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Frankreich
Azubis als Grenzgänger

Deutschland und Frankreich arbeiten bei der Ausbildung zusammen. Firmen aus Baden werben sogar jenseits der Grenze um Jugendliche. Trotzdem machen nur wenige junge Franzosen ihre Ausbildung in Deutschland - viele bevorzugen stattdessen ein Studium.

Von Constantin Pläcking | 19.04.2018
    Die deutsche und die französische Nationalflagge wehen aus Anlass des Besuches von Frankreichs Regierungschef Manuel Valls vor dem Bundeskanzleramt in Berlin am 22.09.14.
    Deutschland und Frankreich arbeiten in Sachen Ausbildung zusammen. (afp / Odd Andersen)
    An der Decke fahren Rohlinge für Autoreifen auf Fließbändern zur Weiterverarbeitung. Es riecht ein wenig nach Gummi, in einem Raum feilt ein Mitarbeiter an einem Stück Metall. In der Ausbildungswerkstatt des Reifenherstellers Michelin in Karlsruhe werkeln die beiden französischen Azubis Sven Unser und Raphael Muller aus dem Elsass gerade an einem länglichen Gerät, dass für die Reifenwicklung benötigt wird. Bei ihrer Ausbildung zum Facharbeiter für Industrieinstandhaltung geht vor allem um die Wartung von Maschinen.
    "Muss das Optimieren für die Instandhaltung, dass man es ein bisschen besser regeln kann."
    Der 23-jährige Raphael Muller pendelt täglich aus dem Elsässischen Weißenburg, direkt an der Grenze zur Pfalz nach Karlsruhe. Er ist gerade im dritten Jahr bei Michelin und bereut die Entscheidung nicht.
    "Die ganze Atmosphäre mit allen Azubis wir verstehen uns wirklich gut. Das ist immer so ne gute Harmonie zwischen uns. Wenn man etwas braucht da ist immer jemand für uns. Auch mit den Mitarbeitern man lernt immer mehr Leute kennen und mit der Zeit funktioniert das wirklich gut."
    Überschaubare Anzahl an Azubis
    Auch der 19-jährige Sven Unser pendelt täglich aus dem französischen Croetwiller nach Karlsruhe. Er ist in Frankreich bilingual aufgewachsen. Auch er ist zufrieden mit seinem Ausbildungsplatz in Karlsruhe. Das Beste sei für ihn…
    "Bis jetzt nach wie vor die Fehlersuche an Maschinen. Das heißt Maschinen reparieren, Fehler suchen und im Anschluss wieder Einsatzfähig machen"
    Doch Sven Unser und Raphael Muller gehören als Franzosen in einem deutschen Ausbildungsbetrieb zu einer kleinen Minderheit. Gerade mal 19 französische Azubis machen im Bereich der IHK Karlsruhe eine Ausbildung, obwohl die Möglichkeiten gegeben sind, sagt Alfons Moritz von der IHK Karlsruhe.
    "Der konkrete Fall läuft so ab. Ein junger Mensch hat die Möglichkeit, hier in Deutschland ein Unternehmen zu finden, das eine duale Ausbildungsstelle anbietet und die schulische Ausbildung kann, wenn gewünscht, durchaus im Elsass sein, also in Frankreich. Sie kann natürlich auch komplett hier sein, die duale Ausbildung. Es gibt auch die Möglichkeit umgekehrt. Theoretisch kann auch hier die Berufsschule sein und der Ausbildungsbetrieb im Elsass."
    Das sei aber noch nicht vorgekommen. Auch die französischen Jugendlichen halten sich weitestgehend zurück.
    "Diese Zahlen sind relativ überschaubar. Wir hätten gerne mehr, auch deswegen mehr, weil wir wirklich von den regionalen Vertretern bis hin zu den einzelnen Bürgermeistern sehr eindringlich gebeten werden alle Aktivitäten zu unternehmen, um Jugendliche in Frankreich von der Straße zu bringen. Das war eine wörtliche Aussage eines Bürgermeisters: Holen Sie mir die Jugendlichen von der Straße."
    Betriebliche Ausbildung weniger angesehen
    Also hat die IHK eine Ausbildungsmesse und ein Schulpartnerschaftsprogramm gestartet, mit mäßigem Erfolg. Und das, obwohl die Ausbildung in Deutschland gut bezahlt würde. Ein weiteres Problem sei das Image der Ausbildung.
    "Dennoch ist die überwiegende Anzahl der Eltern immer noch der Meinung, dass ihre Kinder und Jugendlichen eine sehr gute schulische Ausbildung machen und dann wenn‘s geht ins Studium zu gehen. Und viele sind immer noch bereit, wie wir das mitbekommen, auch von unseren Kollegen der Kammer Straßburg, mit denen wir sehr gut zusammenarbeiten. Auch die sagen, sie haben immer noch Probleme, in den Schulen die Eltern davon zu überzeugen, dass das Heil nicht nur im Studium liegt."
    Wer eine betriebliche Ausbildung mache, sei einfach weniger angesehen. Dem Druck konnte sich auch Azubi Raphael Muller erst nicht entziehen.
    "Ich hab ein Jahr auch die Uni probiert. Nur hat es mir nicht so gut gefallen, weil man wirklich autonom sein sollte. Deswegen wollte ich auch so Duales probieren."
    Dass es auch die Ausbildung wichtig sei, würde langsam aber sicher auch in der Politik in Frankreich ankommen, sagt der Personalchef im Michelin-Werk Karlsruhe Matthias Blum.
    "Es ist nicht alles so schlecht, wie es im Moment gemalt ist. Vor allem die Verantwortlichen in Frankreich haben schon gesehen, dass gerade die duale Ausbildung in Deutschland ein gutes Projekt ist. Und es zarte Pflänzchen in Frankreich, das nachzuahmen."
    Politik soll tätig werden
    Um mehr Franzosen zu einer Ausbildung in einem deutschen Unternehmen zu bewegen, müsse die Politik tätig werden. Neben mehr Deutsch als Fremdsprache an den Schulen sei vor allem die Verkehrssituation ein Problem.
    "Die jungen Leute müssen täglich über den Rhein kommen. Es gibt eine Rheinbrücke, es gibt keinen guten ausgebauten Nahverkehr. Und hier muss die Politik ran, um hier Verbesserungen zu schaffen."
    Und so bleibt für die Azubis wie Sven Unser nur eine Sache übrig:
    "Ich kann Fahrgemeinschaften bilden und schaff dann halt, mit dem Auto her zu fahren."
    Dennoch sucht Michelin-Personalchef Blum auch weiterhin nach Auszubildenden im Elsass.
    "Von meiner Seite aus ist gerade diese grenzüberschreitende Ausbildung ein ganz wichtiger Punkt, den wir weiter bedienen müssen, um wirklich gutes neues Potential bei uns zu haben. Und gerade wenn wir den Standort Karlsruhe nehmen, nah an der Grenze, wäre es töricht von uns, die Möglichkeiten die wir durch einem gemeinsamen Europa haben, wenn wir das nicht nutzen würden. Und deswegen ist es mir ein großes Anliegen diese grenzüberschreitende Ausbildung die wirklich eine Win-Win Situation für alle Beteiligten ist weiter zu fördern."