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Frauenfußball-Bundesliga
Wie der Frauenfußball von den Männern profitieren kann

Am kommenden Wochenende startet die Bundesliga der Frauen. Mit dem 1. FFC Frankfurt und Turbine Potsdam arbeiten dann zwei weitere traditionsreiche Frauenteams mit Männervereinen zusammen. Diese Kooperationen können viele Vorteile schaffen - finanziell, strukturell und für die Transferpolitik.

Von David Freches | 30.08.2020
Spielerinnen im Trikot von Eintracht Frankfurt laufen sich warm
Der 1. FFC Frankfurt hat mit Eintracht Frankfurt einen Fusionsvertrag unterschrieben und ist nun Teil der Eintracht (picture alliance / Carlotta Erler)
Am Sonntag noch die Champions League, am Freitag wieder Bundesliga - das ist die Arbeitswoche für die Frauen des VfL Wolfsburg. Nur fünf Tage nach dem Finale eröffnen sie die neue Bundesliga-Saison. Ein Zeichen dafür, dass die Frauen die Corona-Pandemie bis hierhin gut gemeistert haben. Zwar musste die Liga im März für rund drei Monate aussetzen, doch finanzielle Schieflagen habe es bei keinem Club gegeben, teilt der DFB auf Anfrage mit.
Größere Ausbrüche in den Vereinen sind ebenfalls nicht bekannt. Auch für Nationalspielerin Johanna Elsig von Turbine Potsdam ist es ein Erfolg, dass die Saison letztlich relativ problemlos zu Ende gespielt wurde. "Grundsätzlich glaube ich, dass das wichtig war für die Vereine, die Saison auch zu Ende zu spielen, um auch diese weitere Saison, die jetzt kommt, gewährleisten zu können."
Zwei Traditionsvereine kooperieren mit Männerklubs
Damit startet die Liga in eine Saison, in der sich für die zwei Traditionsklubs Turbine Potsdam und den ehemaligen 1.FFC Frankfurt grundsätzliche Dinge ändern. Beide arbeiten seit diesem Sommer mit Männervereinen zusammen. Die Potsdamerinnen kooperieren mit Hertha BSC. Diese Zusammenarbeit gilt seit Juni und sichert dem Verein zunächst für drei Jahre finanzielle Unterstützung und damit einen wichtigen Anteil am Saisonetat. "Ich glaube, dass die Kooperation Turbine grundsätzlich gut tut."
Sportlich relevant ist für die Turbinen, dass sie die medizinische Abteilung der Hertha nutzen können, dass Trainingsinhalte ausgetauscht werden und Spezialtraining auf verschiedenen Positionen - wie etwa im Tor - grundsätzlich möglich ist. Die nicht-sportlichen Aspekte betreffen gemeinsame Auftritte bei Veranstaltungen, um auch mit dem Namen der Hertha für den Frauenfußball-Standort Potsdam zu werben. Die Gefahr, dass Turbine durch die Zusammenarbeit kurz vor dem 50. Geburtstag einen Teil seiner Identität verliert, besteht laut Verteidigerin Johanna Elsig nicht. "Dadurch, dass wir unsere eigenen Trikots haben, wir haben weiterhin unseren eigenen Namen, wir haben weiterhin unsere Selbstständigkeit, wir haben weiterhin unser Gelände, wir haben unser Stadion."
1.FFC ist Geschichte - und jetzt Teil der Eintracht
In Frankfurt ist das anders. Die Vereine haben Mitte Juni einen Fusionsvertrag unterschrieben, sprich: Der 1.FFC ist Geschichte und jetzt ein Teil der Eintracht. Auf dem Platz treten die Frankfurterinnen zur neuen Saison als Eintracht auf, Trikots mit dem Adler inklusive. Laut Stürmerin Theresa Panfil würden die Spielerinnen davon natürlich auch profitieren. "Sei es durch individualtaktische Schulungen oder im Athletik-Bereich oder sonstiges, einfach weil wir da vom Wissen unserer Trainer profitieren können."
Durch ein größeres Trainerteam und mehr Betreuer sowie Funktionäre ergäben sich auch andere Möglichkeiten zur Trainingsgestaltung mit neuen Analysetools. Natürlich habe auch der FFC schon professionelle Strukturen gehabt, "jedoch können wir jetzt auch von den bereits vorhanden Strukturen der Eintracht profitieren, weil wir uns um nichts Gedanken machen müssen und ein Team hinter dem Team haben, dass uns vollends unterstützt."
Spielerin Elsig: "Es ist einfach einiges leichter"
Die Änderungen werfen auch die Frage auf, ob ein Frauenverein letztlich von Profi-Strukturen der Männer abhängig ist, wenn er erfolgreich sein will. Belege für diese These gäbe es einige: national mit den wechselnden Bundesliga-Meistern VfL Wolfsburg und Bayern München oder international mit dem europäischen Dauer-Champion Olympique Lyon sowie den weiblichen Vertretungen des FC Barcelona oder Manchester City und Arsenal London.
Nationalspielerin Johanna Elsig will dem allerdings nur bedingt zustimmen. Grundsätzlich müsse es keinen Männerverein im Hintergrund geben, um Titel mitzuspielen. "Auf der anderen Seite glaube ich aber schon, dass es definitiv ein Vorteil sein kann, weil man - es ist einfach einiges leichter. Ob das jetzt um das Finanzielle geht, ob es um die Möglichkeiten geht zu trainieren, um die Bedingungen und so weiter - das kann vieles einfacher machen."
In Frankfurt ist die Meinung dazu allerdings eine andere. Dort heißt es sinngemäß: Es geht nicht ohne Männervereine. Auf Anfrage teilt der Verein mit: "Im heutigen Frauenfußball spielen fast ausschließlich Männerlizenzvereine oben mit - unser Champions-League-Titel 2015 war wahrscheinlich der letzte Sieg eines eigenständigen Frauenfußballklubs. Die Kooperation mit einem Männerverein ist vor allem deswegen sinnvoll, um den Frauenfußball dort unterzubringen, wo die besten Strukturen und Möglichkeiten bestehen."
Dieser Meinung ist auch Dietmar Ness. Der Spielerinnenberater und Manager sagt: Durch eine Fusion ergäben sich finanziell andere Möglichkeiten für die Vereine - auch in der Transferpolitik. In Frankfurt habe man erkannt, "dass es wichtig ist, dass man in einen Lizenzverein integriert wird, um es wieder zu ermöglichen, dass auch Topspielerinnen verpflichtet werden."
DFB-Präsident Keller fordert Unterstützung der Frauen
In einer Sache sind sich Johanna Elsig und Theresa Panfil aber einig - der deutsche Frauenfußball könne grundsätzlich optimistisch in die Zukunft schauen - unter einer Bedingung, wie Elsig formuliert: "Wenn sich die Männerfußballvereine wirklich ins Zeug legen, dass sie sagen, wir unterstützen die Frauen so sehr, wir wollen, dass sie auch Erfolg haben, und wenn der DFB, beziehungsweise die komplette Liga, es schafft, den Frauenfußball weiterhin gut zu vermarkten und immer populärer zu machen."
Eine solche Unterstützung für die Frauen hatte DFB-Präsident Keller vor knapp einem Jahr von den Männervereinen gefordert. Schalke 04 hat dazu bereits eine Frauenfußball-Abteilung gegründet und startet künftig mit einem Team in der Kreisliga B. Auch Borussia Dortmund hat 2019 angekündigt, ein Frauenfußball-Konzept erstellen zu wollen und dazu eine entsprechende Arbeitsgruppe gegründet. Deren Ergebnisse würden frühestens gegen Jahresende vorgestellt.