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Frauen in ländlichen Gebieten

Ina Tabor steuert mit dem Traktor ihren Bauernhof an. Sie kommt vom Gemüsefeld. Auf dem Pritschenhänger stapeln sich Wirsingblätter. Die gelernte Dreherin mit den kurzen stoppeligen Haaren und schmaler Brille hat zur Gärtnerin umgeschult. Zusammen mit zwei weiteren Frauen führt sie die Bäuerinnen GbR, einen Landwirtschaftsbetrieb der im brandenburgischen Buchholz liegt, einer 260 Seelengemeinde, 65 km östlich von Berlin.

Von Stephan Haufe | 18.10.2004
    Wir haben uns spezialisiert auf Brokoli, Fenchel und Rote Beete, weil das der Großhandel abnimmt.

    Die Auswahl der Gemüsearten auf den Feldern umfasst aber nicht nur absatzträchtige Spezialkulturen, sagt Stephanie Kratzsch:

    S’ sind vierzig verschiedene Kulturen, und ich ziehs meistens andersrum auf, so dass ich sag, bei uns gibt’s selber keinen Spargel, keinen Chicoree und keine Schwarzwurzel. Vom Prinzip her wirklich alles, Zuckermais, Salat, Feldsalat, Radieschen, Grünkohl, Patison, Pastinaken, Lauch, was gibts noch… Gurken, alles so…

    Stephanie Kratzsch gehört zu den Teilhaberinnen des reinen Frauenbetriebs - eine Frau von großer, kräftiger Statur, mit dunklen, kurzen Haaren, "etwas nach Land aussehend", wie sie sich selbst beschreibt. Ihr Blick schweift über 37 ha Anbaufläche. Davon sind rund 600 Quadratmeter mit Folie überdacht.

    Jede Woche werden für 300 Haushalte Abonnement - Kisten mit Gemüse und Obst bestückt, zwei Großhändler für ökologische Nahrungsmittel, mehrere Wochenmärkte und Bioläden in Berlin versorgt. Mittlerweile beschäftigt der Landwirtschaftsbetrieb 2 Angestellte, eine Saisonkraft und eine Auszubildende. Stephanie Kratzsch:

    Also das war eigentlich unser Ding, wie wir angefangen haben, wir wollten keine Arbeitgeberinnen sein, wir wollten eine Gruppe von gleichberechtigten Frauen sein, die hier zusammen den Betrieb machen.

    Entstanden ist der Frauenbetrieb 1991 aus der Idee einer gleichberechtigten Frauen-Kooperative. Hier in Buchholz konnten die damaligen Gründerinnen einen Bauernhof günstig pachten.
    Die Nähe zu Berlin bot der Frauen-Kooperative einen vielversprechenden Absatzmarkt. Die Arbeitsorganisation der Frauenkooperative sah vor, alle Entscheidungen gemeinsam im Konsens zu fällen. Immer montags auf dem Plenum, wo alle zusammensaßen: die Gesellschafterinnen, Angestellten, Auszubildende und Praktikantinnen. Einheitslöhne unterstrichen das gemeinschaftliche Organisationsprinzip. Schließlich wollten die Frauen nicht nur einen ökologischen Hof führen, sondern auch einen Kontrapunkt gegen die üblichen Geschlechterrollen in der Landwirtschaft setzen.

    Der traditionelle Weg ist ja eigentlich, man heiratet nen Bauern, kriegt drei Kinder und macht dann Kühe, Kälber und die Küche und die Kinder noch, vier K’s waren das. Und das sollte nicht so sein...

    Auch in der Ausbildung wollten sie ihrem Grundsatz treu bleiben, wie Stephanie Kratzsch erzählt:

    Wir alle hatten immer die Erfahrung, in unseren Betrieben wo wir waren, die männlichen Lehrlinge müssen auf den Schlepper und die weiblichen Lehrlinge müssen halt in' Kuhstall. ...Und das war uns ganz wichtig, das das anders geht.

    Mittlerweile wird der anerkannte ökologische Landwirtschaftsbetrieb nicht mehr kooperativ geleitet. Dazu führte vor allem der wirtschaftliche Druck, der schnelle Entscheidungsstrukturen erfordert. Auf jeden Fall bewährt, hat sich das Prinzip einer ausschließlich weiblichen Belegschaft, wie Angela Neugeboren bilanziert. Als eine von zwei Angestellten koordiniert sie den Gemüseanbau.

    Ich hab im Laufe der Jahre schon dazu gelernt, Sachen, um die ich mich früher nicht kümmern brauchte..., wir reparieren was zu reparieren geht, wir lassen hier keinen Schlosser kommen, für 'nen Ölwechsel oder Luft aufzupumpen, wir machen alles was irgendwie geht, und jede Frau kann irgend was besonders gut.