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Frankreich
Der Streit um Pestizideinsatz wird heftiger

Als der Bürgermeister eines Dorfes in der Bretagne per Erlass eine Art Schutzzone beim Einsatz von Pflanzenschutzmittel einrichtete, sorgte dies in ganz Frankreich für Aufsehen. Dieser Schritt wurde zwar gerichtlich aufgehoben, die Debatte über den Pestizideinsatz geht aber unvermindert weiter.

Von Suzanne Krause | 28.10.2019
Ein Traktor spritzt in Thüringen auf einem Feld im Mai Pflanzenschutzmittel auf.
Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft (picture alliance / Klaus Nowottnick)
Der kommunale Schutzzonen-Erlass von Langouët sei illegal, erklärt das Verwaltungsgericht in der bretonischen Landeshauptstadt Rennes. Daniel Cueff, Bürgermeister von Langouët:
"Das Gericht befindet, dass eine Schutzzonen-Verordnung nicht vom Bürgermeister erlassen werden kann, sondern nur vom Agrarminister. Somit folgt man nicht meiner Argumentation. Ich aber meine: Wenn der Staat nicht genug für den Schutz der Bevölkerung tut, obliegt dies dem Bürgermeister."
Die Regierung hat Grund zur Eile
Das meint auch der Bürgerverein Ragster, der sich für einen besseren Schutz der Bevölkerung vor Pestiziden einsetzt. Ragster hat Cueff beim Prozess juristische Schützenhilfe gegeben, sagt Vereinssprecherin Aline Read.
"Die Annullierung des Erlasses überrascht uns keineswegs. Schließlich fällt das Grundsatzurteil nur zwei Monate nach der einstweiligen gerichtlichen Verfügung, den Erlass zu suspendieren. Normalerweise läuft ein solches Verfahren bis zu zwei Jahre. Dass es nun so schnell ging, lässt darauf schließen, dass die Regierung den Fall schnell ad acta legen wollte. Denn in den letzten Monaten haben über hundert andere Kommunen ähnliche Erlasse verabschiedet."
Gegen jeden Fall geht die Präfektur gerichtlich vor. Um die Wogen zu glätten, hat die Regierung im September eine Online-Anhörung durchgeführt: Die Bürger konnten ihre Wünsche betreffs des Sicherheitsabstands bei der Ausbringung von Pestiziden angeben. Das Ergebnis der Umfrage ist noch nicht bekannt. Seit letztem Frühjahr tüfteln in Frankreich regionale Behörden, Landwirtschaftskammern, Lokalpolitiker, Naturschutz- und Anrainer-Vereine an sogenannten 'Chartas für gute Nachbarschaft'. Da geht es auch um den Schutz der Bevölkerung vor Pestiziden.
Bauerngewerkschaft zeigt sich höchst besorgt
Überall dort, wo eine regionale Nachbarschafts-Charta nicht zustande kommt, muss eine nationale Schutzzonen-Regelung umgesetzt werden. Das verlangt der Conseil d'Etat. Der Staatsrat ist in Frankreich oberstes Kontrollorgan im Gesetzesbereich. Bis kommenden Januar muss die Regierung einen Sicherheitsabstand definieren. Ein Thema, das die FNSEA, größte Bauerngewerkschaft in Frankreich, sehr besorgt, wie Verbandspräsidentin Christine Lambert kürzlich im Privatradio Europe 1 erklärte.
"Je nach Ausmaß des Sicherheitsabstands kann mancher Bauer bis zu 15 Prozent seiner Äcker und Felder nicht mehr wie gewohnt bewirtschaften. Wer wird da für den Einkommensverlust aufkommen?"
Und schon dräut ein neuer Streitpunkt
Mit dem Pflanzen von Hecken und dem Aufstellen von Sicherheitsnetzen wollen die Landwirte dem Abdriften von Pestiziden besser vorbeugen. Derzeit allerdings kocht ein anderes Thema in Frankreich hoch, sagt Aline Read vom Bürgerverein Ragster.
"Wir haben kürzlich festgestellt, dass unsere Behörde für Lebensmittelsicherheit und Umwelt, ANSES, die für die Marktzulassung von Pestiziden zuständig ist, bei den Verfahren bislang nie auf den Schutz der Anrainer geschaut hat."
Ein Skandal sei das, sagt Bürgermeister Daniel Cueff, dessen Schutzzonen-Erlass gerade vom Gericht annulliert wurde. Ob er gegen das Urteil ankämpfen werde, macht der Ortsvorsteher abhängig vom Sicherheitsabstand, den die Regierung jetzt definieren muss. Höchstwahrscheinlich wird der weit unter den 150 Metern bleiben, die in Langouët mal vorgegeben waren. Derweil blasen Cueff und der Bürgerverein Ragster schon zum nächsten Gefecht: Sie verlangen, aktuell eingesetzten Pestiziden die Marktzulassung zu entziehen.