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Frassoni: Unklar, wie lange es bis zu Berlusconis politischem Ende dauert

Dem ehemaligen Premier Italiens droht der Ausschluss aus dem Senat. Trotzdem werde Silvio Berlusconi einen Weg finden, in der Politik zu bleiben, meint Monica Frassoni von den Europäischen Grünen. Aber er habe noch vier Gerichtsurteile vor sich - "und das wird wirklich das Ende sein".

Monica Frassoni im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 18.09.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Silvio Berlusconi, der umstrittene Langzeitpremier, war politisch bereits totgesagt, als er am 9. November 2011 seinen Rücktritt erklärte. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger und so wiesen die italienischen Wähler seiner Partei Volk der Freiheit doch wieder eine Schlüsselrolle im italienischen Kabinett zu. Berlusconi dachte gar nicht daran, sich politisch zurückzuziehen. Daran konnte auch seine rechtskräftige Verurteilung wegen Steuerhinterziehung nichts ändern. Heute aber könnte es endgültig ernst werden für ihn. Der Immunitätsausschuss des italienischen Senats hat darüber zu entscheiden, ob Berlusconis Immunität aufgehoben wird oder nicht. Sollte das geschehen, dann könnte auch die Regierung platzen. Das haben Berlusconis Vertraute immer wieder angekündigt. – Am Telefon ist jetzt Monica Frassoni, sie ist Co-Sprecherin der europäischen Grünen-Partei. Guten Morgen, Frau Frassoni.

    Monica Frassoni: Guten Morgen!

    Heckmann: Trotz der Drohung mit einem Platzen der Regierung, werden sich die Senatoren trauen, aus Ihrer Sicht, Berlusconi die Immunität zu entziehen?

    Frassoni: Eigentlich ist es keine Immunität. Es ist eine Verwirkung des Mandats im Falle einer Verurteilung wegen Korruption, Steuerbetrug oder ähnlichen Delikten. Es gibt deswegen eigentlich keine Möglichkeit, dass sie etwas anderes machen können.

    Heckmann: Aber es gibt ja einen entsprechenden Antrag der Berlusconi-Seite, seiner Unterstützer, ihm diese Immunität nicht zu entziehen.

    Frassoni: Ja, die Wirkung seines Mandats. Die Leute, die für Berlusconi sind, sagen eigentlich, dass es möglich ist, dass er weggeht, weil es ist nicht möglich, eine Rückwirkung des Gesetzes über die Korruption zu bestätigen. Deswegen sagen sie, da er diese Delikte gemacht hat, bevor dieses neue Gesetz kam, dann kann er sein Mandat nicht verlieren. Aber das Problem ist, dass dieses Gesetz eigentlich sagt, das ist keine zusätzlich Strafe. Das ist nur ein Fakt. Wenn du verurteilt bist wegen Korruption, kannst du eigentlich nicht sitzen. Und wir haben den ganzen Sommer um diese Sache zu diskutieren verbracht. Ich glaube, die einzige Sache, die heute geschehen könnte, ist, dass die Abgeordneten entscheiden, dass es noch mal ein wenig Zeit gibt, darüber zu diskutieren. Aber es ist ziemlich klar, was jetzt geschehen wird, und deswegen glaube ich, dass es keine wirkliche Möglichkeit für Berlusconi und seine Partei gibt, die Regierung fallen zu lassen.

    Heckmann: Die Partei Volk der Freiheit, also Berlusconis Partei, droht ja oder hat gedroht, die Koalition zu verlassen im Fall der Fälle. Diese blinde Solidarität gegenüber Berlusconi, wäre die in einem anderen europäischen Land denkbar?

    Frassoni: Ich glaube, die machen einen Bluff. Sie drohen und heute hat Berlusconi gesagt, dass er ein Video machen will, um die Drohung, worüber sie sprechen, zurückzunehmen. Aber es gibt eine gewisse Ruhe im politischen Hintergrund, weil die Leute sagen, wenn wir heute in Wahlen gehen, wäre es sehr klar für die Italiener, dass der einzelne Grund Berlusconi ist. Deswegen glaube ich, das ist wirklich ein machiavellisches Spiel, um dem Cavaliere noch mal ein wenig Zeit zu geben.

    Heckmann: Sie haben es angedeutet: Es wird für heute eine Rede von Berlusconi angekündigt, in der Berlusconi möglicherweise diese Drohung, die Regierung platzen zu lassen, zurücknimmt. Heißt das, dass seine Macht schwindet und er sich geschlagen geben muss?

    Frassoni: Ich glaube, dass wir an diesen Punkt kommen, und ich glaube auch, dass die Leute von Berlusconi wissen, dass sie die Seite wechseln müssen. Aber was nicht klar ist, wann das geschehen wird. Wir sind wirklich in einer Situation vom Ende eines Empires und es ist sehr schwierig zu sehen, wie lange dieses Ende dauern wird.

    Heckmann: Das heißt, Sie bewerten das schon so, Frau Frassoni, dass die Unterstützung für Berlusconi bröckelt, dass immer mehr sich quasi abwenden von dem politischen Führer?

    Frassoni: Ja, und das ist natürlich schlimm. Aber ich glaube, jetzt sind wir nicht nur in einer Situation, wo die Leute sich von der Politik abwenden, sondern wir sind in einer Situation, wo die Leute nicht wissen, was gemacht sein muss, weil die ganze politische Debatte von dieser Geschichte von Berlusconi weggenommen ist. Deswegen sind die Leute nicht sehr interessiert an dieser Geschichte und zweitens: Sie warten, dass diese Geschichte endet. Ich glaube, wir müssen diese Gefühle der Leute verstehen, um zu verstehen, dass Berlusconi wirklich am Ende ist.

    Heckmann: Frau Frassoni, sollte der Senat also heute entscheiden, oder der zuständige Ausschuss zunächst, dass die Immunität Berlusconis aufgehoben wird beziehungsweise er ausgeschlossen wird aus dem Senat, wäre das endgültig das politische Ende des Cavaliere?

    Frassoni: Ich glaube nicht. Noch mal: Es ist nicht seine Immunität, es ist wirklich eine Verwirkung seines Mandats und ich glaube, er wird eine Art finden, um in der Politik noch mal zu bleiben. Aber man muss wirklich nie vergessen, dass er noch vier Urteile hat, und das wird wirklich das Ende sein.

    Heckmann: Und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Italien demnächst wieder vor Neuwahlen stehen wird?

    Frassoni: Ich glaube, wir haben eine große Möglichkeit, heute eine andere Seite in Italien zu beginnen.

    Heckmann: Das heißt, Sie rechnen damit, dass es zu Neuwahlen kommen wird?

    Frassoni: Wir rechnen damit?

    Heckmann: Sie rechnen damit, dass es zu Neuwahlen kommen wird?

    Frassoni: Nein! Ich glaube eigentlich nicht, dass wir Neuwahlen haben werden, weil die Rechte, also Berlusconi weiß, dass wenn diese Regierung fällt, dann wird er wirklich schuldig sein, diese Regierung zum Ende zu bringen. Ich glaube wirklich nicht, dass wir Neuwahlen haben werden.

    Heckmann: Die Co-Sprecherin der europäischen Grünen-Partei, Monica Frassoni, war das hier live im Deutschlandfunk. Frau Frassoni, danke Ihnen für das Gespräch.

    Frassoni: Arrivederci.


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