Freitag, 29. März 2024

Archiv

Frankreich
Der Front National zwischen Jean-Marie Le Pen und Monsieur Macron

Der Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich nimmt Fahrt auf. Der Front National muss sich dabei mit "Altlasten" auseinandersetzen - dem Parteiausschluss Jean-Marie Le Pens - und damit, dass andere Parteien und Kandidaten die Parolen des FN übernehmen.

Von Jürgen König | 17.11.2016
    Marine Le Pen, Kandidatin des Front National für die Präsidentschaftswahlen in Frankreich 2017, spricht zur Presse.
    Marine Le Pen, Kandidatin des Front National für die Präsidentschaftswahl in Frankreich 2017 (AFP/Alain Jocard)
    Es ist das vierte Mal innerhalb von 15 Monaten, dass sich der Front National und sein Gründer, Jean-Marie Le Pen, vor Gericht begegnen - und zum vierten Mal geht es um den Parteiausschluss Jean-Marie Le Pens vom Sommer 2015, ausgesprochen unter anderem wegen einer Reihe antisemitischer Äußerungen des heute 88-Jährigen. Seinem zentralen Argument, das Exekutivbüro der Partei hätte nicht die Befugnis gehabt, den Parteiausschluss auszusprechen, begegnete der Front National stets damit, man habe die Entscheidung "in disziplinarischer Zusammensetzung" und "mit der erforderlichen Mehrheit" getroffen.
    Front National setzt auf Ideologie der Neuen Rechten
    Diese Haltung hatten die Gerichte bisher immer bestätigt. Es wird damit gerechnet, dass der Parteiausschluss Jean-Marie Le Pens auch heute nicht aufgehoben werden wird. Großen Einfluss hätte er ohnehin nicht mehr. Schon lange bemüht sich seine Tochter Marine Le Pen, die Partei aus dem Dunstkreis von Rassismus und Antisemitismus zu holen und stattdessen aus dem Front National die Partei der "kleinen Leute" zu machen. Der Wahlsieg Donald Trumps war Wasser auf ihre Mühlen, Marine Le Pen gratulierte als erste - und ihre Anhänger freuen sich.
    "Eine Hoffnung für das Volk! Ganz einfach. Das Volk wird so oft vergessen von dieser Pseudo-Elite, die glaubt, auf Lebenszeit gewählt worden zu sein."
    "Die Clintons, die Bushs, die Obamas - in Frankreich haben wir das auch: Nicolas Sarkozy, Alain Juppé - und davon haben die Leute genug, sie wollen, dass sich etwas ändert!"
    "Der Wirtschaftspatriotismus ist jetzt ganz sicher das Wichtigste!"
    "Wirtschaftspatriotismus", nationale Alleingänge, eine Annäherung an Russland - in manchem ähneln sich die Themen Donald Trumps und Marine Le Pens. Darüber hinaus will sie die "deregulierte Welt des freien Marktes" mit einem starken Staat wieder eindämmen zugunsten der sozial Schwachen. Und ihre Reden kommen an: Praktisch alle Umfragen sehen Marine Le Pen mit 25 bis 30 Prozent der Stimmen an der Spitze des ersten Wahlgangs zur Präsidentschaft und damit sicher in der Stichwahl.
    Sonder-Wahlkampf für die Banlieues
    In den Vorstädten, den banlieues, hat sich der Front National immer schwer getan - um das zu ändern, hat Marine Le Pen eigens einen Sprecher bestellt, der nur für die Vorstädte zuständig ist: Jordan Bardella, 21 Jahre alt, sagte im Sender France 2:
    "Es ist eine pädagogische Arbeit, die wir hier machen, und sie ist langfristig ausgerichtet. Wir glauben, auch diese Viertel hier sind eine Art 'vergessenes Frankreich', und wir wollen sie unbedingt vor den Präsidentschaftswahlen ansprechen. Nehmen Sie die Sicherheit, die Parallelgesellschaften, Arbeitslosigkeit, Schwierigkeiten in der Schule."
    Zum Problem für Marine Le Pen wird allmählich, dass einige ihrer Konkurrenten bis in die Wortwahl hinein ihre Themen besetzen. Allen voran Nicolas Sarkozy, der sich selbst schon, genau wie Marine Le Pen, als "candidat anti-système" bezeichnet, als Kandidat des Volkes, der gegen die "von der Wirklichkeit abgeschnittenen Eliten" kämpft.
    Macron verhagelte Einweihung der FN-Wahlkampfzentrale
    Aber auch der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron fand gestern, als er seine Präsidentschaftskandidatur ankündigte, für "das System" nur vernichtende Worte.
    "Ich habe die Leere unseres politischen Systems von innen gesehen. Eines Systems, das die meisten Ideen zunichte macht, mit der Begründung: Sie würden die Institutionen angreifen, die traditionellen Parteien beschädigen, die bestehenden Interessen verletzen. Eines Systems, das nicht das allgemeine Interesse, sondern nur das eigene vertritt. Das das Leben der Franzosen zum bloßen Dekor macht - für das Schattentheater des Systems. Das zum größten Hindernis geworden ist, um unser Land von Grund auf zu verändern."
    Doch Marine Le Pen gibt sich gelassen. "Monsieur Macron ist der Kandidat der Banken, sie hatten immer einen, diesmal ist er es! Vielleicht ist er schon der Sieger der Vorwahlen der Kandidaten der Banken, nicht wahr? Da gibt’s ja viele in dieser ultra-ultra-ultra-liberalen Nische, die jetzt Monsieur Macron besetzt, aber die ja auch viele Kandidaten der Vorwahlen der Rechten besetzen. Nein, die Kandidatur von Monsieur Macron bereitet mir überhaupt keine Probleme."
    Trotzdem dürfte Marine Le Pen sich gestern sehr über Monsieur Macron geärgert haben. Er hatte seine Erklärung für 10.30 Uhr angekündigt - doch dann ließ er alle warten und begann erst um 11 Uhr: Denn für diesen Zeitpunkt hatte der Front National die Eröffnung seiner Wahlkampfzentrale angesetzt. Die mediale Aufmerksamkeit war entsprechend gering: Die Republik schaute auf Monsieur Macron.