Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Frauenmuseum Bonn
Beethoven und die Frage nach den Frauen

Das Bonner Frauenmuseum wirft im Jubiläumsjahr einen weiblichen Blick auf Beethoven. Die Ausstellung weist vor allem auf das Leben der Frauen im späten 18. Jahrhundert hin. Außerdem werden von 50 Künstlerinnen ganz unterschiedliche aktuelle Arbeiten über den Komponisten gezeigt.

Von Henning Hübert | 03.02.2020
    Denkmal am Münsterplatz in Bonn: der Komponist und Pianist Ludwig van Beethoven angestrahlt vor abendlichem Himmel.
    Eine weitere Perspektive auf Beethoven: die neue Ausstellung „Eleonore, Emilie, Elise – Beethoven und die Frage nach den Frauen“ in Bonn (imago images/Werner Otto)
    Ein Altstadtpanorama, gemalt auf große Leinwände, eröffnet die Bonner Ausstellung. Bonn in den 1770er-, 80er-Jahren, mit intakten Fachwerkshäusern, der Rheingasse, dem Giertor. Alles heute nicht mehr so existent, nach den Weltkriegsbomben 1944. Ein paar Pflastersteine aber sind erhalten, über die hinweg Museumschefin Marianne Pitzen die Besucherinnengruppe führt:
    "Nicht stolpern! Das sind hier echte Steine aus dem Hof von Beethovens Haus. Der Hof war öfters unter Hochwasser, und sie mussten dann aus dem Fenster klettern. Na, das kennen die Rheinbewohner noch heute."
    Nachbau der Küche der van Beethovens
    Ein paar Dachziegel-Trümmer und ein Kellerfenster-Rest gibt es auch noch vom Haus Rheingasse Nummer 7, wo Ludwig van Beethoven von 1776 bis 1785 aufwuchs, nach dem Wegzug aus dem berühmten Geburtshaus in der Bonngasse. Das Frauenmuseum hat daneben die Küche der van Beethovens nachgebaut: mit Töpfen, Herd und Geschirr. So soll die Leistung der Hausfrauen für die Ernährung der Familien hervorgehoben werden, im kurfürstlichen Bonn Ende des 18. Jahrhunderts.
    In den Augen der Kuratorin der Bonner Ausstellung, Bettina Bab hatte Beethovens Mutter, Maria Magdalena Keverich aus Ehrenbreitstein, ein überdurchschnittlich schweres Leben. Mit 17 verheiratet, mit 18 verwitwet, dann erneut mit dem Musiker und Trinker Johann van Beethoven verheiratet. Vermutlich zog sie über die Verbindung zu einer ihrer Kusinen nach Bonn, weil die schon mit einem anderen Bonner Hofkapell-Musiker verheiratet war.
    "Dann hat sie noch sieben Kinder bekommen. Und insgesamt haben nur drei überlebt, die also erwachsen wurden. Und so ein Leben mit Verlusten, das finde ich sehr tragisch. Und die Familie musste oft umziehen - wahrscheinlich aus finanziellen Gründen, also sie musste sehr sparsam sein. Wenn ich irgendwo in einer Biografie über Beethoven gelesen habe, seine Mutter wurde immer mit Handarbeit gezeigt, das muss die ja wohl sehr geliebt haben, dann ist das eine seltsame Interpretation, denn sie musste natürlich die Kleidung der Familie selber herstellen und alles reparieren und stopfen. Das wird nicht unbedingt eine Leidenschaft gewesen sein."
    Das Leben der Frauen im späten 18. Jahrhundert in Bonn
    Allgemein auf das Leben der Frauen im späten 18. Jahrhundert in Bonn hinzuweisen, das ist das Hauptanliegen des Frauenmuseums in diesem ersten, historischen Teil der Ausstellung "Eleonore, Emilie, Elise - Beethoven und die Frage nach den Frauen". Erst kam zu dieser Zeit die Hausarbeit, danach die Mutterrolle. Bei den van Beethovens half dabei wenigstens zeitweilig ein Dienstmädchen mit.
    Zwar taucht eine Eleonore im Titel der Bonner Ausstellung auf, und auch der Salon der von Breunings wird kurz thematisiert. Hier unterrichtete Beethoven die nur zwei Jahre jüngere und von ihm umschwärmte Klavierschülerin Eleonore von Breuning. Allgemein ist zu lernen, dass Salon samt Bibliothek für viele Mädchen dieser Zeit oft die einzige Bildungsmöglichkeit war. Besuchten im Bonn ums Jahr 1790 doch nur 60 Prozent aller Mädchen eine Schule.
    Beim Thema Hebammenwesen in dieser Zeit fehlt leider ein wichtiger Hinweis: Zwar lernt man, dass der Bonner Medizinprofessor Franz Georg Wegeler ein wichtiges Entbindungslehrbuch für Hebammen schrieb, dass ohne Fremdwörter auskam. Im Frauenmuseum aber unerwähnt bleibt, dass Ludwigs Klavierschülerin und Freundin Eleonore ausgerechnet diesen engen Beethoven-Freund Wegeler heiratete, der wie Beethoven nach Wien abwanderte und mit dem er ein Leben lang Briefe austauschte.
    Elise als Chiffre für die Dauerverliebtheit Beethovens zu den Frauen
    Auch zur Frage, wer denn nun die berühmte Elise war, für die das berühmte Klavierstück entstand, steuert das Frauenmuseum trotz des Ausstellungstitels nichts bei. Elise dient allein als Chiffre für die Dauerverliebtheit Beethovens zu den Frauen. Daher ist auch das Klavierstück omnipräsent auf der gesamten oberen Etage - dominiert neben Mondschein- und Waldsteinsonate die Klanginstallationen der ausstellenden Künstlerinnen.
    Ulrike Filgers nennt ihre Auseinandersetzung per Videoclip "Piano Girl - über Beethoven und Zombies." Sie fragt, warum Beethovens Klavierstücke Schlüsselrollen zukommen, in Kinderbiografien ebenso wie in den berühmten Computerspielen Fortnite und Resident Evil:
    "Na ja, das ist die klassische Situation: Kleines Mädchen lernt Klavierspielen, widerwillig. Ist ziemlich mürrisch, stolpert durch die Sonaten, durch Elise, durch Mondschein. Und endet im Computerspiel. Weil: Es gibt jede Menge Computerspiele, die mit Beethoven-Musik versehen sind, die wichtig sind. Zum Beispiel, wenn man eine geheimnisvolle Tür öffnen will. Zum Beispiel bei Resident Evil muss man die Mondscheinsonate korrekt spielen, um eine bestimmte Tür zu öffnen. Oder bei Fortnite - ist ein Action-Survival-Shooter. Und da gibt es ein Riesen-Piano. Und da kann man drauf rumspringen, man kann drauf rumschießen und man kann tanzen. Und so: Die Zombies sind überall und Beethoven ist auch überall."
    Ulrike Reutlinger (links) und Kim Kluge vor ihren Beethoven-Werken im Bonner Frauenmuseum
    Ulrike Reutlinger (links) und Kim Kluge vor ihren Beethoven-Werken im Bonner Frauenmuseum (Deutschlandradio/Henning Hübert)
    Beethovens weibliche Seite
    Insgesamt kreisen 50 Videokünstlerinnen, Bildhauerinnen und Malerinnen in aktuellen Arbeiten um den Komponisten. Ihr Lieblingsobjekt Beethoven erscheint oft in zarten Farben. Auch bei Kim Kluge. Die Synästhetikerin stellt in ihren vielfarbigen Drucken Beethovens weibliche Seite heraus. Sie setzt in zwei abstrakten Bildern auf neue Attribute, anstelle vom Männlichkeitskult mit den aus Beethovens Musik angeblich herausströmenden Naturgewalten, mit dem absoluten Gehör und dem mächtigen musikalischen Ausdruck trotz Ertaubung. Sie überlagert das alte Beethovenbild mit Linien aus hellem Gelb und zartem Rosa:
    "Beethoven habe ich in Bordeauxrot, Dunkelbraun, Schwarz, also sehr mächtig dargestellt. Und später erst, in etlichen Auseinandersetzungen mit der Musik ist mir aufgefallen, dass Beethoven nicht nur das war. Er war eben auch dieser weibliche Anteil, der aber nicht wahrgenommen wurde. Und das finde ich besonders spannend an diesem Komponisten."
    Vor Wildes Bildern stehen von Rike Reutlinger zwei Beethovenköpfe aus hellem Ton. Konkrete Kunst. Außerdem wird von dieser Künstlerin ein Kammermusikabend am Internationalen Frauentag gestaltet werden. Mit Musik von Emilie Mayer. Die 1812 geborene Komponistin wurde einst als weiblicher Beethoven bezeichnet, ist heute jedoch nahezu vergessen. Damit sich daran was ändert, wird das Bonner Frauenmuseum in einer Konzertreihe mit dem kühnen Titel "Beethovens Töchter" das gesamte Jubiläumsjahr über Musik von Frauen aufführen - durch Frauen natürlich.