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Franziskus und Homosexuelle
Nehmen Sie die Entschuldigung an, Herr Kaufmann?

Stefan Kaufmann ist CDU-Bundestagsabgeordneter und Katholik. Vor einem Jahr schloss er eine Lebenspartnerschaft und hätte das gerne in einem Gottesdienst gefeiert. Der zuständige Bischof lehnte ab, weil die Gläubigen die Zeremonie mit einer Trauung verwechseln könnten. Als verletzend beschreibt Stefan Kaufmann diese Erfahrung. Dennoch ist er überzeugt: Franziskus meine es ernst, wenn er Homosexuelle um Vergebung bitte.

Stefan Kaufmann im Gespräch mit Christiane Florin | 07.07.2016
    Der CDU-Politiker Stefan Kaufmann hält auf einem CDU-Bundesparteitag in Hannover eine Rede.
    Stefan Kaufmann, CDU (imago/Simon)
    Christiane Florin: Meinen Sie, Franziskus hat sich auch für das Nein Ihres Bischofs entschuldigt?
    Stefan Kaufmann: Er wusste zwar davon nichts, aber so kann man es deuten. Er hat ein ermutigendes, ein starkes Signal gegeben. Natürlich als Papst, nicht für die ganze Kirche. Das wurde ja im Beitrag aus Rom auch angesprochen. Jedenfalls zeigt es, dass etwas Bewegung in die katholische Kirche kommt.
    Florin: Nehmen Sie die Entschuldigung an?
    Kaufmann: Natürlich nehme ich die Entschuldigung an, aber das alleine reicht nicht. Dem müssen jetzt Taten folgen. Die große Frage für mich als hier lebenden Katholiken ist, ob die Deutsche Bischofskonferenz Wege findet, Homosexuellen ein pastorales Angebot zu machen. In der Tat ist es so, dass es viele Schwule gibt, die katholisch sind, die sich auch der Kirche verbunden fühlen, die sich aber in diesem Punkt nicht angenommen fühlen und deshalb nach Wegen suchen, wie ihre Form zu leben und zu lieben von der Kirche anerkannt wird. Darüber diskutieren wir, darum ging es auch auf einer Podiumsdiskussion auf dem Katholikentag in Leipzig. Daran möchte ich gern mitwirken.
    Florin: Bevor wir zur Bischofskonferenz kommen, noch einmal zurück zum Papst. Sie haben Franziskus per Twitter zu ihrem "Helden der Woche" erklärt. Sie sind offenbar bescheiden, denn Franziskus sagt solche Sätze nur, wenn er im Flugzeug von Journalisten danach gefragt wird. In seinen Schreiben ist nur die Liebe zwischen Mann und Frau die wahre Liebe. Nehmen Sie ihm ab, dass er ernsthaft etwas ändert?
    Kaufmann: Immerhin äußert er sich zu der Frage. Zwar noch nicht schriftlich, aber in einem zweiten Interview, das auch autorisiert wurde. Natürlich könnte man sich mehr vorstellen. Aber die Kurie in Rom ist noch sehr viel rückständiger, die Bischöfe in Afrika und in Lateinamerika haben eine ganz andere Haltung. Er ist als Papst Repräsentant einer Weltkirche und muss dieses große Schiff steuern. Deshalb ist es gut, wenn er dieses Thema anspricht. Er hat 2013 gesagt "Wer bin ICH, darüber zu urteilen?". Jetzt nimmt er die ganze Kirche mit und sagt, die Kirche solle sich entschuldigen. Also auch da ist eine Entwicklung zu sehen, zwar eine langsame, aber ich denke, dass dies die Kirchen, die bereit sind weitere Schritte zu gehen, ermutigen sollte, weiter zu gehen im Rahmen dessen, was das Kirchenrecht hier möglich macht.
    Florin: Die Kirche habe dazu beigetragen, Homosexuelle ins Abseits zu schieben, sagte Franziskus. Sie selbst sind Mitglied dieser Kirche, haben sich mit 30 Jahren Ende der 1990er Jahre geoutet. Wurden Sie oft ins Abseits geschoben?
    Kaufmann: Nicht insoweit, als ich gespürt habe, dass die Kirche mich nicht akzeptiert. Aber als es darum ging, einen Weg zu finden, eine Partnerschaft mit meinem Mann kirchlich segnen zu lassen oder einen Weg zu finden, wie die Kirche damit umgeht, da merkt man schon, dass es Ausgrenzung gibt, dass es Verletzungen gibt. Denn das, was wir eigentlich vorhatten, einen Dankgottesdienst mit einem Segen am Ende, wurde uns vom Bischof von Rottenburg-Stuttgart verboten.
    Florin: Wie war die Begründung des Bischofs? War das eine Frage des Gehorsams?
    Kaufmann: Das war die Begründung, dass eine Verwechslungsgefahr bestünde mit einem katholischen Traugottesdienst und deshalb könne so etwas nicht zugelassen werden. Deshalb hat er unserem Ortspfarrer, der vorgeschlagen hatte, keinen Segnungsgottesdienst zu machen, sondern einen Dankgottesdienst, dieses Format untersagt.
    Florin: Im Glaubensbekenntnis, im Credo, kommt die Sexualmoral nicht vor, aber wenn man die innerkirchlichen Debatten verfolgt, scheint es so, als sei die Haltung zur Homosexualität geradezu Glaubenskernbestand, Wesensmerkmal des Katholischen. Was hat das für Sie mit dem Glauben zu tun?
    Kaufmann: Das ist eben der Punkt, der mich traurig macht und viele andere Katholiken auch, die ihren Glauben in dieser Kirche leben wollen: dass dieses Thema so eine ungeheure Bedeutung hat, gerade für die Kritiker. Für mich ist das ein Weg, die Liebe auszuleben. Zu sagen, ihr könnt homosexuell sein, aber das Ganze nicht ausleben, also die Sünde ist nicht die Veranlagung, sondern die Ausübung, das ist ein Weg, den man den Homosexuellen nicht vorzeigen kann. Das würde bedeuten, Sexualität zu unterdrücken und Liebe nicht leben zu können. Das ist ein schwieriges Signal an diejenigen, die gleichgeschlechtlich fühlen.
    Florin: Sie sind Politiker, müssen auch oft taktieren. Haben Sie Verständnis dafür, dass dem Papst dieses Kampfthema zu heiß ist?
    Kaufmann: Ich habe Verständnis dafür. Er erntet innerhalb der Kurie in Rom und in der lateinamerikanischen und afrikanischen Kirche viel Widerstand. Um so erfreulicher ist, dass er dieses Thema nach drei Jahren noch einmal aufgegriffen hat. Natürlich ist es nicht sein Hauptthema, aber er ist der erste, der es überhaupt anspricht und sagt, dass die Kirche sich hier bewegen muss. Sie soll sich entschuldigen, sie soll um Vergebung bitten, sie anerkennt, dass diese Form des Lebens und des Liebens da ist und dass Gott alle Menschen liebt. Das ist ein starkes Signal.
    Florin: Wenn Sie den Katechismus zu schreiben hätten, was sollte da zum Thema Homosexualität drin stehen?
    Kaufmann: Gott liebt alle Menschen, so wie er sie geschaffen hat und dazu gehört der Respekt gegenüber Menschen mit gleichgeschlechtlicher Veranlagung. Die Kirche sollte diese Menschen so annehmen, wie sie sind und sie in ihrem Glauben und ihrer Liebe bestärken.
    Florin: Sie opfern damit eine Jahrtausende alte Lehre dem Zeitgeist, sagen Kritiker in solchen Situationen gern. Ist da nicht etwas dran, dass das, was so lange gelehrt wurde, sich nicht innerhalb weniger Jahre ändern kann?
    Kaufmann: Das konzediere ich ja, dass sich das nicht von heut' auf morgen ändern kann. Deshalb diskutieren wir auch schon viele Jahre. Aber es hat nicht nur mit Zeitgeist zu tun. Es ist die Frage, wie ich Menschen annehme in ihrer Veranlagung, für die sie selbst nichts können. Da hat sich nicht nur der Zeitgeist geändert, da hat sich auch die öffentliche Diskussion darüber geändert. Man hat dieses Thema über viele Jahrzehnte totgeschwiegen, heute weiß man, dass viele Menschen, auch viele gläubige, so veranlagt sind und so leben und fühlen. Deshalb kann die Kirche nicht schweigen dazu.
    Florin: Sie fordern nicht die Ehe für alle, aber den Segen für alle. Wie betreiben Sie Lobby-Arbeit, wen haben Sie als Verbündeten unter den Bischöfen?
    Kaufmann: Ich hatte ein Gespräch mit dem zuständigen Bischof, der auch bei der Familiensynode dabei war,
    Florin: Erzbischof Koch aus Berlin.
    Kaufmann: Ich werbe wie jüngst beim Katholikentag in Leipzig dafür, dass die Deutsche Bischofskonferenz Wege sucht, ein pastorales Angebot zu machen. Das kann nach derzeitigem Kirchenrecht kein Segen sein, aber es könnte diese Form des Dankgottesdienstes sein, die wir geplant hatten. Das hat auch ein katholische Moraltheologe, mit dem ich auf dem Podium saß, so bestätigt.
    Florin: Wenn Franziskus nicht mehr Papst ist, wird dieser Weg dann weiter beschritten?
    Kaufmann: Das ist die große Frage. Ich würde mir wünschen, dass die Äuerungen nachhaltig sind. Ich würde mir wünschen, dass ein Nachfolger dieses Thema zu seinem Thema macht, und dass sich auch in Rom innerhalb der Kurie das eine oder andere ändert und dass die Widerstände kleiner werden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.