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Frankfurter Buchmesse
Eintauchen in die Welt des Sports

Sport ist auch auf der Frankfurter Buchmesse ein Thema. Vorgestellt wurden eine Biografie über die erfolgreichste Dressurreiterin Isabell Werth, ein Buch des ehemaligen DDR-Zehnkämpfers Christian Schenk über die Folgen des Dopings und des Sporthistorikers Erik Eggers über Fußball in der Weimarer Republik.

Von Jessica Sturmberg | 13.10.2018
    Sportbücher auf der Frankfurter Buchmesse.
    Sportbücher auf der Frankfurter Buchmesse. (Deutschlandradio / Jessica Strumberg)
    Eintauchen in die Welt des Pferdesports. Das Buch "Vier Beine tragen meine Seele" liest sich, als ob man für ein paar Stunden eine Tür öffnen darf und eingeweiht wird in die Sphäre dieser sehr eigenen und von speziellen Regeln geprägten Welt. Die FAZ-Redakteurin Evi Simeoni erzählt das Leben von Isabell Werth, der erfolgreichsten Dressurreiterin der Welt.
    Ihr Weg in den Dressursport, stark geprägt durch ihren Förderer Uwe Schulten-Baumer, ihre langsame Emanzipation von ihm, ihr Verhältnis zur Mäzenin Madeleine Winter-Schulze, die Rolle ihrer Familie. Vor allem aber geht es um die Pferde, das Verhältnis von Isabell Werth zu jedem einzelnen, das ihre nun schon fast 30 Jahre andauernde Spitzensportkarriere begleitet hat. So ist jedem wichtigen Pferd ein eigenes Kapitel gewidmet.
    Portärt Evi Simeoni.
    Evi Simeoni, Autorin des Buches "Vier Beine tragen meine Seele". (Deutschlandradio / Jessica Strumberg.)
    "Die Jahre mit jedem einzelnen Pferd erzählt schon ganz viel von Isabell Werths Leben als Reiterin", erläutert Evi Simeoni. Sie schildert die Art, wie die sechsfache Olympiasiegerin den Charakter eines Pferdes erfasst, über lange Jahre harte Trainingsarbeit ein Verhältnis aufbaut, das in den entscheidenden Prüfungen in einer Symbiose von Mensch und Pferd, in einer Eintracht gipfelt, die den besonderen Zauber des Dressursports ausmacht und die Zuschauer und Fans dieser Sportart berührt.
    "Sie kann Dinge in Pferden sehen, die andere Leute nicht sehen. Ich selber wäre furchtbar gerne mal eine Stunde Isabell, nur um mal zu fühlen, wie sie Pferde fühlt. Sie kann nicht nur den Charakter eines Pferdes erfassen. Sie kann auch vorausfühlen, wie ein Pferd gleich reagieren wird. Das ist ihre ganz, ganz große Stärke. Diese Fähigkeit zur Antizipation. Das heißt sie kann vorbauen. Sie kann auch verstehen, was gleich passieren wird und kann entsprechend handeln und kann dem Pferd deshalb ganz, ganz großes Vertrauen und große Sicherheit geben", so Simeoni.
    Alles Wichtige, um den Sport zu begreifen
    Wer sich wenig auskennt im Pferdesport, der erfährt in diesem Buch alles Wichtige, um den Sport zu begreifen: für die Kenner ist es neben den persönlichen Einblicken auch eine Auseinandersetzung mit all den strittigen Themen in der Dressur, wie der Dopingfall um Whisper - eines von Werths Pferden, die Finanzierung dieses Sports oder die Ur-Frage - wie viel Freiwilligkeit und wie viel Zwang gibt es in der Ausbildung der Dressurpferde - ausgedrückt im Kapitel über die Rollkur. Das alles erzählt aus der Sicht von Isabell Werth und Evi Simeoni, die beide das Buch als gemeinsames Projekt verstanden haben.
    "Es ist natürlich sehr stark erzählt von mir, aus meiner Sicht auch. Ich habe sehr, sehr viel von dem, was Isabell im Sport gemacht hat, miterlebt und auch beschrieben und ich habe mir auch nochmal ganz viel meine eigene Berichterstattung angesehen, um mich zu erinnern und um auch nochmal rauszuziehen, die damalige Sicht der Dinge und gleichzeitig habe ich 18 lange Interviews mit ihr gemacht und habe daraus sehr lange Passagen gewonnen, in denen sie original erzählt, manchmal sogar dieselbe Situation aus ihrer Sicht, so dass das eine Art Dialog geworden ist, was natürlich einerseits auch von einer gewissen Distanz geprägt ist und andererseits aber natürlich auch eine hohe Authentizität hat, weil sie sehr intensiv erzählen kann."
    "Riss - Mein Leben zwischen Hymne und Hölle"
    Intensiv sind auch die Einblicke, die der frühere DDR-Zehnkämpfer und Goldmedaillengewinner von 1988, Christian Schenk in seinem Buch mit dem Titel "Riss – Mein Leben zwischen Hymne und Hölle" gibt. Was macht es mit einem Menschen, der als Folge des Dopings heute unter schweren bipolaren Störungen leidet? Dazu erzählt Schenk mit Hilfe des freien Autors Fred Sellin über erschütternde Details in seinem Leben, beispielsweise den wirtschaftlich verheerenden abrupten Abbruch zu Kontakten und Geschäftspartnern, wie er plötzlich nicht mehr in der Lage war, einfach nur mit seiner Familie zu sprechen. Weil Kommunikation für ihn zu anstrengend wurde.
    Es ist das Dopingbuch dieses Herbstes. Auch wenn Doping in anderen Büchern auch eine Rolle spielt, z.B. bei der Frage: Was ist dran an dem Gerücht, dass die Mafia hinter der positiven Dopingprobe von Radprofi Marco Pantani 1999 steckte? Oder wer ist schuld am historischen Stromausfall beim 47. Super Bowl 2013? Wem nützte die zwischenzeitliche Dunkelheit?
    "Märchen, Mythos oder Wahrheit?"
    Der Journalist Frieder Pfeiffer hat 21 mysteriöse und bis heute nie ganz aufgeklärte Ereignisse aus dem Sport ausgewählt, im Buch "Märchen, Mythos oder Wahrheit?" mit dem letzten Kenntnisstand nacherzählt. Dazu bewertet er die darum rankenden Verschwörungstheorien nach ihrem Wahrheitsgehalt auf einer Skala von 1 bis 10. Eine besonders hohe Zahl auf dieser Skala bekommt die These vom verkauften WM-Spiel zwischen Argentinien und Peru 1978.
    "Machte Peru bei der WM 1978 in Argentinien auf Druck des argentinischen Junta-Regimes den Weg des Gastgebers zum WM-Titel frei - und verlor absichtlich 0:6?", fragt der Autor zu Beginn seines Texts und schaut dabei besonders auf ein Kabinengespräch von Diktator Videla und US-Außenminister Henry Kissinger beim peruanischen Team. Letzterer konnte sich wohl später nicht mehr an den Besuch erinnern.
    Viele Ungereimtheiten
    Es war das Spiel um den Einzug ins WM-Finale. Argentinien musste gegen Peru mit mindestens vier Toren Vorsprung gewinnen. Ein eigentlich so gut wie unmögliches Unterfangen. Argentinien gewann schließlich mit 6:0. Die These lautet, dass hier von peruanischen Politikern das Spiel verkauft wurde unter anderem für 35.000 Tonnen Getreide, die Freigabe eines bis dahin eingefrorenen 50-Millionen-Dollar-Kredits und dem Gefangenenaustauch linker Oppositioneller.
    Die vielen Ungereimtheiten rund um das Spiel lassen einen tatsächlich glauben, dass dieser Kantersieg kein sportlicher Erfolg, sondern das Ergebnis eines schmutzigen Handels war. Wie überhaupt diese ganze WM vom damaligen Junta-Regime politisch missbraucht wurde.
    "Fußball in der Weimarer Republik"
    Wie der Sport so oft instrumentalisiert wird. Dass das kein Phänomen der Gegenwart ist, wird deutlich im Werk des Sporthistorikers und DLF-Autors Erik Eggers mit dem Titel "Fußball in der Weimarer Republik". Die in den 20er Jahren schnell an Popularität gewinnende Sportart wurde genutzt "als Opium für die zurückkehrenden Soldaten des ersten Weltkrieges", erklärt Eggers.
    Diese mussten nicht nur beschäftigt werden und eine neue Orientierung bekommen. Mit der intensiven Förderung dieser und auch anderer Sportarten ging es nach der durch den Versailler Vertrag festgelegten Reduzierung der Armee auch darum, "die Erhaltung der Wehrkraft zu sichern, davon hat der Fußball auch enorm profitiert und man hat auch in Fußballzeitschriften geworben für diese Freikorps, für Mitglieder in diesen Freikorps." Den paramilitärischen Einheiten, die in dieser Zeit sehr stark aus dem Boden sprossen.
    Viele politische Strömungen im DFB
    Sportpolitisch bezeichnend: der Flaggenstreit vor den Olympischen Sommerspielen 1928 in Amsterdam. "Es gab im Deutschen Fußballbund sehr viele politische Strömungen. Grundsätzlich muss man sagen, dass die Bundesführung sehr konservativ aufgestellt war, nationalkonservativ, das hat sich zum Beispiel dadurch geäußert, dass der DFB seine Mannschaft für Olympia mit den alten kaiserlichen Flaggen schmücken wollte."
    Doch die liberalen Landesverbände wollten unter Schwarz-Rot-Gold auflaufen. "Daraufhin hat der DFB, auch weil es diese Probleme mit der Beflaggung gab, schon 1927 das bis heute gültige Grün entwickelt um eine neutrale Farbe zu haben", so Eggers.
    In seinem umfassenden Werk behandelt Erik Eggers aber nicht nur die politischen Hintergründe, er befasst sich auch mit Aspekten wie Kommerzialisierung, Fankultur, Schiedsrichterwesen oder der damaligen Fußball-Trainings-Wissenschaft. Viele eindrucksvolle Bildaufnahmen aus der Zeit geben zusätzlich ein Gefühl für den damaligen Zeitgeist.
    "Diskriminierung im Fußball"
    Für die gegenwärtige Situation hat der Politikwissenschaftler, Kommunalpolitiker der Linken und Gründungsmitglied des Sportvereins Roter Stern Leipzig, Adam Bednarsky, eine gründliche wissenschaftliche Analyse vorgelegt. Das Thema: . Im gleichnamigen Buch geht es ihm darum aufzuzeigen, wie wichtig die Vermittlung von demokratischen Werten gerade in ländlichen Vereinen ist.
    "In nicht wenigen ländlichen Gemeinden ist der Sportverein die letzte zivilgesellschaftliche Institution, die man vor Ort hat". Und eine, in der Jugendliche viel Zeit verbringen. Welche Werte dort von Trainern vermittelt werden, ist sehr entscheidend für die Entwicklung der jungen Menschen. Genau da wird aber zu wenig hingeschaut, warnt Bednarsky.
    Porträt Adam Bednarsky.
    Der Autor Adam Bednarsky. (Deutschlandradio / Jessica Strumberg)
    "Einem geschlossenen rechten Weltbild sind ja einige Vorurteile und Stereotypisierungen vorgelagert, wie zum Beispiel homophobes Denken, sexistisches Denken, rassistisches Denken. Das muss am Ende gar nicht in Summe ein geschlossenes, rechtes Weltbild ergeben. Aber es ist schon hochproblematisch, wenn derartiges Denken unreflektiert, eben auch im Sport sich kultivieren kann und da hat der Fußball 'Stichwort Männerdomäne' eine relativ offene Flanke."
    Die dringend angegangen werden müsse, sagt Adam Bednarsky, der damit neben Dietrich Schulze-Marmelings Buch "Der Fall Özil" einen wichtigen Debattenbeitrag liefert.
    Sportbücher für Kinder
    Wie der Fußball schon für die Kleinen seine integrative und inklusive Kraft entfalten kann, wird in den beiden Kinderbüchern "Der reichste Junge der Welt" und "Wozu hat man eine Freundin?" aufgenommen. Jakob, der aus einem gut situierten Elternhaus kommt, und stets Situationen in seinem Leben mit historischen Fußballspielen vergleicht, lernt die Welt von Flüchtlingen kennen und wie es ist, fast alles zu verlieren. Während die fußballverrückte Melody ihre behinderte Freundin Cäcilie dazu bringt, dass diese trotz verkürztem Bein es auch eines Tages auf den Rasen wagt.
    Ein herrlich erfrischend geschriebenes Buch ist Jan Bircks Roman "Storm – oder Die Erfindung des Fußballs". In einem Abenteuerroman für Kinder erzählt Birck die Geschichte von Storm, einem Jungen, der eigentlich ein Seefahrer und Krieger werden möchte, aber von seiner Familie aus Sorge vor einer schlechten Entwicklung in eine Klosterschule gesteckt wird.
    Von dort flieht er auf abenteuerliche Weise und gelangt in die Hände von Wikingern, die mitten in einer Familienfehde stecken. Diese wird zum Ausgangspunkt des allerersten Fußballspiels. Der Ball nicht aus Leder, sondern ein stinkender Fellball, es geht durch die Dörfer und die Regeln noch weit von dem weg, wie das Spiel dann tatsächlich 900 Jahre später entwickelt wurde. Doch das Grundprinzip "das Runde muss ins Eckige" wird in wunderbarer Weise zelebriert.
    Literaturangaben
    Evi Simeoni, Isabell Werth: "Vier Beine tragen meine Seele", 336 Seiten, Verlag Piper, 22 Euro

    Frieder Pfeiffer: "Ronaldo stirbt. Verschwörungstheorien im Sport", 144 Seiten, Verlag Delius Klasing, 16,90 Euro

    Erik Eggers: "Fußball in der Weimarer Republik", 160 Seiten, Verlag Eriks Buchregal, 29,90 Euro

    Adam Bednarsky: "Diskriminierung im Fußball. Sächsische Amateurvereine zwischen Toleranz und Ausgrenzung", 240 Seiten, Verlag Die Werkstatt, 24,90 Euro
    Dietrich Schulz-Marmeling: "Der Fall Özil", 192 Seiten, Verlag Die Werkstatt, 14,90 Euro
    Fred Sellin, Christian Schenk: "Riss. Mein Leben zwischen Hymne und Hölle", 256 Seiten, Droemer Verlag, 19,99 Euro
    Rose Lagercrantz Karen Krings: "Wozu hat man eine Freundin?", 104 Seiten, ab 6 Jahren, Moritz Verlag, 11,95 Euro
    Markus Orths, Kerstin Meyer: "Der reichste Junge der Welt", ab 6 Jahren, 80 Seiten, Moritz Verlag, 9,95 Euro
    Jan Birck: "Storm oder die Erfindung des Fußballs", 160 Seiten, ab 6 Jahre, Carlsen Verlag, 12,99 Euro