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Frankreich
Baustelle für den Atommüll

Im französischen Lothringen soll ab 2030 giftiger Nuklear-Abfall aus den 58 einheimischen Meilern entsorgt werden, in 500 Meter Tiefe. Das Projekt sorgt für Wohlstand in der wirtschaftlich schwachen Region, allerdings auch für Spannungen.

Von Suzanne Krause | 15.08.2014
    Ein Bauarbeiter, von hinten zu sehen, geht einen langen, runden, betonierten Gang entlang. An dessen Wänden verlaufen Rohre und Kabel.
    In Frankreich soll das Untertagelabor Bure zu einem Endlager ausgebaut werden. (dpa/picture alliance//ncy)
    Um 13 Uhr beginnt die zweite Schicht auf der Baustelle. Ein halbes Dutzend Arbeiter steigt in den Aufzug, der sie in 490 Meter Tiefe bringen wird, mitten in die Tonschicht, die als Lagerstätte für den Atommüll vorgesehen ist. Die Männer im Aufzug sind stolz auf ihren Job, sagt Nicolas Moillement, Vorarbeiter beim Bauherrn ANDRA, der staatlichen Agentur für die Atommüllverwaltung.
    "Die Kernkraft ist doch, wenn wir die Entsorgungsfrage in den Griff kriegen, eine ziemlich saubere Energie. Vor allem im Vergleich mit Kohlekraftwerken. Windräder sind auch gut – wenn der Wind weht. Und selbst Photovoltaik-Anlagen sorgen am Ende ihrer Laufzeit für giftige Abfälle."
    Seit 20 Jahren betreibt ANDRA das Endlagerprojekt in Lothringen, seitdem hat sich in der abgelegenen Gegend einiges verändert. Gute Straßen gäbe es nun hier, sagt der Vorarbeiter. Alexandre Sablon fallen noch mehr Fortschritte ein.
    "Dank des Endlagers erhält die Region zahlreiche Subventionen. Zum Wohle der hiesigen Bevölkerung. Die Gemeinden haben somit Geld für Renovierungsarbeiten, die sonst nicht finanzierbar wären. Und wenn der Bau des Endlagers genehmigt wird, erhoffen wir uns davon viele neue Jobs für die Einheimischen."
    Lothringen ist eine strukturschwache Region
    Die traditionsreiche Möbelindustrie hat im vergangenen Jahrzehnt massiv Arbeitsplätze verloren. Strukturschwach war das Hinterland von Lothringen jedoch längst nicht immer. Vor 100 Jahren sorgten zahllose Hochöfen, die kunsthandwerkliche Gusseisen-Fabrikation für Ruhm und einen gewissen Reichtum. Damals zählte beispielsweise Montiers-sur-Saulx, zehn Kilometer von der geplanten atomaren Endlagerstätte entfernt, knapp 1.500 Einwohner. Heute sind es noch 450, darunter Laurence Bonnet.
    "Zwischen 1968 und 2006 haben manche unserer Dörfer über 60 Prozent der Einwohner verloren. Schon Ende des 19. Jahrhunderts, als die Hochöfen dichtmachten, wanderten viele nach Nord-Lothringen ab. Heute denken viele, unsere Region sei schon immer verschlafen gewesen. Doch im 19. Jahrhundert blühte hier die Wirtschaft und das Leben."
    Laurence Bonnet engagiert sich in einem Verein, der eine historische Industriebrache neu beleben will. In einem Jahr soll ein Wirtschafts- und Kulturzentrum eröffnen, mit einem Handwerks- und Ausbildungszentrum für die Wärmeisolation traditioneller Steinhäuser, mit einer Brennnesselfarm zur Herstellung von Tierfutter und Düngemitteln, mit Kulturkneipe und Zirkusbetrieb. Die Hälfte des Projektbudgets stammt aus dem Topf des Strukturförderungsprogramms rund um das geplante Atommüllendlager. Bonnet wird immer wieder vorgehalten, damit habe sie sich von der Atomindustrie kaufen lassen. Sie winkt wütend ab. Für sie steht nicht die Finanzquelle im Vordergrund, sondern der unbedingte Wunsch ihrer Mitstreiter, mit dem Wirtschafts- und Kulturzentrum das Leben der Region zu bereichern.
    "Ich bin vor zehn Jahren aus Paris hergezogen. Was mich begeistert, ist der Elan, mit dem die Leute hier die Dinge voranbringen wollen. An Kultur und Dienstleistungen gibt es bei uns fast nichts. Dafür aber ist das Vereinsleben äußerst reich und vielfältig."
    Wenige äußern sich kritisch
    Um am vielfältigen Vereinsleben teilzuhaben, fehlt Arnault Foucault die Zeit. Er ist alleine auf seinem Hof, baut Getreide an, mästet Rinder. Und arbeitet zudem beim Stollenbau im Endlager-Forschungslabor. Foucault ist einer der wenigen in der Gegend, der sich zum atomaren Endlagerprojekt äußern mag.
    "Die Bevölkerung hier ist überaus skeptisch. Schließlich geht es um hoch radioaktive Abfälle. Sie haben uns versichert, dass alles ganz sicher ist und so ... Falls ein Fass undicht würde, soll es zurückgeholt und neu versiegelt werden. So heißt es jedenfalls offiziell. Ich glaube eher, das bleibt dann im Stollen – auf ewig."