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Frauensport
Eine Geschichte erzählen und Stars schaffen

Die "Bad Boys" sind vielen ein Begriff für die Männer-Handball-Nationalmannschaft. Dass sich die Frauen "Ladies" nennen, weiß kaum einer. Ein Beispiel, wie man viele finden könnte. Frauensport ist in Deutschland, vor allem in den Mannschaftssportarten in einer Nische. Warum hat er es so schwer?

Von Matthias Friebe | 23.12.2017
    DFB-Präsident Theo Zwanziger , Nationalspielerin Ariane Hingst, OK-Präsidentin Steffi Jones und DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach halten in Frankfurt am Main nach einer Pressekonferenz zum Ticketverkauf für die FIFA Frauenweltmeisterschaft 2011 in Deutschland einer überdemensionales Ticket in den Händen.
    OK der Frauenweltmeisterschaft 2011 (dpa / Marius Becker)
    Über 70.000 Zuschauer sind im ausverkauften Berliner Olympiastadion, als der damalige Bundespräsident Christian Wulff die erste Frauen-Fußball-WM auf deutschem Boden eröffnet. Fünf Jahre nach dem an gleicher Stelle das Weltturnier der Männer stattfand, jetzt die große Bühne für die Frauen.
    "Diese tolle Kulisse hier im Olympiastadion in Berlin, die kann bei den Männern nicht besser sein. Das muss man sagen", frohlockt Fußballfan Angela Merkel. Zu den insgesamt 32 Spielen kommen im Schnitt 26.400 Zuschauer in die Stadien, das ist gerade einmal halb so viel wie bei der Männer-WM zuvor.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel schaut das Finale der FIFA-Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland. 
    Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der FIFA-Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland (imago sportfotodienst)
    Das liegt aber auch daran, dass nicht in den ganz großen Arenen in Dortmund und München gespielt wird, sondern in Leverkusen, Augsburg oder Sinsheim. Live dabei kann man aber auch von zu Hause sein und zwar zum ersten Mal bei allen Spielen einer Frauen-WM.
    ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky musste dafür in den Chefetagen seines Senders ordentlich kämpfen: "Einige Direktoren in der ARD haben mich für bekloppt erklärt und haben gesagt: 'Bist Du wahnsinnig geworden?' Da habe ich gesagt: 'Nee. Wenn wir das ernst nehmen und wenn wir unseren Auftrag ernst nehmen, dann ist das genau das Beispiel, wo wir das machen können.' Und am Ende hat diese Frauen-WM funktioniert."
    Keine Frauen in Führungspositionen
    Und das obwohl die deutsche Mannschaft als Titelverteidiger überraschend im Viertelfinale ausscheidet und das Finale im Vorfeld nicht als Straßenfeger gilt. "USA-Japan. Da hatten wir 15 Millionen Zuschauer. Das heißt aber nicht, dass das danach so bleibt, das muss man klar sagen. Die Frauen-Länderspiele werden heute von 10-12 % geschaut, bei Europameisterschaften und Weltmeisterschaften steigt es deutlich an", erklärt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky.
    Man habe sich aber bewusst dafür entschieden, auch weiter die Länderspiele zu zeigen, weil man dies auch als gesellschaftliche Aufgabe verstehe. Was Gleichstellung angeht ist es im Sport nicht anders als in Wirtschaft und Gesellschaft. In Führungsposition finden sich kaum Frauen. Genau eine sitzt im Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes.
    Wie kann sich Frauensport entwickeln?
    Genau wie bei den Handballern, wie Mark Schober, der Vorstandsvorsitzende des DHB beinahe peinlich berührt zugibt: "Bei uns im Verband haben wir jetzt eine Frau im Präsidium, es gibt eine Quotenregelung. Da sind wir noch weit weg von einem sinnvollen Ziel. Das vertrete ich auch ganz offen."
    Und so setzt er, wie er auf dem Podium der Deutschlandfunk-Sportkonferenz im November sagt, auf Veränderungen in der Gesellschaft, auch wenn die wohl noch Jahrzehnte dauern werden: "Dann wird sich auch der Frauensport in Deutschland entwickeln, weil er insgesamt ja, das kann man über alle Mannschaftssportarten sagen – Beachvolleyball vielleicht jetzt nicht, aber alle anderen Sportarten – deutlich zurückstehen muss."
    Kira Walkenhorst (R) and Laura Ludwig jubeln und schwenken eine Deutschlandflagge, nachdem sie Gold im Beachvolleyball gewonnen haben.
    Kira Walkenhorst (r.) and Laura Ludwig haben bei den Olympischen Spielen in Rio die Goldmedaille im Beach-Volleyball gewonnen. (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    Beach-Volleyball ist eines der Paradebeispiele für Frauensport, der sich großer Aufmerksamkeit und Beliebtheit erfreut. Das liegt nicht zuletzt an den Erfolgen von Laura Ludwig und Kira Walkenhorst, vor allem durch ihren Olympiasieg 2016 in Rio de Janeiro. Trotz nachtschlafender Zeit in Deutschland einer der Quotenhits bei den Spielen in Brasilien.
    Über mangelnde Quoten müssen sich auch die Wintersportlerinnen nicht beklagen. Dort sind viele der Sportarten nahezu gleichauf, das gilt auch für die Übertragungszeit im Fernsehen. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky: "Im Biathlon oder Ähnliches sind die erfolgreichen Übertragungen ganz oft die der Frauen gewesen, weil die in den letzten Jahren eben Persönlichkeiten herausgebildet haben mit Magdalena Neuer und vielen anderen."
    Aufmerksamkeit generieren
    Persönlichkeiten bekanntmachen. Eine Geschichte erzählen und so Stars schaffen, eines der Ziele immer wieder von Verbänden, um die Aufmerksamkeit für ihre Sportart zu generieren. Bestens zu beobachten erst vor wenigen Wochen. Heim-Weltmeisterschaft der Handballerinnen.
    Wenige Tage vor dem Eröffnungsspiel sagte Kapitänin Anna Loerper im Deutschlandfunk-Sportgespräch: "Der Frauenhandball kennt es ja nicht anders, dass wir eher eine Randsportart sind, das öffentliche Interesse nicht ganz so groß ist. Es wäre natürlich schön, dass Gesichter nach der hoffentlich erfolgreichen WM mehr in der Öffentlichkeit stehen. Ich denke, das ist die Chance dieser WM, dass die Frauen-Handball-Sparte mehr publik wird."
    Deutschlands Svenja Huber (l.) und Friederike Gubernatis freuen sich über den Sieg gegen Südkorea bei der Handball-WM in Leipzig. 
    Deutschlands Svenja Huber (l.) und Friederike Gubernatis freuen sich über den Sieg gegen Südkorea (dpa / Hendrik Schmidt)
    Man will dem Publikum zeigen, dass auch der Frauenhandball eine attraktive Sportart ist, über Leidenschaft, Herz und Kampfgeist die Fans erreichen. Nach der WM das ernüchternde Fazit.
    Zwar wurde jedes Spiel der "Ladies", wie sie sich selbst nennen, im Spartenkanal Sport1 gezeigt. Zur Übertragung im öffentlich-Rechtlichen Fernsehen, das mit dem Halbfinale eingestiegen wäre, ist es aber nicht mehr gekommen. Aus im Achtelfinale.
    Schwer aus der Nische herauszukommen
    Und damit auch keine Chance für das vor dem Turnier ausgegebene Mantra. Bekanntwerden durch die Heim-WM: "Das heißt natürlich aber auch für uns, dass wir das am einfachsten über Erfolg lösen können." Und so wird es auch in den nächsten Jahren sehr schwer, Frauenhandball zu etablieren und aus der Nische herauszukommen.