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Frankreich
Das Städtchen Vienne und seine vielen Facetten

Die Kleinstadt Vienne ist schon immer ein Handelszentrum gewesen. Nicht verwunderlich also, dass man dort einen der längsten Wochenmärkte Frankreichs besuchen kann. Doch das Städtchen lockt nicht nur mit kulinarischen Köstlichkeiten. Viele antike Sehenswürdigkeiten und ein Jazzfestival machen es auch zu einem kulturellen Erlebnis.

Von Martina Zimmermann | 02.10.2016
    Vor dem Rathaus der Stadt Vienne an der Rhone ist ein Markt aufgebaut, aufgenommen am 10.05.2015.
    Auf dem Marktplatz von Vienne ist für jeden was dabei: Vielfalt und Qualität der regionalen Produkte locken viele Kunden und auch Sterneköche an. (picture alliance/ dpa/ Reinhard Kaufhold)
    Samstagmorgen um halb acht: Sternekoch Patrick Henriroux kauft ein auf dem Markt von Vienne. An den Ständen wetteifern Aprikosen, Kirschen, Tomaten, Kürbisse, Karotten, Kräuter, Salat, Erdbeeren und Pfirsiche um leckeres und frisches Aussehen. Dieser Markt stamme aus dem Jahr um 1240, sagt der Sternekoch stolz, es sei der erste Markt Frankreichs gewesen auf dem getauscht wurde: Geflügel gegen Gemüse, aber man ließ sich auch die Haare schneiden oder ging zum Notar.
    Samstagmorgens verkaufen bis zu viertausend Produzenten ihre Ware
    Die Stadt Vienne ist schon immer ein Handelszentrum gewesen. In der Nähe von Lyon, gab es hier schon immer ganz viele gute Produkte: Fleisch, Gemüse, Obst, aber auch Käse. Der Markt ist mit seinen zweieinhalb Kilometern Länge auch einer der längsten Wochenmärkte Frankreichs. Im Sommer kommen jeden Samstagmorgen bis zu viertausend Produzenten, um ihre Ware zu verkaufen.
    "Wir Restaurantbesitzer haben unsere Einkäufe vor halb neun getätigt", sagt Patrick Henriroux. Denn danach müsse man überall warten und drängeln.
    Es riecht nach Thymian und Basilikum als der 58-jährige Spitzenkoch den Geldbeutel zückt. Zahlen tut er höchstpersönlich, seine Ware lässt er von zwei Lehrlingen tragen, die ihn begleiten. Unter der Woche lässt sich Henriroux die Zutaten in sein Restaurant liefern. Am Samstag geht er aber direkt zu seinen Herstellern auf den Markt: Sie seien ab fünf Uhr morgens hier und können daher nicht liefern. Aus Höflichkeit komme er deshalb am Samstag zu ihnen. Da kann er auch für die nächste Woche bestellen. Und dann findet man manche kleinen Produzenten nur hier, da kaufe er zum Beispiel Zitronenstrauch für mein Eis und solche kleine Sachen ein, die man nur auf dem Markt findet. Immer wieder wird der Chefkoch von "Fans" angesprochen, er ist eine Berühmtheit. Metzger Eric Chavel sah ihn vor kurzem im Fernsehen: Er sprach von der Nationalstraße Nummer sieben, die in den Süden führt. Es ging um alte Autos und die Leute hielten mit ihren Oldies unterwegs in Vienne an. Der Metzger verkauft seine Wurstwaren, die er selbst gemacht hat. Seine Schweine werden nur mit Getreide und Leinsamen ernährt, erklärt er. Eric Chavel fährt jeden Samstag 200 Kilometer bis nach Vienne auf den Markt und zurück in seinen Metzgerladen.
    Besondere Produkte wie die Krimtomate
    "Diese Tomaten sind süßer!"
    Patrick Henriroux zeigt auf die Sorte Berner Rose, die sei süß, fein und elegant, man könne damit sogar Desserts machen. Heute bestellt er aber eine Kiste Krimtomaten.
    "Je schwärzer desto reifer deshalb heißt sie schwarze Krimtomate. Weil das Klima auf der Krim nicht optimal ist, wird die Tomate widerstandsfähig. Ihre Haut platzt nicht wenn sie zu reif ist. Hier bleibt das Wasser drin. Probieren Sie eine solche Tomate, der Geschmack ist schlicht enorm. Und das Kilo kostet nur zwei Euro 50!"
    Marie-Claude singt:
    "Il y a tout au long des marché de provence, parfums”
    Die Atmosphäre des Marktes bringt die Pariserin Marie-Claude Fondanneau die in Vienne zu Besuch ist zum Singen: Ein Loblied auf die Märkte der Provinz!Im Zügle geht’s den Berg hoch zu Piper. Der Markt ist nur eine Sehenswürdigkeit von Vienne. Die Stadt liegt in einer Kurve der Rohne und ist auf einer Seite durch eine felsige Anhöhe und auf der anderen von Weinbergen in Terrassenform begrenzt. Ein Züglein fährt hinauf zur Kapelle Notre-Dame de Pipet, auf der eine schwarze Jungfrau über Vienne wacht. Von hier aus fällt der Blick auf die Weinberge der roten Côte de Rotie und die weißen Condrieu-Weine. Diese Sorten sind sehr gefragt – zumal es davon nicht viel gibt, keine Million Flaschen im Jahr vom edlen Rotwein.
    Jeden Sommer veranstaltet die Stadt ein Jazzfestival
    Als erste bauten die Römer hier den Rebensaft an. Sie hinterließen auch zahlreiche antike Stätten. Mosaike, Villen und Thermen sind im Museum zu besichtigen. Mittelalterliche Kathedralen und Kloster prunken in der Stadt, Tempel und Odeon der Römer ragen aus dem Boden. Im Antiken Theater mit 4000 Plätzen findet jeden Sommer ein Jazzfestival statt. Miles Davis, Michel Petrucciani, Carlos Santana oder Stan Getz. Alle Jazzlegenden haben bei Patrick Henriroux in "La Pyramide" gewohnt und gegessen. Über die Marotten der Stars hat der Sternekoch viele Anekdoten auf Lager.
    "Eric Clapton hatte einen Sohn, der aus dem Fenster gesprungen war, und er hatte für ihn 250 Gitarren kreiert. Einer meiner Freunde hatte eine solche Gitarre ergattert. Er sagte du musst für mich eine Widmung von Clapton kriegen. Ich dachte mir schon, dass das schwierig wird. Da ich Marcus Miller ganz gut kenne - der kommt schon lange hierher – bat ich den, ob er nicht Clapton fragen könne. Wir haben ihn nach dem Konzert eingeladen und er sagte nein. Marcus Miller rettete die Angelegenheit und sagte, wenn er nicht will, werde ich eine Widmung schreiben und außerdem werde ich auf der Gitarre spielen. Da sagte Clapton: Nein so nicht. Sie holten ihre Instrumente heraus, die Musiker kamen hinzu und alle spielten für 20 anwesende Leute! Und Clapton schrieb seine Widmung auf die Gitarre. Mein Freund hat sie übrigens unter Glas gesetzt und geschrieben: Eric Elastin hat diese Gitarre in der Pyramide gespielt."
    "Mesdames, Monsieur, als Willkommensgruß zu Ihrem Aperitif schlagen wir ein Rindertartare vor mit Kapern, Gurken, Olivenölmousse und Papaya."
    "Tout comme vous le souhaitez?”
    "Meine Kunst ist ein Handwerk"
    Verständlich, dass die Prominenz gerne kommt: Das Menu im Zwei-Sterne-Restaurant besteht aus kulinarischen Kunstwerken. Handwerk, meint der Chef bescheiden, seine Kunst sei eher ein Handwerk. Dann erzählt er von dem Züchter der Taube die wir gegessen haben:
    "Sie werde zu einer großen Kugel, eine Taube namens Hubbel, eine alte französische Taubenrasse die nur hartes Getreide frisst. Es braucht 39-40 Tage, bis sie das richtige Gewicht hat. Der Mann züchte sie ganz alleine, und er töte seine Tiere indem er sie einschläfere: Er setze die Taube auf sein Herz, sodass sie keinen Stress hat, lege ihren Kopf unter die Flügel und die kleinen Federn darunter schläfern sie ein. Seit 1992 hält der Küchenchef seine zwei Sterne im Michelin. Im sonnigen Garten wird das subtile und kreative sieben Gänge-Entdecker-Menu für 138 Euro serviert. Wer nicht so viel ausgeben möchte, kann sehr günstig und gut auf dem Markt von Vienne einkaufen."