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Französische Konservative
Stramm nach rechts

Bei einem "kleinen Parteitag" will Parteichef Laurent Wauquiez den Kurs bis zur Europawahl festlegen. Er will, dass "Die Republikaner" als wichtigste Oppositionspartei wahrgenommen werden und dafür wieder ein Stück weiter nach rechts rücken. Doch damit eckt er parteiintern an.

Von Jürgen König | 29.06.2018
    Laurent Wauquiez spricht in Paris am 18. April. Rechts von ihm sitzend seine ParteikollegInnen Virginie Calmels, Guillaume Larrive, Eric Ciotti, François-Noel. (von links nach rechts)
    Parteichef Laurent Wauquiez spricht in Paris am 18. April 2018. Neben ihm sitzend seine damalige Stellvertreterin Virginie Calmels. (AFP/Eric FEFERBERG)
    Ausgerechnet am Vorabend des 18. Juni entließ Laurent Wauquiez seine Stellvertreterin Virginie Calmels - am Vorabend jenes Tages, an dem die Partei sich normalerweise in Feierstunden an die große Rede Charles de Gaulles erinnert, der die Franzosen am 18. Juni 1940 von London aus zum Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht aufgerufen hatte. Aber unter dem neuen Parteichef Laurent Wauquiez ist nichts mehr "normal" bei den "Republikanern".
    Noch wenige Tage vor ihrem Rauswurf hatte Virginie Calmels im Sender France Inter gesagt:
    "Ich habe zugesagt, gemeinsam mit Laurent Wauquiez die Partei zu erneuern, um für klare Grundsätze zu kämpfen, für eine Partei, die genau in der Mitte liegt zwischen dem Liberalismus‘ des Emmanuel Macron und der extremen Rechten des Front National. Und zwar ohne sich dabei einer dieser Parteien anzunähern. Wir müssen eine Synthese der rechten Strömungen finden, wir müssen uns modernisieren und dabei innovativ sein, mit überzeugenderen Botschaften als bisher."
    Stellvertreterin eckte mit Kritik am Parteichef an
    Doch genau diese "Synthese der rechten Strömungen" will Laurent Wauquiez nicht, er setzt auf einen strammen Rechtskurs: betont die christlichen Werte und die laizistische Verfassung, wettert gegen die gleichgeschlechtliche Ehe, wirbt für den Austritt des Landes aus dem Schengen-Abkommen, tritt ein für die "Befreiung Frankreichs von der Masseneinwanderung", die in seinen Augen den Fortbestand des Landes gefährdet.
    "Ja, es gibt ein Problem, und die Leute fragen sich das auch: Was für eine Identität wird unser Land in Zukunft haben? Wenn Sie eine Antwort darauf suchen: Lassen Sie sich bloß nicht von all den 'Zensoren' beeindrucken, die uns erklären und vorschreiben wollen, was man in diesem Land denken und sagen darf!"
    Bis in die Formulierungen hinein übernimmt Laurent Wauquiez mit seinem Programm Gedanken des in "Rassemblement National" umbenannten "Front National" unter Marine Le Pen. Ihre Wähler will er erreichen: bei den Europawahlen und - wichtiger noch - bei der Präsidentschaftswahl 2022.
    Umstrittene Broschüre: "Frankreich muss Frankreich bleiben"
    Zum Streit mit seiner Stellvertreterin war es wegen einer Broschüre gekommen, von Laurent Wauquiez anderthalb Millionen mal gedruckt, unter der Überschrift: "Frankreich muss Frankreich bleiben!". Virginie Calmels hatte den Text in einem Zeitungsinterview als eine Kopie der Reden Marine Le Pens kritisiert, er enthalte nur Wauquiez‘ Meinung, einen Beschluss des Parteivorstands habe es dazu nicht gegeben. Das ließ Laurent Wauquiez nicht auf sich sitzen. Virginie Calmels musste gehen, Parteisprecherin Lydia Guirous erklärte das so:
    "Wir führen interne Debatten, es gibt viele verschiedene Meinungen bei uns. Ich glaube nur, Virginie Calmels hat nicht verstanden, was es heißt, zusammen zu arbeiten, in einer Mannschaft zu sein."
    Zerfall der traditionsreichen Partei
    Die Radikalisierung der "Republikaner" unter Laurent Wauquiez vollzieht sich vor dem Hintergrund des zunehmenden Zerfalls der traditionsreichen Partei in den letzten Jahren. Die alten Parteigrößen Nicolas Sarkozy und Francois Fillon zogen sich nach dem für sie katastrophalen Ausgang der Präsidentschaftswahl zurück. Auch die Parlamentswahlen gingen verloren: 194 Sitze hatten die "Republikaner" in der Nationalversammlung früher, heute sind es noch 112. Innerhalb der Fraktion spaltete sich wiederum die Gruppe der "Konstruktiven" ab, die nicht in die Opposition gehen wollte, sondern auf eine Zusammenarbeit mit Präsident Macron setzt.
    Durch die Regierungsbildung verlor die Partei weitere Prominenz: Édouard Philippe wurde Premierminister, Bruno Le Maire Wirtschafts- und Finanzminister, selbst Gérald Darmanin, der einstige Zögling von Nicolas Sarkozy, lief ins Regierungslager über und wurde Haushaltsminister. Alain Juppé, der für den Liberalismus in der Partei stand, fühlte sich abgestoßen vom Radikalisierungskurs Laurent Wauquiez‘ und gab auf - genau wie Xavier Bertrand, der einflussreiche Vorsitzende der Region Nordfrankreich. Ob es überhaupt noch namhafte Konservative gibt, die sich Wauquiez‘ Kurs widersetzen: Der Parteitag wird es zeigen.