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Frankreich
Gericht stoppt Sterbehilfe für Koma-Patienten

Zwei aktuelle Fälle haben die Sterbehilfe-Debatte in Frankreich wieder entfacht: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte untersagte vorläufig, die künstliche Ernährung für einen Koma-Patienten einzustellen. Zudem wurde ein Arzt freigesprochen, der sieben alten Menschen todbringende Medikamente verabreicht hat.

25.06.2014
    Der französische Koma-Patient Vincent Lambert bekommt ein Bild gezeigt.
    Der Fall des Koma-Patienten Vincent Lambert hat die Sterbehilfe-Debatte in Frankreich wieder entfacht. (picture alliance / dpa/)
    Die französischen Ärzte in Reims dürfen die lebenserhaltenden Maßnahmen für den querschnittsgelähmten Vincent Lambert vorerst nicht abbrechen. Der heute 39-Jährige war 2008 mit dem Motorrad verunglückt und liegt seitdem im Koma. Seine Ehefrau hat sich in Absprache mit den Ärzten für eine Beendigung der künstlichen Ernährung entschieden. Frankreichs Oberstes Verwaltungsgericht verfügte gestern auf ihren Wunsch hin, dass Lambert nicht weiter mit Wasser und Nahrung versorgt werden soll. Einem Gutachten zufolge besteht kaum Aussicht darauf, dass er wieder gesund wird. Der Patient selbst, ehemals Krankenpfleger, habe sich vor seinem Unfall zudem mehrmals dagegen ausgesprochen, einmal künstlich am Leben gehalten zu werden.
    Abschließendes Urteil erst in einigen Monaten - oder Jahren
    Die streng katholischen Eltern des Patienten sind jedoch gegen die passive Sterbehilfe und wollen ein Abschalten der Geräte verhindern. Sie hatten deshalb bereits am Montag einen Eilantrag am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gestellt. Das in Straßburg ansässige Gericht reagierte noch am Dienstagabend und forderte die französische Regierung auf, das Verwaltungsgerichtsurteil auszusetzen. Die Richter wollen nun "so schnell wie möglich" abschließend über den Fall entscheiden, hieß es in einer heute veröffentlichten Erklärung. Ein Sprecher räumte aber ein, das Verfahren könne Monate oder Jahre dauern.
    Die Eltern von Vincent Lambert sitzen in einem Gerichtssaal und schauen nach links, in Richtung des Richter.
    Die Eltern von Vicent Lambert wollen Ihren Sohn nicht durch passive Sterbehilfe verlieren. (AFP/Herve Oudin)
    Der langwierige Rechtsstreit um Vincent Lambert ist in Frankreich bekannt und viel diskutiert. Aktive Sterbehilfe ist in Frankreich verboten, auch die Beihilfe zur Selbsttötung. In einem Gesetz aus dem Jahr 2005 ist aber das Recht verankert, unheilbar Kranke an deren Lebensende "sterben zu lassen", um ihnen Leid zu ersparen. Kritiker bemängeln, diese Formulierung berge viele Unklarheiten.
    Freispruch für Nicolas Bonnemaison
    In einem weiteren Urteil wurde heute auch ein Arzt in der südfranzösischen Stadt Bayonne freigesprochen, der sieben sehr alten Patienten an ihrem Lebensende todbringende Medikamente verabreicht hatte - ohne Absprache mit Angehörigen oder anderen Medizinern. Zur Urteilsbegründung hieß es, es könne nicht nachgewiesen werden, dass Nicolas Bonnemaison seine Patienten im Sinne des Strafgesetzbuches habe vergiften wollen.
    Frankreichs Präsident François Hollande hatte im Wahlkampf eine Reform der Gesetzgebung zum Lebensende von Menschen versprochen. Er hat jetzt zwei Parlamentsabgeordnete beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten.
    Urteil in Großbritannien
    Ebenfalls heute hat das oberste britische Gericht eine Klage auf aktive Sterbehilfe abgewiesen. Die Richter hatten darüber zu entscheiden, ob das britische Verbot aktiver Sterbehilfe dem in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgelegten Schutz von Privatleben und Familie widerspreche. Sie entschieden, es sei keine Verletzung der Menschenrechte, dass den Klägern Tötung auf Verlangen verwehrt bleibe. Geklagt hatten ein inzwischen verstorbener Mann, der einen Schlaganfall erlitten hatte und seitdem nur mit den Augen kommunizieren konnte. Seine Ehefrau führte das Verfahren nach seinem Tod fort.