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Frankreich
Familienzwist beim Front National

Im kommenden Jahr wird in Frankreich ein neuer Präsident gewählt. Auch der Front National um Parteichefin Marine Le Pen bereitet sich darauf vor. Allerdings bläst Le Pen parteiintern starker Gegenwind ins Gesicht - von ihrer Nichte.

Von Jürgen König | 09.12.2016
    Marion Maréchal-Le Pen (l) und Marine Le Pen vom französischen "Front National" sitzen nebeneinander
    Ob es sich um einen Familienstreit oder um einen Generationenkonflikt handelt, ob Marion Maréchal-Le Pen mit ihrem eigenständigen Kurs bestimmte Ziele verfolgt - derlei ist noch nicht klar zu erkennen. (dpa / picture alliance / Hiely Cyril)
    Fragt man Mitglieder des Front National, was sie von Vorwahlen zur Präsidentschaftskandidatur halten, so wie sie die Konservativen schon hinter sich und die Sozialisten noch vor sich haben, heißt es einhellig, man habe sie nicht nötig: die Partei stehe geschlossen hinter ihrer Präsidentin Marine Le Pen - sie sei die natürliche Kandidatin des Front National für das höchste Staatsamt. Doch in diese nach außen hin vertretene Einigkeit mischen sich in letzter Zeit Spannungen und sie betreffen die "natürliche Kandidatin" Marine Le Pen unmittelbar. Denn es ist ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen, die sich immer öfter ins Rampenlicht drängt und dabei Positionen vertritt, die von der offiziellen Linie des Front National deutlich abweichen.
    "Die Ablehnung der Homoehe erhält die Ehe als juristischen Rahmen zum Schutz der Familie. Die Ehe dient nicht der sozialen Anerkennung einer Liebe, die den Weg zu sehr, sehr vielem öffnet. Denn natürlich werden morgen andere Minderheiten kommen und dieselbe Anerkennung für ihre Form von Liebe fordern - ich denke dabei insbesondere an die Polygamie."
    Maréchal-Le Pen kommt bei katholischen Wählern gut an
    Mit diesen Worten erregte Marion Maréchal-Le Pen einiges Aufsehen. Ihr wiederholtes Bekenntnis zur traditionellen Ehe trägt zu den Spannungen mit Marine Le Pen bei. Sie lebt nach zwei gescheiterten Ehen jetzt unverheiratet mit einem Mann zusammen - für eine katholische Wählerklientel kann das durchaus von Bedeutung sein. Bei der kommt Marion Maréchal-Le Pen sehr gut an, was den konservativen Präsidentschaftskandidaten François Fillon viele Stimmen kosten könnte. Denn die bald 27-jährige Jurastudentin und Abgeordnete in der Nationalversammlung ist praktizierende Katholikin, hat kirchlich geheiratet, beschreibt ihre Jahre in einer Pariser Mädchenschule, die von Nonnen geführt wurde, als "prägende Zeit".
    Marion Maréchal-Le Pen ist nicht grundsätzlich gegen die Abtreibung, sprach sich aber mehrfach dafür aus, staatliche Beratungsstellen für Frauen, die ungewollt schwanger wurden, abzuschaffen. In einem Interview mit der Zeitung "Présent" wandte sie sich jetzt gegen die volle Übernahme der Kosten einer Abtreibung durch die Krankenkassen, wörtlich sagte sie, Frauen seien "verantwortlich handelnde Menschen" und müssten "auch als solche behandelt werden".
    Die Nichte sieht die Aufregung gelassen
    Die parteiinterne Aufregung war groß, der stellvertretende Parteivorsitzende des Front National, Florian Philippot im Sender BFM.
    "Das ist nicht die Position unserer Präsidentschaftskandidatin. Es ist eine einzelne Person, die etwas anderes gesagt hat. Diese Person ist isoliert in dieser Frage, was zählt, ist das, was unsere Kandidatin sagt, was die Bewegung sagt, was unser Projekt vorsieht: die Abtreibung ist ein Recht, das wird nicht in Frage gestellt, alle Kosten einer Abtreibung müssen voll erstattet werden."
    Marion Maréchal-Le Pen nimmt die Aufregung gelassen hin: "Natürlich sind wir in manchen Einzelfragen verschiedener Meinung, aber was das Grundsätzliche unseres Programms zu den Präsidentschaftswahlen angeht - da gibt es absolut keine Gegensätze."
    Für einige Aufregung sorgte auch eine Einladung des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders France 2. Marine Le Pen sollte an einer zweistündigen politischen Diskussion teilnehmen, was diese aber ablehnte. Also fragte der Sender Marion Maréchal-Le Pen an. Sie sagte zu - und konnte trotzdem nicht kommen. "Marine wollte das nicht" zitierte die Zeitung "Le Monde" den Sprecher des Front National, der beim Sender angerufen und den Auftritt abgesagt haben soll.
    Gefährliche Offenheit
    Neuen Ärger gab es für die Präsidentin des Front National, als ihre Nichte Ende November vor Pariser Parlamentsjournalisten über das "strategische Problem" sprach, dass die Kandidatur François Fillons für den Front National bedeute. Mit seiner Betonung traditioneller Werte und dem harten Kurs gegenüber dem "islamischen Totalitarismus" sei er "der gefährlichste Gegner". Diese Offenheit soll Marine Le Pen gar nicht gefallen haben. Schon im Juli hatte sie in der Wochenzeitung "Valeurs actuelles" beklagt, dass ihre Nichte die Tendenz habe, alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ein "wenig rigide" sei sie und müsse ihren "Sinn für das gemeinsame Vorgehen" noch entwickeln.
    Ob es sich um einen Familienstreit oder um einen Generationenkonflikt handelt, ob Marion Maréchal-Le Pen mit ihrem eigenständigen Kurs bestimmte Ziele verfolgt - derlei ist noch nicht klar zu erkennen. Für erhebliche Unruhe sorgt sie in der Partei schon.