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Französischer Präsidentschaftskandidat in Berlin
Rück-Rede für Europa

Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron ist in Berlin und macht Wahlkampf. In einem vollbesetzen Hörsaal der Humboldt Universität hielt er ein flammendes Plädoyer für Europa - und für die deutsch-französische Zusammenarbeit.

Von Klaus Remme | 11.01.2017
    Der französische Präsidentschaftskandidat und frühere Wirtschaftsminister Frankreichs, Emmanuel Macron, spricht am 10.01.2017 in Berlin im Audimax der Humboldt-Universität über die französisch-deutschen Beziehungen und die Zukunft der Europäischen Union.
    Der französische Präsidentschaftskandidat und frühere Wirtschaftsminister Frankreichs: Emmanuel Macron im Audimax der Humboldt-Universität Berlin (dpa / picture alliance / Soeren Stache)
    Im audimax der Humboldt Universität war kein Platz mehr frei als der Kandidat gestern Abend ans Mikrofon trat. Es gibt viele Gründe, neugierig zu sein auf diesen Mann, auf Emmanuel Macron. Eliteschulen, Investmentbanker, Wirtschaftsminister, das hat er schon hinter sich und ist doch noch keine 40 Jahre alt. Im Mai will er als unabhängiger Bewerber, Nachfolger von Francois Hollande werden.
    Macron ist in Berlin, um über Deutschland und Frankreich und Europa zu sprechen. "Ich sollte wohl, der Gewohnheit folgend, Französisch sprechen”, begann Macron, das ein oder andere Zitat folgte dann auf Deutsch, doch die Rede hielt der Gast auf Englisch, das sei für alle schlicht einfacher, so die Begründung. Macron würdigte den verstorbenen Roman Herzog um sich gleich ein Motiv des Alt-Bundespräsidenten für sein Anliegen auszuborgen:
    Macron hält Ruck-Rede für Europa
    "Durch Europa muss ein Ruck gehen.” Macron sprach eine gute Stunde und erläuterte seine Vision von Europa. Joschka Fischer hatte im Jahr 2000 als Bundesaußenminister an gleicher Stelle diese Tradition der Humboldt-Reden zu Europa begonnen. Fischer saß gestern Abend in der ersten Reihe und war am Ende einigermaßen beeindruckt:
    "Es ist zum ersten Mal eine Stimme, die sich wieder für Europa in die Bresche schlägt, man hat es fast vergessen, dass es so etwas gibt und das ist schon sehr mutig für einen Kandidaten für die französische P räsidentschaft. Ich wünsche ihm viel Erfolg und toi, toi, toi."
    Sicherheitspolitik: Souveränität durch Gemeinschaft
    Zuvor hatte Macron einen gleich vierfachen Krisenbogen geschlagen: Sicherheit, Migration, Wirtschaft und Europa, er nannte diese Herausforderungen. Nach einer verlorenen Dekade müsse europäische Souveränität neu entwickelt werden. Es sei ein großer Fehler gewesen, dieses Wort den Nationalisten, den populistischen Lügen von links und rechts überlassen zu haben.
    Sicherheitspolitisch setzt er auf konsequenten Schutz der Außengrenzen, Macron knüpfte an einen deutschen Impuls durch Karl Lamers und Wolfgang Schäuble aus dem Jahr 1994 an. "Sich selbst verteidigen zu können, ist innerster Kern jeglicher Souveränität von Staaten”, zitierte Macron auf deutsch und weiter:
    "Es gilt demnach für die EU als Gemeinschaft von Staaten, dass die überhaupt nur noch so, durch die Gemeinschaft, Souveränität behalten können.”
    "I do want much more Europe"
    Wirtschaftspolitisch konzedierte Macron Reformbedarf in Frankreich einerseits und forderte Investitionen in Deutschland für mehr Wachstum andererseits. Politisch sieht er die EU in ihrer jetzigen Verfassung in einer Sackgasse. Macron will nach den Wahlen in Frankreich und Deutschland Konvente, Dialogforen, eine road-map für die EU, kein tausendseitiger Vertrag, sondern eine Verständigung auf Grundsätzliches auf 10 bis 15 Seiten. "Vertragsänderungen werden kommen, sie dürfen kein Tabu sein”, forderte er. Seine Rede insgesamt, ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Europa, für die deutsch-französische Zusammenarbeit. Ich vertraue Deutschland, versicherte Emmanuel Macron den Studierenden im Audimax der Humboldt-Uni. Zustimmung kam anschliessend von Joschka Fischer.
    "I do want much more Europe and I do want to do that with Germany and I do trust Germany.”
    "Entscheidend ist, wie wichtig Deutschland und Frankreich für Europa sind. In Wirklichkeit sind es wieder die beiden karolingischen Nationen auf die es ankommt, ob es aus der Krise findet oder ob Europa zerfällt."
    Macron hinterlässt unterschiedliche Eindrücke
    "Unsere Eindrücke sind sehr gespalten zwischen Noura und mir….”
    Karl Kukuk und Noura Mahdhaoui stehen draußen im Hof der Universität. Sie sind sich nicht einig. Er studiert Ingenieurswesen, sie Kulturwissenschaft. Kukuk sagt, Macron ist mein Favorit für die Präsidentschaftswahlen, Mahdhaoui widerspricht:
    "Ich würde sagen, dass sein zentrales Anliegen die Zusammenarbeit in der EU ist, wo er einer Kanzlerin wie Frau Merkel ein großes Stück entgegenkommen kann."
    "Für mich mangelt es an konkreten Projekten, es sind mir zu viele Schlagworte."
    Die Linke werde es schwer haben, bei diesen Wahlen, was sehr schade sei, bedauerte sie die Lage, denn natürlich sei ihr auch ein Emmanuel Macron sehr viel lieber als Marine Le Pen.