Donnerstag, 28. März 2024

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Frauenquote
"Den Weg in den Aufsichtsrat strategisch planen"

Ab 2016 sollen mindestens 30 Prozent der Aufsichtsratsposten in börsennotierten Unternehmen mit Frauen besetzt werden. Die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin liefert dazu eine Weiterbildung: Denn für einen Job im Aufsichtsrat fehle es den Frauen nicht an fachlicher, sondern an strategischer Kompetenz, sagte Karin Reichel im DLF.

Karin Reichel im Gespräch mit Regina Brinkmann | 26.11.2014
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    Als Frau wird man selten gefragt, auch wenn man gut ist. (dpa/picture alliance/Wolfgang Kumm)
    "Dieses Gesetz ist ein wichtiger Schritt für die Gleichberechtigung, denn er wird auch einen Kulturwandel einleiten in der Arbeitswelt. Wissen Sie, wenn es an der Spitze eines Unternehmens keine Gleichberechtigung gibt, wer glaubt denn daran, dass es für den Rest der Mannschaft dann Gleichberechtigung gibt?"
    Regina Brinkmann: Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig heute Morgen im Deutschlandfunk zur vereinbarten Frauenquote für die Aufsichtsräte. Nach den Plänen der Großen Koalition müssen ab 2016 also mindestens 30 Prozent der Aufsichtsratsposten in weit über 100 börsennotierten Unternehmen mit Frauen besetzt werden. Das Gesetz soll im Dezember auf den Weg gebracht werden.
    Und schon bevor klar war, in welche Richtung die Bundesregierung in der Quotenfrage steuert, hat die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin in diesem Jahr eine neue berufsbegleitende Weiterbildung für Frauen angeboten, die sie auf diese Führungsaufgabe vorbereitet. Karin Reichel hat diese Fortbildung konzipiert. Frau Reichel, laufen Ihnen die Bewerberinnen für diese Weiterbildung inzwischen die Bude ein, weil sie bald bessere Chancen haben, einen Job im Aufsichtsrat zu bekommen?
    Karin Reichel: Ja. Ob es damit zusammenhängt, weiß ich jetzt nicht ganz genau. Also, wir hatten ja 2014 unseren Pilotdurchlauf und da hatten wir schon mehr Bewerbungen, als wir annehmen konnten an Teilnehmerinnen. Wir haben jetzt tatsächlich auch noch mehr Interessentinnen für 2015. Ob das allerdings am Gesetz liegt oder doch an der Mund-zu-Mund-Propaganda durch unsere Teilnehmerinnen, die durchweg zufrieden waren, kann ich jetzt nicht ganz genau sagen.
    Brinkmann: Was müssen Frauen denn noch lernen, damit sie in den Aufsichtsrat vorrücken können?
    Reichel: Wir haben uns ja auf die Fahnen geschrieben die strategische Kompetenz für Frauen in Aufsichtsräten, weil wir gesagt haben, es mangelt in der Regel nicht an der fachlichen Kompetenz, sondern vielleicht eher … Wobei man sagen muss, es gibt ja nicht die Frauen, aber wenn, dann doch eher an den strategischen Kompetenzen, nämlich einmal die Karriere strategisch zu planen, mit Ziel Aufsichtsrat, und auch den Weg in den Aufsichtsrat strategisch zu planen. Weil das ja sehr intransparente Nominierungsprozesse sind. Und sich in diesen intransparenten Nominierungsprozessen durchzusetzen ist eben keine leichte Aufgabe.
    Brinkmann: Ja, und wie lernen die das, sich da durchzusetzen eben?
    Reichel: Einmal lernen sie bei uns, bekommen sie mit das Handwerkszeug für die Arbeit in einem Kontrollgremium. Also die juristischen und die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse, um die geht es natürlich auch. Aber sie lernen eben auch einmal natürlich, für sich zu klären, was habe ich zu bieten, also, wo würde ich passen und wo möchte ich auch hin. Also, wirklich ganz gezielt nicht darauf zu warten, dass durch Zufall sich irgendwas ergibt, sondern eben ganz klar zu überlegen, wo möchte ich hin und wen muss ich kennenlernen, um eben in diese Kreise zu kommen, wo dann letztendlich die Entscheidungen getroffen werden?
    Brinkmann: Mentoring, Coaching speziell für Frauen gibt es ja auch schon in anderen Bereichen, um Frauen den Weg in die Spitze zu ebnen. Warum haben gerade Frauen da immer Nachhilfebedarf?
    Reichel: Frauen, wie gesagt, es gibt nicht die Frauen. Aber viele denken, wenn sie gute Arbeit leisten, werden sie sozusagen irgendwann mal entdeckt und dann auch gefragt. Frauen brauchen nämlich weniger Mentoren, eher Sponsoren, also, sie brauchen eher jemanden, der sich für sie einsetzt und der ihnen dann tatsächlich auch zu einem besseren Posten oder eben zu einem Aufsichtsratsmandat verhilft. Und da sind Frauen häufig doch etwas bescheidener als Männer und denken, wenn ich gute Arbeit leiste, dann sieht es irgendwann jemand und fragt mich. Und das passiert aber eben nicht automatisch.
    Auch Defizite in den Unternehmen
    Brinkmann: Vielleicht haben aber auch die Unternehmen Nachhilfebedarf. Wenn ja, wo?
    Reichel: Ja, genau darin, nämlich zu schauen, welche Potenziale sind vorhanden, und diese Potenziale auch zu nutzen. Also, die Aussage, es geht in Unternehmen nur um Leistung, stimmt eben nicht. Also, es werden eben nach wie vor eher die Ähnlichen, die einem selber ähnlichen Männer befördert als die Frauen. Weil die eben zum Teil weniger klappern. Und das gehört eben zum Geschäft.
    Brinkmann: Und das haben jetzt 27 Frauen bei Ihnen gelernt, sie haben diese Weiterbildung durchlaufen, die sie jetzt fit machen soll für den Job im Aufsichtsrat. Wie geht es für die Absolventinnen jetzt weiter, was liegt noch vor ihnen?
    Reichel: Ja, das haben wir in diesem Jahr, das hinter uns liegt, an vielen Stellen besprochen. Die eigentliche Aufgabe beginnt natürlich nach der Weiterbildung, weil die Frauen sich jetzt eben genau darüber … Sie haben es auch schon gemacht, also, viele haben sich schon auf den Weg gemacht, auch während der Weiterbildung. Aber sie müssen sich eben überlegen, was habe ich zu bieten, für welche Unternehmen, für welche Kontrollgremien ist genau mein Kompetenzprofil interessant und wo möchte ich auch hin? Also, welche Unternehmen möchte ich unterstützen im Kontrollgremium? Und dann genau diese … zu gucken, wo sind die Entscheider, die eben in diesen Aufsichtsräten sitzen, und wie komme ich an die ran? Und wie mache ich mich bekannt und bringe meinen Namen einfach ins Spiel, wenn es um die Besetzung geht?
    Brinkmann: Denn offizielle Ausschreibungen, haben wir ja gerade gehört, gibt es nicht. Aber es gibt ja Headhunter. Kommen die jetzt auf Sie zu, weil Sie natürlich jetzt gerade vielleicht potenzielle Kandidaten ausgebildet haben?
    Reichel: Ja. Also, wir sind sehr gut vernetzt auch in die Praxis. Es war immer unser Ziel, dass wir nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern eben auch praxisorientiert arbeiten. Und wir haben uns mit Headhuntern vernetzt, wir haben da schon Kontakte geknüpft. Es ist jetzt nicht so, dass ich jeden Tag einen Anruf bekomme, aber ich denke schon, dass unsere Teilnehmerinnen auf jeden Fall interessant sind.
    Brinkmann: So weit Karin Reichel von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Sie macht Frauen fit für den Aufsichtsrat.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.