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„Flugscham zu Zuglust“
Aktion „Deutschland fliegt nicht“ für mehr Klimaschutz gestartet

Am Frankfurter Flughafen haben etwa tausend Menschen gegen wachsenden Fluglärm und Inlandsflüge demonstriert. Insbesondere der Bau des riesigen Terminals 3, das Billigflieger nach Frankfurt holen soll, wird von den Demonstrierenden massiv kritisiert.

Von Ludger Fittkau | 12.11.2019
Demonstranten am Frankfurter Flughafen
Demonstranten am Frankfurter Flughafen (imago)
Eine Mainzer Fassnachtskapelle zieht ein ins Terminal 1 des Flughafens Frankfurt am Main. Es ist der 11.11. – Auftakt der Karnevalssaison. Im Flughafen haben sich rund 1.000 Menschen versammelt. Seit knapp acht Jahren finden hier fast jeden Montagabend Protestveranstaltungen gegen das Wachstum des größten deutschen Flughafens statt. Heute ist die Bühne mit Plakaten eingerahmt, auf denen der Slogan steht "Deutschland fliegt nicht". Das ist eine neue Kampagne, die in einer bundesweiten Aktionswoche im kommenden Februar münden soll.
Initiert wurde die Aktion von Bürgerinitiativen am Frankfurter Flughafen und sie richtet sich an alle Flugreisende. Flugscham soll zu Zuglust werden, lautet ein Motto – dass heißt, die Bahn soll Inlandsflüge in Deutschland aus Klimaschutzgründen ersetzen. Die Aktion wurde bereits vor einigen Tagen aus Publicity-Gründen am New Yorker Times Square auf einer riesigen elektronischen Anzeigetafel angekündigt, freut sich der Initiator Reiner Flick. US-Medien berichteten bereits darüber:
"Dass wir lustigerweise auf dem Trump-Sender Fox News gemeldet worden sind und auch auf NBC. Höhere Weihen kannst du ja kaum fangen, als in den USA so schon 'Germany Grounded' gemeldet zu bekommen."
Bau eines neuen Terminals sorgt für Ärger
Über Lautsprecher greift der Mainzer Kabarettist Lars Reichow den Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport scharf an: "Flight Number one, six, zero, seven to New York – ready for take-off. Eine Beeinträchtigung der Anwohner, so Fraport, muss hingenommen werden."
Vor allem die Entscheidung, mit dem Bau des riesigen Terminals 3 auf der Südseite des Airport insbesondere die Billigflieger nach Rhein-Main zu locken, findet Reichow ganz und gar nicht lustig:
"Wir müssen Schluss machen mit diesem Billigtourismus. Es ist nicht wichtig, es ist auch nicht dringend, dass dreimal am Tag 400 Besoffene für 35 Euro von Frankfurt nach Malle geflogen werden, damit sie sich dort eine Woche im Delirium bewegen."
Zu den Demonstranten gehört auch Janine Wissler. Die Fraktionsvorsitzende der Linken im hessischen Landtag wird zurzeit als künftige neue Bundesvorsitzende ihrer Partei gehandelt:
"Ja, grundsätzlich ist es natürlich schon so, dass man sagen muss: Wir haben in Frankfurt eine ganze Menge Kurzstreckenflüge und Inlandsflüge. Ich verstehe nicht, warum sieben Flüge am Tag von Frankfurt nach Stuttgart fliegen müssen. Das sind wirklich Kurzstrecken, die man ohne Probleme auf die Bahn verlagern könnte. Und natürlich muss man darüber reden, wie man die Bahn ertüchtigen kann und vor allem auch preiswerter machen kann. Wir haben ja die absurde Situation, dass der Inlandsflug oft günstiger ist als das billigste Bahnticket. Hier muss sich auch was an den politischen Rahmenbedingungen verändern."
Mehr Flüge könnten zu dichterem Straßenverkehr führen
Während Janine Wissler künftig womöglich an der Spitze ihrer Partei in Berlin daran arbeiten könnte, etwas zu verändern, ist der Sozialdemokrat Thomas Will unmittelbar vor Ort aktiv gegen den weiteren Ausbau des Rhein-Main-Flughafens. Denn er ist Landrat des Kreises Groß-Gerau, der südlich an den Airport angrenzt. Thomas Will fürchtet sich aktuell vor allem vor den Verkehrsproblemen auf dem Boden, die der Ausbau des Terminals 3 mit sich bringen könnte. Denn dieses neue Terminal wird allein so groß sein wie der heutige Flughafen Berlin-Tegel:
"Das bedeutet für uns ein Problem, dass die Erschließung über den öffentlichen Nahverkehr nicht richtig geregelt ist und dass deswegen der Individualverkehr bei uns zunimmt. Das heißt, die Kreisstraßen bei uns, die Landesstraßen im Kreis, die eh schon durch Pendler sehr stark belastet sind, werden noch weiter in Mitleidenschaft gezogen. Und das wiederum belastet die Menschen bei uns nicht nur durch den Fluglärm, sondern auch durch den Verkehrslärm."
Eine Frau Mitte 60 mit einer Ordnerbinde um den Arm hat schon vor rund 30 Jahren gegen den Bau der Startbahn West demonstriert. Nun ist sie seit 2011 wieder regelmäßig bei den Montagsdemonstrationen im Flughafen dabei. Sie verteilt englischsprachige Flugblätter an die internationalen Passagiere, die hier umsteigen. Nicht nur in New York kennt man die regelmäßigen Aktionen im Terminal 1 des Rhein-Main-Airports, glaubt sie:
"Ich glaube, wir sind in der ganzen Welt bekannt, dass es diesen Protest gibt. Ich hatte letzte Woche einen Chilenen, der mich angesprochen hat und der gespendet hat. Und der auch sagt: Die Problematiken sind wohl überall die gleichen. Er hat das in Santiago de Chile auch."
"Last uns Flugscham zu Zuglust umwandeln! Seid stolz, was ihr an diesem Flughafen erreicht habt, lasst nicht nach in Eurer Kraft und in Eurer Wut. Gebt diesem Flughafen etwas von dem Lärm zurück, den er Euch Tag für Tag antut. Genießt es, dass wir heute unseren eigenen Lärm hier machen. Helau! Und Vielen Dank!"