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"Frauen müssen bessere Expertinnen beim Geld werden"

Der Bundesverband alleinerziehende Mütter und Väter (VAMV) hat die vorgesehenen Neuerungen im Scheidungsrecht begrüßt. Geschäftsführerin Peggi Liebisch sagte, es sei vor allem für Frauen wichtig, bereits zu Beginn der Ehe das Thema Finanzen auf den Tisch zu bringen und einen Vertrag abzuschließen. Viele Frauen seien noch immer nicht genau darüber informiert, was ihr Mann im einzelnen verdiene.

Moderation: Silvia Engels | 20.08.2008
    Silvia Engels: Das Familienrecht war in den vergangenen Monaten schon mehrfach Thema im Kabinett. Meist ging es dann um Fragen, wer bei einer Trennung nach einer Ehe oder einer langjährigen Partnerschaft wie viel Unterhalt bekommt. Heute brachte die Regierung eine Regelung auf den Weg, die ganz andere Aspekte betrifft, denn es geht ausschließlich um das Vermögen und den Zugewinn, die im Verlaufe einer Ehe entstanden sind.

    Welche Folgen hat diese Reform des Zugewinnausgleichs in der Praxis? - Dazu wollen wir sprechen mit Peggi Liebisch. Sie ist die Bundesgeschäftsführerin des Verbandes der Alleinerziehenden Väter und Mütter. Viele Alleinerziehende haben die Erfahrungen und Folgen einer Ehe schließlich hinter sich. Guten Tag, Frau Liebisch.

    Peggi Liebisch: Guten Tag, Frau Engels.

    Engels: Scheidungen - beginnen wir also der Reihe nach - sollen finanziell betrachtet gerechter vonstatten gehen und das beginnt damit, dass beispielsweise beide Partner das Recht bekommen sollen, nun auch in die Belege über die Finanzen des anderen zu schauen. Ein guter Beschluss?

    Liebisch: Ja. Das ist zum Beispiel ein Punkt, dass wir den Frauen schon zu einem viel früheren Zeitpunkt raten, dass sie sich die Belege ihrer Männer mal angucken, wenn sich eine Scheidung praktisch schon andeutet, dass sie sie vielleicht sogar duplizieren, einfach um einen Nachweis zu haben.

    Engels: Sie gehen also davon aus, dass tatsächlich diese Reform vor allen Dingen den Frauen zugute kommen wird?

    Liebisch: Davon gehen wir aus. Bisher sind es ja die Frauen, die auch bei Scheidungen in der Regel den Kürzeren ziehen. Schulden sind angesprochen worden. Aber generell bringen Frauen wie schon gesagt wurde sowieso weniger Vermögen und auch weniger Einkommen in die Ehe ein.

    Engels: Bislang galt ja der Zeitpunkt der Scheidung als der Termin, der für die Ermittlung des gemeinsamen Vermögens zu Grunde gelegt werden soll. Nun soll schon der Antragseingang für die Scheidung gelten. Damit will man verhindern, dass Vermögen verschleiert, versteckt wird. Wird das funktionieren?

    Liebisch: Ja, das ist ein guter Beschluss. Das bedeutet ja auch, wenn die Männer dann auch Bescheid wissen, dass es zur Scheidung kommt, dass sie nicht mehr praktisch ungehindert ihr Vermögen irgendwie verprassen können, nur um es nicht der Ex-Partnerin dann zur Verfügung zu stellen. Wir halten das für sehr wichtig. Wichtig ist aber auch, dass die Frauen einfach schon auch zum früheren Zeitpunkt, etwa schon zum Ehebeginn das Gespräch Finanzen auf den Tisch bringen.

    Engels: Das geschieht zurzeit zu wenig?

    Liebisch: Ja. Wir haben es gehört: nur neun von zehn Ehen haben keinen Ehevertrag. Man sollte, wenn man heiratet, sich über viele Dinge auseinandersetzen, unter anderem eben auch, wie man Vermögen oder Einkommen teilt, wenn man sich wieder trennt. Da sollte man einen Vertrag machen. Dann ist das geregelt und im Streitfall kommen die hässlichen Sachen nicht auf den Tisch.

    Engels: Die hässlichen Sachen kommen nicht auf den Tisch nach Ihrer Beratungspraxis. Passiert das denn recht häufig, dass tatsächlich so viel Vermögen entweder verprasst oder versteckt wird?

    Liebisch: Das ist unser Hauptproblem. Wir kennen das von den Unterhaltsverpflichtungen für die Kinder. Wir haben ja ein neues Unterhaltsrecht. Das neue Unterhaltsrecht sorgt aber jetzt nicht dafür, dass mehr Unterhalt gezahlt wird. Das Hauptproblem im Unterhaltsrecht ist, dass die Väter - es sind in der Regel Väter - ihr Vermögen oder Einkommen verschleiern, beziehungsweise nicht regelmäßig zahlen. Das heißt, der Hauptstreitpunkt ist immer das Geld, auch wenn es um die Kinder geht.
    Die Kinder stehen ja hier gar nicht zur Debatte, sondern hier geht es um die Frauen. Es sind die Frauen und die Männer, die sich streiten, und da ist ganz klar, dass das Geld auch an erster Stelle der Streitfälle steht. Wir haben fast bei allen Scheidungen den Streit ums Geld.

    Engels: Den Streit ums Geld, sagen Sie, Frau Liebisch. Nun geht es hier ja um Vermögenswerte, die erwirtschaftet wurden. Auf der anderen Seite wird ja auch immer wieder als Problem genannt, dass sich gerade selbständige Männer, die in der Mehrheit in der Tat offenbar mehr Geld verdienen, auch über die Steuer Möglichkeiten haben, sich arm zu rechnen. Kann man denn hier auch etwas tun?

    Liebisch: Selbständige sind und werden ein Problem bleiben, weil die auch nur Jahre danach oft ihre Einkommensnachweise bringen und weiterhin durch das komplexe Steuersystem, das wir haben, in der Lage sind, Einkommensbestandteile irgendwohin zu stecken, wo sie schwer aufzutreiben sind. Dennoch: Beim Thema Schulden, denke ich, ist es wichtig, was jetzt neu geregelt wird, weil viele Alleinerziehende, viele Geschiedene Schulden mit in ihr Alleinerziehen mitnehmen, und da kommen sie nur ganz schlecht wieder herunter.

    Engels: Sie bringen Schulden in das Alleinerziehen mit. Jetzt geht es in dieser Regelung ja auch darum, dass frühere Schulden, die schon in die Ehe eingebracht wurden, nicht mehr aufgeteilt werden, sondern dann stärker bei dem verbleiben, der sie gemacht hat. Wird das den Menschen helfen?

    Liebisch: Das wird den Frauen helfen. Es sind in der Regel auch die Frauen, die Verantwortung für die Schulden der Männer übernehmen. Es ist meistens so, dass Frauen Bürgschaften übernehmen, dass sie sich an dem Schuldenabbau beteiligen. Von daher wird auch die Regelung den Frauen nützen.

    Engels: Was vermissen Sie denn bei dem Gesetz? Bislang waren Sie ja voll des Lobes.

    Liebisch: Wir sind voll des Lobes. Es ist für Frauen auf jeden Fall von Vorteil. Frau Zypries hat erkannt, dass Frauen bei Scheidungen den Kürzeren ziehen, wenn es um Geld geht. Vermissen tun wir insofern eigentlich nichts. Von Gesetzgeberseite muss das nur noch mal begleitet werden, ein Hinweis an die Beratungspraxis. Das ist ein Feld, das wir ja ausfüllen. Das heißt, Frauen müssen über Finanzen, finanzielle Angelegenheiten besser Bescheid wissen. Sie müssen über Möglichkeiten Bescheid wissen, dass sie Eheverträge machen sollen. Das heißt, sie müssen einfach bessere Expertinnen beim Thema Geld werden, auch in Bezug auf ihre Männer.

    Engels: Bislang, sagen Sie ja auch, sprechen die Frauen häufig oft genug nicht darüber. Haben Sie denn eine Erklärung dafür?

    Liebisch: Sie sind unsicher. Das liegt zum Teil daran, dass sich das ganze System auch sehr kompliziert darstellt, vielleicht auch daran, dass die Männer nicht offen darüber reden. Es ist in vielen Fällen noch Tabuthema, auch in der Ehe. Viele Frauen wissen gar nicht, was ihre Männer verdienen. In vielen Ehen gibt es verschiedene Konten. Da ist die Frage also: Wie offen wird die Beziehung geführt und wie selbstbewusst geht auch eine Frau in eine Ehe hinein beim Thema Finanzen.

    Engels: In der Praxis gibt es allerdings auch häufig das Problem, dass man versucht, sich friedlich zu einigen, möglicherweise auch noch Verständnis für den Ehepartner zeigt, um nicht dann eben den Konflikt über Kinder auszutragen. Und das ist ja oftmals ein Grund, weshalb Frauen zurückzucken.

    Liebisch: Das ist richtig. Frauen geben praktisch um des Friedens Willen schon mal klein bei. Aber letztlich haben sie dann jahrelang das Nachsehen und sie haben das Nachsehen dann noch für ihre Restfamilie, weil in der Regel sind sie ja dann diejenigen, die mit den Kindern zusammenleben. Da sollten die Frauen im eigenen Interesse konstruktiv streitfähig sein. Es ist sowieso nicht schön, diese Scheidung durchzuziehen, und atmosphärisch wird das sowieso schwierig. Aber gerade beim Thema Geld, da sollten sie dran bleiben. Das ist auch das, was unser Verband bei den Frauen immer einfordert.

    Engels: Peggi Liebisch. Sie ist die Bundesgeschäftsführerin des Bundesverbandes Alleinerziehender Väter und Mütter. Ich bedanke mich für das Gespräch.