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Frankfurter Buchmesse
"Man muss als Schriftsteller multifunktional sein"

Ein Buchautor verdiene im Durchschnitt 1.000 Euro monatlich, sagte Imre Török, Vorsitzender des Verbandes deutscher Schriftsteller, im DLF. Deswegen sollten Autoren sich breit aufstellen, indem sie Lesungen geben oder auch journalistisch tätig werden. Er befürwortet das Self Publishing für junge Anfänger, warnte aber auch vor dem höheren Aufwand der Selbstvermarktung.

Imre Török im Gespräch mit Benjamin Hammer | 13.10.2015
    Imre Török, Bundesvorsitzender Verband deutscher Schriftsteller
    Imre Török, Bundesvorsitzender Verband deutscher Schriftsteller (imago/Kickner)
    Benjamin Hammer: Denken, schreiben, erzählen, bewegen und damit Geld verdienen. Davon träumen viele Menschen. Manche werden Schriftsteller. Im Idealfall werden ihre Bücher auf der Frankfurter Buchmesse ausgestellt, die heute eröffnet wird. Im Idealfall kaufen viele Menschen ihre Bücher und im Idealfall überweist der Verlag Geld, mit dem die Schriftsteller ein gutes Leben führen können. Doch mit Schriftstellern ist es ein bisschen so wie mit Schauspielern: Sie arbeiten viel, mit Leidenschaft, einige verdienen gutes Geld, aber viele müssen finanziell kämpfen.
    Imre Török schreibt Bücher und er ist stellvertretender Vorsitzender des Verbandes deutscher Schriftsteller, und mit ihm sind wir jetzt am Telefon verbunden. Guten Tag, Herr Török.
    Imre Török: Ja! Guten Tag nach Köln. Hallo!
    Hammer: Ein junger Mensch, der gerade Abitur gemacht hat, kommt auf Sie zu und fragt: Sollte ich Schriftsteller werden? Kann ich davon leben? - Was antworten Sie?
    Török: Na ja. Ich sage ihm erst mal, den Königsweg kann ich nicht erklären, weder in einer Stunde, noch an einem Wochenende, wobei ich Seminare zum Beispiel mache, wo ich Erstautoren, junge Autoren etwas einführe, ihnen Tipps gebe. Vielleicht das Wichtigste, eines der wichtigsten Sachen, das sind Kontakte. Ich meine nicht Beziehungen, sondern tatsächlich Kontakte, der Besuch von Veranstaltungen, von Lesungen, von Workshops. Und wie kriegt man diese Kontakte? Am ehesten: Man muss ja nicht gleich Mitglied werden, aber indem man kooperiert, indem man zusammenarbeitet, indem man hingeht zu Veranstaltungen von Schriftstellerverbänden, von Autorenvereinigungen, Bundesverband junger Autoren, Schriftstellerverband. Es gibt dort Workshops, Seminare. Dort lernt man auch bei Versammlungen andere Schriftsteller kennen.
    Hammer: Herr Török, wenn ich Sie ganz kurz unterbrechen darf?
    Schriftsteller verdienen durchschnittlich 1.000 Euro monatlich
    Török: Ja, ja! Gerne!
    Hammer: Worauf ich hinaus wollte ist die Frage: Können Schriftsteller von ihrem Beruf im Schnitt leben?
    Török: Im Schnitt auf keinen Fall. Die Bestseller-Autoren, die können natürlich davon leben, aber das sind Pi mal Daumen sechs, sieben, acht Prozent derjenigen, die Bücher veröffentlichen. Alle anderen benötigen andere Geldquellen, müssen auch anderwärtig arbeiten.
    Hammer: Können Sie uns denn sagen, wenn Sie das als Verband beobachten, wie viel ein Schriftsteller im Schnitt pro Jahr verdient?
    Török: Ja. Da gibt es ziemlich genaue Zahlen, nämlich von der Künstlersozialkasse. Aber das ist ein Durchschnitt. Im Durchschnitt verdienen Schriftsteller zirka 1000 Euro im Monat. Aber das heißt dann im Durchschnitt. Sehr, sehr viele verdienen sehr viel weniger und das reicht natürlich nicht zum Leben.
    "Man muss als Schriftsteller multifunktional sein"
    Hammer: Jetzt wurden heute Zahlen veröffentlicht zur Umsatzentwicklung im deutschen Buchhandel. September im Vergleich zum Vorjahr: Minus 2,5 Prozent. Spüren Sie das? Spüren Sie und Ihre Kollegen diese Umsatzrückgänge?
    Török: Ja, natürlich. Das spürt man leider. Dadurch werden die Honorare weniger und auch da muss dann für Ausgleich gesorgt werden, indem man Vorträge hält, indem man Lesungen macht, indem man journalistisch zum Beispiel tätig ist, oder beim Rundfunk anfängt zu arbeiten. Solche Sachen, ja. Man muss multifunktional sein in der Regel im Durchschnitt als Schriftsteller. Ein Bestseller-Autor, kann ich Ihnen kurz sagen, der arbeitet jeden Tag fünf oder sechs Tage die Woche von morgens bis abends an seinem Schreibtisch, und dann ist nach einem Jahr, nach anderthalb Jahren ein historischer Roman fertig. Davon kann er ein paar Jahre leben, aber er muss, nachdem er abgeschlossen hat, im Prinzip sofort wieder anfangen mit einem neuen Roman.
    Self Publishing ist für Anfänger empfehlenswert
    Hammer: Wenn Sie jetzt sagen, wir verdienen nicht so viel, wenn Sie sagen, Sie verdienen im Schnitt nicht genug, den Verlagen, denen geht es nicht so gut, würde ich gerne noch über eine Sache sprechen: Das Self publishing, also die Option, wenn ich beispielsweise keinen Verlag finde, dass ich sage, ich probiere es selbst, ich veröffentliche beispielsweise ein E-Book. Ist das eine Möglichkeit?
    Török: Das ist auf jeden Fall eine Möglichkeit. Ich selber habe das bisher nicht praktiziert, aber ja, ich kann es empfehlen, gerade Anfängern, die am Anfang der beruflichen Laufbahn stehen. Jetzt gerade auf der Buchmesse zum Beispiel gibt es eine große Self Publishing Arena in der Halle drei. Es gibt eine Self Publishing Bühne, wo Experten diskutieren und auch gerne Ratschläge geben. Man kann es ausprobieren. Es gibt einige Nachteile, große Nachteile aus meiner Sicht. Man muss sich auch selber vermarkten. Man muss fast alles selber machen. Das heißt, wenn man jetzt aus dem Blickwinkel des Geldverdienens die Sache betrachtet, es ist wieder ein Weg mit sehr viel Mühsal und mit sehr viel Selbsteinsatz. Das was normalerweise die Verlage einem abnehmen sollten und es auch oft tun, in den guten Fällen tun, das muss man dann zusätzlich auch noch selber machen als Self Publisher.
    Hammer: Die Frankfurter Buchmesse startet heute. Über schwierige finanzielle Rahmenbedingungen für einen Teil der Schriftsteller war das Imre Török vom Verband deutscher Schriftsteller. Vielen Dank!
    Török: Ich danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.