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Frauen-Boxen soll olympisch werden

Als Jacques Rogge im Juli 2001 IOC-Präsident wurde, hat er die Neuordnung des Olympischen Programms als eines seiner Hauptziele angegeben. Doch auf diesem Gebiet ist er bislang gescheitert. 2002 verwehrte ihm die IOC-Session in Mexiko die Unterstützung und vertagte eine Entscheidung. Drei Jahre später wurden in Singapur zwar Softball und Baseball ausgeschlossen - doch kam keine neue Sportart hinzu. Das soll sich in diesem Jahr ändern.

Von Jens Weinreich | 13.04.2009
    Das Olympische Programm ist so etwas wie die Quadratur des Kreises. Allein schon der Zeitplan für die winzige Programmreform in diesem Jahr wurde immer wieder geändert.

    Die Basisdaten der Sommerspiele:

    - Zunächst ein kleiner Abstecher in die olympische Geschichte: Bei den Spielen der Neuzeit wurden seit 1896 insgesamt 40 verschiedene Sportarten ausgetragen, weitere 20 waren Demonstrationssportart.

    - Für London 2012 sind nur 26 Sportarten zugelassen. Nachdem im vergangenen Jahr in Peking Baseball und Softball zum vorerst letzten Mal olympisch waren.

    - Für die Sommerspiele 2016 wird wieder auf 28 Sportarten aufgestockt. Um die zwei Plätze bewerben sich sieben Weltverbände: Softball, Baseball, Squash, Rugby, Inlineskating, Karate und Golf. Sie alle haben einflussreiche Fürsprecher und werden von namhaften PR-Agenturen betreut.

    Die Entscheidung über die zwei neuen Sportarten fällt in diesem Jahr so:

    - Im Mai trifft sich die IOC-Programmkommission in Lausanne. Sie schlägt dem Exekutivkomitee zwei Sportarten für 2016 vor.

    - Im Juni dürfen sich die sieben Bewerber der IOC-Regierung präsentieren.

    - Im August fällt das Exekutivkomitee auf seiner Sitzung in Berlin die Vorentscheidung und schlägt der Session zwei Sportarten vor.

    - Im Oktober entscheidet die IOC-Session in Kopenhagen mit einfacher Mehrheit.

    Wenigstens ist diesmal ein peinliches Durcheinander wie 2005 in Singapur ausgeschlossen, als erst Squash und Karate für die Spiele 2012 nominiert wurden - dann aber in einem zweiten Wahlgang an der nötigen Zweidrittelmehrheit scheiterten. Es war auch eine Niederlage für IOC-Präsident Jacques Rogge, der schon 2002 in Mexiko an den Besitzstandswahrern im IOC gescheitert war.

    Im Prinzip hat Rogge also seit 2001 kaum etwas erreicht - außer, dass vor zwei Jahren die Regeln geändert wurden, um die Aufnahme neuer Sportarten etwas leichter zu machen. Gilbert Felli, Exekutivdirektor des IOC für Olympische Spiele:

    "Ich denke nicht, dass wir uns noch am selben Punkt bewegen wie 2001. Auf jeden Fall haben wir sehr viel gelernt. Es war wirklich etwas unübersichtlich auf diesen beiden Sessionen. Jetzt sind die Regeln geändert und es reicht die einfache Mehrheit. Die Regeln sind einfacher geworden."

    Wirklich einfach ist aber nur die Aufnahme neuer Disziplinen in den aktuellen olympischen Sportarten. Hier hat das IOC-Exekutivkomitee die Entscheidungsgewalt. Für London 2012 sieht es sehr danach aus, als sollte Frauenboxen aufgenommen werden. Ching-Kuo Wu aus Taiwan, Präsident des Box-Weltverbandes AIBA, ist selbst IOC-Mitglied. Die AIBA hat bisher fünf Frauen-Weltmeisterschaften durchgeführt und behauptet, in 120 Ländern auf fünf Kontinenten, würden Frauen leistungssportlich boxen.

    Wu bringt zwei Hauptargumente vor. Erstens:

    "Boxen ist derzeit die einzige olympische Sportart ohne Frauen-Wettbewerbe. Wir hoffen, dass Frauen-Boxen ins Programm kommt, erst dann haben wir richtige Olympische Spiele. Frauen und Männer in jeder olympischen Sportart."

    Das zweite Argument der AIBA dürfte ebenfalls vom IOC goutiert werden. Denn die Sommerspiele sind auf insgesamt 10.500 Athleten begrenzt. Die Boxer verlangen keinen größeren Anteil an Aktiven.

    "Wir wollen unser Kontingent nicht aufstocken, wir wollen nicht mehr Sportler bei den Spielen. Wir reduzieren die Männer-Wettbewerbe von elf auf zehn. Wir wollen dafür fünf Frauen-Wettbewerbe mit jeweils acht Boxerinnen. Das sind dann insgesamt 40. Und damit erfüllen wir die wichtigste Anforderung des IOC. Ich denke, wir haben eine gute Chance, dass das IOC darauf eingeht."

    Die AIBA hat gute Karten, zumal Wu als Reformer gilt, der in dem korruptionsverseuchten Verband aufgeräumt hat. Einer Belohnung durch die Exekutive steht nichts im Wege.

    Ob jedoch die IOC-Session den Vorschlägen zur Aufstockung des Programms auf 28 Sportarten folgt, ist keinesfalls gewiss. Gilbert Felli:

    "Ich persönlich hoffe ja, dass sich etwas tut auf der Session in Kopenhagen. Aber zur Not haben wir ja, wie sie wissen, dann auch noch unseren Olympischen Kongress. Und ich hoffe, dass da noch einige Vorschläge für das Olympische Programm eingebracht werden. Das ist der richtige Platz dafür, das sollte alles dort geklärt werden."

    Das Problem allerdings, und darauf hat Rogge erst kürzlich hingewiesen: der Olympische Kongress fällt keinerlei Entscheidungen. Es wird nur ein bisschen diskutiert. Wenn die Programmvorschläge von der Session nicht akzeptiert werden, passiert erst wieder in vier Jahren etwas.