Samstag, 20. April 2024

Archiv


Französischer Preis für deutschen Historiker

In der Begründung der kleinen Resistance-nahen Fondation Guillaume Fichet-Octave Simon heißt es, der Historiker Bernhard Strebel habe eine erste umfassende Darstellung zum Konzentrationslager Ravensbrück geleistet. Bisher sind vor allem Erinnerungen ehemaliger Häftlinge erschienen. So auch die Arbeiten der französischen Ethnologin und Resistanceangehörigen Germaine Tillion, die die Stiftung unter anderem ehrt.

Katharina Born | 28.10.2003
    Ich hoffe natürlich dass es eine Auseinandersetzung darüber gibt und ich hoffe auch dass dadurch die Erkenntnisse stark erweitert werden. Oder auch sich für Lager wie Dachau und Buchenwald herausstellt, wie sehr sie auch ein differenzierter Lagerkomplex waren, so dass also sehr schwer von "den Verhältnissen" in Buchenwald, wie auch von "den Verhältnissen in Ravensbrück" gesprochen werden kann. Da gibt es noch sehr viele weiße Flecken und sehr viel zu tun.

    Die zahlreichen historische Einzelstudien zielen meist auf den Aspekt des Frauenlagers. Strebel belegt dagegen zusätzlich die Struktur von Ravensbrück als riesigen Lagerkomplex - und seine Funktion als Drehscheibe unzähliger Haeftlingstransporte.
    Bislang konnte man in der Literatur lesen, dass die Frauenabteilung im Stammlager Auschwitz, bevor das Frauenlager nach Auschwitz Birkenau verlegt wurde und da dessen fürchterliche Geschichte begann, im Frühjahr 1942 Ravensbrück unterstand. Insofern hat mich die Frage interessiert, was hatte es mit dieser Verbindung zu tun.

    So gelang es Strebel unter anderem, die von britischen Militärgerichten der Nachkriegszeit sehr hoch angesetzte Zahl der Todesopfer zu korrigieren und zu belegen. Teilweise können die von Strebel befragten Zeitzeugen, wie im Fall der noch als Kinder deportierten slowakischen Juden erstmals überhaupt ihre Geschichte nachlesen.

    Ich habe mich bemüht, die Hintergründe herauszuarbeiten vor denen die Deportationen sich vollzogen haben, insofern war das dann auch für Überlebende interessant. Von da habe ich ein sehr positives Feedback bekommen, eben gerade weil darüber eben fast nichts bekannt war, dass sie sehr froh sehr glücklich sind, dass das eben jetzt dokumentiert ist und in einem gewissen Sinne festgeschrieben.

    Strebel hat für seine nunmehr seit zehn Jahren betriebene Grundlagenforschung bisher keine Stipendien erhalten. Und auch die wissenschaftliche Resonanz auf seine Arbeit blieb nach seinen Worten in Deutschland verhalten. Zur Zeit ist er an der Gedenkstätte Bergen-Belsen mit so genannten Werkverträgen jeweils für kurze Zeit beschäftigt. Mit der Veröffentlichung der Monografie zu Ravensbrück, die dieser Tage in Deutschland und demnächst auch in Frankreich erscheint; hofft der Historiker mehr Anerkennung zu bekommen.

    Da bin ich gespannt, was es da für Reaktionen gibt; dass das Buch eben nicht "das Frauenlager" heißt. An der Universität ist es mit großem Wohlwollen zur Kenntnis genommen worden, dass eine Arbeit aus Hannover im Ausland eine solche Würdigung erfährt. Wobei, ich denke man muss in Rechnung stellen, dass so was auch ein paar Jahre dauert, bis die Sachen gelesen und zur Kenntnis genommen werden.

    In jedem Fall gilt Strebel inzwischen als der Historiker in Sachen Ravensbrück - wenn ihm diese Anerkennung auch von überraschender Seite zu teil wurde. Das Amtsgericht Stralsund lud ihn im vergangenen Jahr als Sachverständigen in einem Prozess. Ein Neonazi hatte im Internet die Existenz der Gaskammern von Ravensbrück geleugnet.