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Französische Rüstungspolitik
Keine Scheu vor Waffenexporten

Eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik - das ist die Vision des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Während die Debatte darüber in Deutschland hitzig geführt wird, ist in Frankreich sogar die Linke nicht kategorisch dagegen.

Von Christiane Kaess | 09.05.2019
Bastien Lachaud setzt sich in einem Nebenraum der Nationalversammlung auf einen der roten Stühle. Es gäbe heute keinerlei Garantie, dass Waffen, die Frankreich nach Saudi-Arabien liefere, nicht im Jemenkrieg eingesetzt würden, sorgt sich der Abgeordnete der Partei "Unbeugsames Frankreich". Der hochgewachsene schlanke Mann verweist auf ein Abkommen der Vereinten Nationen:
"Der Vertrag über den Waffenhandel verbietet den Verkauf von Waffen, die dazu geeignet sind, Kriegsverbrechen zu begehen. Es genügt also der Verdacht, damit Frankreich nicht mehr das Recht hat, diese Waffen zu verkaufen, weil es die entsprechenden internationalen Verträge unterzeichnet hat."
Französische Waffen im Jemen-Krieg?
Notizen des französischen Nachrichtendienstes, die Journalisten veröffentlicht haben, sollen belegen, dass französische Waffen im Jemenkrieg dabei sind. Dass die deutsche Regierung genau wegen dieser Gefahr keine Waffen nach Saudi-Arabien liefert, kann Lachaud also nachvollziehen.
"Aber die wirtschaftlichen Herausforderungen sind für Deutschland nicht die gleichen. Es war also einfacher für die deutsche Regierung diese Entscheidung zu treffen, als für die französische."
Weil Frankreichs Waffenindustrie viele Arbeitsplätze schafft, ist nicht einmal die politische Linke generell gegen Waffenexporte. Die Länder, in die die Rüstungsgüter gehen, müsste man sich jedoch gut aussuchen, argumentiert Bastien Lachaud. Im Fall von Saudi-Arabien habe Frankreich sich seinem Allierten unterworfen - aus wirtschaftlichen Interessen und wegen seiner Abhängigkeit vom Öl. Überhaupt, findet Lachaud, sollte die französische Rüstungsindustrie in erster Linie der Landesverteidigung dienen. Von Plänen für eine europäische Verteidigungspolitik hält er nichts. Er ist nur dann für bilaterale Projekte, wenn sie sich für Frankreich lohnen.
"Im Moment ist Deutschland überhaupt nicht zuverlässig"
Beim künftigen deutsch-französischen Kampfpanzer könnte der deutsche Einfluss dominieren, fürchtet der Abgeordnete:
"Im Moment ist Deutschland überhaupt nicht zuverlässig. Ganz im Gegenteil. Jedes Mal, wenn es ein gemeinsames Projekt gab, haben die Franzosen sich reinlegen lassen."
In einem Büro auf der anderen Straßenseite sieht Thomas Gassiloud das gelassener. Er sitzt für die Präsidentenpartei "La République en Marche" in der Nationalversammlung. Vor kurzem hat er Parlamentarier des Bundestages getroffen:
"In Berlin haben mir viele deutsche Partner gesagt, beim gemeinsamen künftigen Kampfflugzeug überwiegt der französische Einfluss. Wir müssen uns einfach so organisieren, dass jeder mit dieser Allianz zufrieden ist, weil wir uns um ein Gleichgewicht bemühen."
Der Abgeordnete aus dem Südosten Frankreichs ist für eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik, angetrieben von einem deutsch-französischen Motor. Auch wenn sich dabei immer wieder Differenzen ergeben, wie bei den Waffenexporten nach Saudi-Arabien.
Kein französisches Waffen-Embargo gegen Saudi-Arabien
"Die Entscheidungen des Staates werden auf der Grundlage von Beweisen getroffen und nicht aufgrund von Empfindungen. Das was im Jemen passiert, ist entsetzlich, und wir müssen alles tun, damit dieser Krieg aufhört. Aber wir haben keinerlei Beweis, dass französische Waffen von Saudi-Arabien gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden."
Nicht einmal der Fall des ermordeten saudischen Journalisten Jamal Kashoggi hatte an den Entscheidungen der französischen Regierung gegenüber Saudi-Arabien etwa geändert. Thomas Gassilloud hat dafür Verständnis. Zu wichtig sei das Land als strategischer Partner in einer unruhigen Region. Das deutsche Embargo gegen Saudi-Arabien erklärt sich Gassilloud mit den Koalitionszwängen in Berlin. Er wünscht sich ein deutsch-französisches Gremium, das solche Fälle berät:
"Wir machen die Waffenexporte nicht zum Spaß, sondern weil wir glauben, dass sie ein wichtiger Bestandteil der europäischen Souveränität sind. Unsere Partner sollten gemeinsamen mit uns überlegen, welche Konsequenzen innenpolitische Entscheidungen haben können, damit wir zusammen diese europäische Souveränität voran bringen."