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Frankfurter Paulskirche
Diskussion um die Sanierung

Die Paulskirche ist ein Symbol für die Nationalversammlung von 1848 und für den demokratischen Neuanfang hundert Jahre später. Jetzt wird diskutiert, welchen Zustand eine Sanierung herstellen sollte.

Von Christian Gampert | 06.09.2019
Heutige Außenansicht der Paulskirche in Frankfurt/Main
Heutige Außenansicht der Paulskirche in Frankfurt/Main (Moritz Bernoully / Deutsches Architekturmuseum Frankfurt/Main)
Nur Masochisten werden sich in der Frankfurter Paulskirche rundum wohlfühlen. Man betritt sie durch ein düsteres Untergeschoss mit einer Rotunde, um die herum Johannes Grützke 1987 seinen ziemlich pathetischen "Zug der Volksvertreter" gemalt hat. Dann strebt man in einem imposanten Treppenhaus zum Lichte empor, in den – gegenüber dem Originalzustand – angehobenen, in den ersten Stock versetzten Parlamentssaal, der in seiner dogmatischen Kahlheit den Charme einer Leichenhalle verströmt.
Kahler Ort der Wahrheit
Dies also ist die Wiege der Demokratie in Deutschland. Oder vielmehr das, was von ihr übrig ist. Wer hier sitzt, steht oder an der blankpolierten, sterilen Kanzel redet (manch einer wird in diesem Ambiente auch das Bedürfnis zu knien verspüren), wird und soll sich als Büßer fühlen.
Das Groteske ist nun, dass genau dies beabsichtigt ist. Als im November 1946 eine Planungsgemeinschaft um den Kirchen-Architekten Rudolf Schwarz über den Aufbau des im Krieg zerstörten historischen Orts nachdachte, wollte man keineswegs zurück zum Originalzustand. Sondern in den verbliebenen Außenwänden des klassizistischen Ovals einen so strengen Raum schaffen, dass "darin kein unwahres Wort möglich sein sollte".
Ob das gelungen ist, mag man angesichts so mancher Friedenspreisrede bezweifeln. Aber die Absicht, einen demokratischen Neuanfang architektonisch darzustellen, die ist erkennbar – und für die Ausstellungsmacher nun ein Grund, vehement für den Erhalt des Status quo zu plädieren.
Kurator Maximilian Liesner: "Die Paulskirche, so wie wir sie jetzt vorfinden, ist das Denkmal für die Ursprünge der deutschen Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg. Es ist eines der absolut frühesten Wiederaufbau-Projekte in Deutschland überhaupt, weil die Aufbauplanung direkt nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt hat mit dem Gedanken, dass das zukünftige Parlament in der Paulskirche tagen würde."
Zentrum deutscher Debattenkultur
Ja, Frankfurt wollte Hauptstadt der künftigen Bundesrepublik werden. Es kam dann anders, und die Paulskirche wurde nun zum Zentrum deutscher Debattenkultur, mit allen Ambivalenzen. Aufschlussreich ist, dass die Paulskirche im Deutschen Architekturmuseum mehr als Signum der Bundesrepublik verstanden wird denn als Denkmal der Frankfurter Nationalversammlung. Also mehr 1948 als 1848. Von 1848 ist die Außenhaut, der Rest ist angestaubte Nachkriegsmoderne. Und es ist…
"…gerade deshalb so spannend. Weil zwei Zeitschichten sich dort finden und es in diesem Gebäude um beide Demokratien geht."
Aber gibt es nicht gute Argumente für die Rekonstruktion des Originals, wie sie jetzt von manchen gefordert wird? Fairerweise präsentiert die Ausstellung die gesamte Geschichte des Denkmals, nicht nur die Skizzen und Diskussionen der Nachkriegsplaner, die zum Teil leider mit den Nazis verbandelt waren, sondern vor allem zeitgenössische Darstellungen der 1848iger-Zeit. Sie zeigen im schön zentrierten Parlamentsraum vor allem die berühmte Empore, auf der das Volk Platz nehmen durfte, 2000 Menschen, auch Frauen. Es geht die Sage, dass die Frauen den Parlamentariern (natürlich nur Männern) von oben einsagten, was sie zu beschließen hätten. Genau diese Empore fürs lärmende Volk aber wurde der pietistischen Nüchternheit geopfert, die den Saal jetzt prägt. Auch dies ein Zeichen – im Sinne der herrschenden politischen Klasse?
Guter Rat ist hier nirgendwo. Rekonstruktionen wirken oft muffig und falsch, der derzeitige Zustand ist frugal und unfroh. Aber: Wie soll man überhaupt authentisch rekonstruieren? Mit welchem Material, nach welchen Skizzen? In der Frankfurter Debatte sind die Linken interessanterweise die beharrenden Kräfte - für den Status Quo. Die Rechte inklusive AfD plädiert für Rekonstruktion – und nimmt 1848 für sich in Anspruch. Die normalen politischen Konfliktlinien kommen da hübsch durcheinander. Wie in Berlin, das zwar die modern umbaute Gedächtniskirche hat, aber eben auch ein hybrides Stadtschloss.