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Frau gegen König und Gott

Die Zusammenarbeit mit Düsseldorf im Bereich Oper funktioniert vorbildlich im Duisburger Kulturbetrieb. Die "Deutsche Oper am Rhein" arbeitet mit einer Direktion und zwei Häusern, einem Ensemble und zwei Orchestern. Am Freitagabend gab es in der Stadt mit dem größten Binnenhafen Europas die Verdi-Oper Nabucco in einer Inszenierung von Christopher Alden zu sehen.

Von Christoph Schmitz | 10.11.2007
    Im Duisburger Nabucco ist am Ende keiner froh. Keiner hat gesiegt, alle haben verloren. Verloren wirken die Beteiligten schon von Anfang an. Wer gut ist und wer böse, lässt sich nicht mehr ausmachen. Auch das biblische Spiel von den armen frommen Juden um 600 vor Christus, als der böse baalgläubige Babylonier Nebukadnezar, also Nabucco, Jerusalem überrollte und Israel versklavte, ist in Duisburg in den Hintergrund getreten. Sklaven sind sie alle, Sklaven ihrer Ängste und ihrer Herrschsucht.

    Und heimatlos sind sie, sowohl die Juden, wie die Assyrer. Ihre Völker sind in Duisburg zu einem Menschenvolk der Unbehausten verschmolzen. Sie sind die anonyme Masse vereinzelter Zeitgenossen, die um das Dach über dem Kopf fürchten, den Job, die materielle Absicherung. Die Orte ihres Lebens sind die kahlen Plätze der Großstadt, beleuchtet vom kalten Licht riesiger Straßenlampen. Ihre Wege werden von mobilen Absperrungen markiert. Der New Yorker Paul Steinberg hat die entzauberte Gegenwartsimmobilie präzise gestaltet. Zum Ausruhen dienen nur noch Möbellager. In Duisburg sieht und hört man die kümmerlichen Phobien des in den Strudel von Materialismus und Globalisierung geratenen Westens.

    Aber wenn sich diese versklavten Leute von heute nach Rettung, nach Befreiung und Glück und Frieden sehnen, dann wird da nicht die große Utopie angesteuert oder eine wie auch immer geartete heilsame Vision, ein humanistisches Projekt. In der Inszenierung des ebenfalls aus New York stammenden Regisseurs Christopher Alden haben alle nur die kleine Sicherheit vor Augen, das spießige Arbeitnehmerglück mit 35-Stunden-Woche, Mittelklassekombi und Mallorcastrand.

    Am Ende halten sie in den Händen ihre Idole in die Höhe, die Fotos von Reihenhäuschen. Das ist die brave neue Welt, in der Nabucco heute angekommen ist. Christopher Alden hat ihre Mickerigkeit karg und streng und juxfrei dargelegt. Und die kleinen Leute, die Menschen draußen im Lande sind da nicht besser als die finanzstarken Macher. Nabucco, seine Tochter Abigaille und Zaccaria sind nicht mehr die großen Gegenspieler im Kampf um Freiheit. Sie sind engstirnige und herrschsüchtige Menschen, die sich nur noch als Unternehmer definieren und als Unternehmer nur noch an Profitmaximierung denken. Nur die stille Tochter Nabuccos, Fenena, und ihr Geliebter, der Typ von der Konkurrenz, Ismaele, durchschauen die lumpige Sehnsucht. Sie können dem Lauf der Ereignisse aber nur machtlos zuschauen.
    Dass sich in Christopher Aldens gesellschaftskritischem Spiegel niemand gerne anschaut, ist verständlich. Entsprechend ablehnend reagierte gestern Abend das Publikum mit lautem Unmut. Zum Mitleiden und Mitfiebern bei der Erhebung gegen eine böse kapitalistische Welt, die alles unterjocht, lud die Inszenierung nicht ein. Entsprechend nüchtern nahm man die hitzigen Arien und pathetischen Chöre auf.

    Die Sänger lieferten dazu ordentliches Handwerk. Besonders schön allerdings die Fenena der Laura Nykänen. Der Dirigent John Fiore ließ die Duisburger Philharmoniker kräftig zupacken, vermied aber alle Ironie, dunkelte die Kirmesklänge der Partitur ein, meinte es vielleicht mit dem Klamauk des Blechs etwas zu ernst, schwenkte also auf den Ernst der Inszenierung ganz ein. So ging man etwas trübsinnig aus der Oper und sah in den leeren Einkaufsstraßen der Stadt immer nur die kahle Bühne von Nabucco.