, Rocko Schamoni und Heinz Strunk einen Namen als Komiker gemacht. 2012 haben sie sich im Film "Fraktus" als gleichnamige fiktive Technopioniere neu erfunden. Nun gibt es Fraktus auch im Theater.

Von Dirk Schneider | 05.05.2014
    "Sie sind die Erfinder des Techno. Sie sind die Avantgarde der elektronischen Musik."
    Großspurig werden Fraktus angekündigt, doch als sich der eiserne Vorhang hebt, sieht man nur einen halbnackten Hintern ins Publikum gestreckt. Kurz hofft man, es sei wenigstens der von Rocko Schamoni, einem Drittel der Hamburger Komikertruppe Studio Braun bzw. nun Fraktus. Doch die weißen Hinterbacken gehören nur Dennis, dem Roadie – und wie sich herausstellt: Hauptfigur des Abends. Er bereitet die Bühne vor für diese angeblichen Pioniere der Technomusik, die gerade irgendwo bei Pinneberg auf der Autobahn feststecken.
    "Da sind 600 Autos... die ganzen Insassen... bis zur Unerkenntlichkeit..."
    Schon bei ihren Inszenierungen im Deutschen Schauspielhaus war es die Strategie von Studio Braun, möglichst alle Erwartungen des Theaterpublikums zu enttäuschen. Mit dem Film über die Wiedervereinigung der fiktiven Band Fraktus hat dieser Abend so wenig zu tun wie mit fast allem, was sonst so im Großen Haus des Thalia gezeigt wird.
    "- Check check, one two, tss tss, pow pow..."
    "- Was sagt der Roadie, dem man 90 Prozent seines Gehirns entfernt hat?"
    "- ...check check, one two, tss tss, pow pow..."
    Als Rocko Schamoni, Jacques Palminger und Heinz Strunk als Fraktus endlich die Bühne betreten, ist schon fast die Hälfte des 100 Minuten dauernden Abends vorbei. Bis dahin überlässt man es den Profis, den brachialen Humor von Studio Braun mit Schauspielkunst und Timing zu veredeln, und das klappt sehr gut – dank Jörg Pohl, der den tumben Roadie-Underdog Dennis mit Leidenschaft und absoluter Präzision spielt und Julian Greis als dessen schwäbelnden Chef Jack Hensel.
    "Dennis, kennscht du eigentlich die drei Dinge, die ein Tonmann am meischten hascht?"
    Palminger, Strunk und Schamoni, die sich diesen Abend ausgedacht und Regie geführt haben, machen klar, dass sie nur das auf die Bühne bringen, worauf sie gerade Lust haben. Der Aufbau der Bühne für ein Fraktus-Konzert ist der lockere Rahmen, innerhalb dessen die Comedy-Truppe auf der Bühne ihre Gags präsentiert.
    Nach einem kurzen Erscheinen von Fraktus wird z.B. ein hanebüchenes Videospiel auf einer Leinwand gezeigt, angelehnt an den Klassiker Pacman, bei dem eine gelbe Figur keine Punkte sondern so viele Drogen wie möglich fressen muss.
    "Auf die Haschplantage! Das Haschfummelinchen, Vorsicht! Und jetzt schön einen durchziehen!"
    Danach fällt Roadie Dennis unerklärlicherweise ins Delirium, in dem gegnerische Wesen aus dem Computerspiel nun auf die Bühne treten und mit ihm einen fantastischen Reigen tanzen – mit den großartigen Kostümen, entworfen vom Künstlerduo Madoral, eine der schönsten Szenen des Abends.
    Wo "Fraktus - der Film" als Parodie auf das Musikbusiness nur offene Türen eingerannt hat - das Business hatte sich schon längst selbst entlarvt – ist das Theaterstück blanker Nonsens, der aber gut unterhält. Die ehrwürdige Bühne gibt dem handlungsfreien Klamauk die nötige Fallhöhe, um einen Theaterabend von Spielfilmlänge zu tragen. Und quasi als Belohnung gibt's am Ende einige neue Stücke von Fraktus, die inzwischen wohl so etwas wie eine, nun ja, "richtige" Band geworden sind.
    Sie haben den Großteil des Theaterbudgets auch dazu genutzt, ihren Traum einer fetten Bühnenshow zu verwirklichen, mit landendem Raumschiff, von innen beleuchteten Astronautenhelmen, Tänzerinnen und jeder Menge Nebel aus der Maschine.
    "Überall die zerfetzten Seelen, Abermillionen, die uns in ewige Unruhe versetzen wollen."
    Studio Braun sind auch als Fraktus vor allem eine große Sinnvernichtungsmaschine. Dass die auf einer Theaterbühne ihren besten Platz haben kann, zeigt diese Inszenierung sehr schön: Es tut dem Theater gut, wenn so lustvoll jede Bedeutungsproduktion verweigert wird. Aber es tut auch dem Nonsens gut, wenn er von Profis gestützt und mit einem Kostüm- und Bühnenbild ausgestattet wird, dass dem Bandraumschiff etwa die Form eines Fahrradhelms gibt, der sich als Running Gag, vor allem auf dem Kopf des schwäbelnden Roadies Hensel, durch das ganze Stück zieht. Ein Symbol für unsere sicherheitssüchtige Gesellschaft, deren größte Angst ist, dass im Oberstübchen etwas durcheinander kommen könnte – und das zu gewährleisten, ist ja schließlich das oberste Ziel von Studio Braun.