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Fraunhofer-Forscher
Holzspäne reinigen kontaminiertes Wasser

Giftig, stabil und schwer wieder aus der Umwelt zu entfernen: Perfluorierte Tenside sind der Albtraum jedes Ökotoxikologen. In der Nähe von Bitburg sind sie in das Grundwasser geraten – und das wohl schon über Jahre hinweg. Fraunhofer-Forscher haben zusammen mit einer Firma aus Essen ein Verfahren entwickelt, mit dem sich die Stoffe entfernen lassen.

Von Arndt Reuning | 26.02.2015
    Giftig, stabil und schwer wieder aus der Umwelt zu entfernen. Perfluorierte Tenside sind der Albtraum jedes Ökotoxikologen. In der Nähe von Bitburg sind sie in das Grundwasser geraten – und das wohl schon über Jahre hinweg. Die Tenside stammen vermutlich von einer ehemaligen US-Airbase, wo sie als Bestandteil von Löschschaum zum Einsatz kamen. Fraunhofer-Forscher haben zusammen mit einer Firma aus Essen ein Verfahren entwickelt, mit dem sich die Stoffe aus der Umwelt entfernen lassen.
    Eine Lagerhalle steht in Flammen. Brennbare Chemikalien in ihrem Inneren haben Feuer gefangen. Gelöscht werden sie mit einem speziellen Schaum. Ein wichtiger Bestandteil darin sind perfluorierte Tenside, kurz PFT. Sie sorgen dafür, dass sich der Schaum wie ein dichter Teppich über die brennbare Flüssigkeit legt und ihr so den Sauerstoff raubt, sagt der Chemiker Stefano Bruzzano vom Fraunhofer UMSICHT in Oberhausen.
    "Für alle Brände braucht man diese Löschmittel nicht, das muss man einschränkend dazu sagen. Sondern für spezielle sind es sehr effiziente Additive, um eine effiziente Löschmittelwirkung einzustellen."
    Allerdings geraten die chemisch stabilen Tenside auf diese Weise in die Umwelt, wo sie sich im Laufe der Zeit ansammeln können – im Boden, im Grundwasser, im Körper von Menschen und Tieren. Und das ist bedenklich, denn viele dieser Substanzen gelten als giftig. Belastete Böden sollten daher abgetragen und entsorgt werden. Einfacher ist es, wenn die Tenside ins Wasser gelangt sind, weiß Annette Somborn-Schulz, ebenfalls vom Fraunhofer UMSICHT.
    "Wenn diese Substanzen im Wasser vorliegen, kann ich mit Adsorbentien arbeiten. Das eigentlich bekannteste Adsorbens ist Aktivkohle, die eigentlich immer dazu eingesetzt wird. Die ist allerdings für die etwas kürzerkettigen perfluorierten Tenside nicht so gut geeignet, sie hat also eine relativ schlechte Effizienz gegenüber den kürzerkettigen perfluorierten Tensiden."
    Tenside, die eine kürzere Kette aus Kohlenstoff und Fluor tragen, gelten als Ersatzstoffe für längerkettige PFT, die mittlerweile nur noch sehr eingeschränkt verwendet werden dürfen. Kurzkettige PFT scheidet der menschliche Körper zwar deutlich schneller aus, aber in der Umwelt sammeln sich die synthetischen Substanzen trotzdem an. Deshalb hat das Fraunhofer-Team sich nach alternativen Adsorptionsmitteln umgesehen – und zwar in der Natur.
    "Holz und Hanfstängel. Wir haben Brennnesselstängel getestet. Und die besten Erfolge haben wir dann mit Holz erreicht."
    Die Chemikerin schraubt eine Plastikflasche auf und lässt sich den Inhalt in die geöffnete Hand riesel: Kleine Holzspäne, fast wie Sägemehl. Das Holz fungiert als Trägermaterial. Auf seiner Oberfläche sind Chemikalien verankert, die dabei helfen, die perflourierten Tenside aus dem Wasser zu fischen.
    "Das sind eigentlich handelsübliche Chemikalien, die auch aus der Papierindustrie her bekannt sind und die bestimmte Eigenschaften haben – die halt perfluorierte Tenside ganz gern mögen und sich dem dann anlagern."
    Das kontaminierte Grundwasser muss nur noch durch eine Filteranlage gepumpt werden, die mit dem Material gefüllt ist. Haben die Holzspäne dann die unerwünschten Tenside gebunden, können sie bei hohen Temperaturen verbrannt werden. Dabei werden auch die Schadstoffe zerlegt.
    Ortswechsel: Essen, ein Labor bei der Cornelsen Umwelttechnologie GmbH. Neun blaue Plastikkanister sind hier aufgestapelt; jeder von ihnen fasst rund 25 Liter Wasser.
    "Das sind Kanister, in denen Kunden uns ihre Wässer schicken, das sind Wässer aus unterschiedlichen Quellen, aufgrund von Brandschadensereignissen entstandene Grundwässer, die belastet sind, es sind Wässer aus Deponien und so weiter."
    Der Geschäftsführer Martin Cornelsen arbeitet mit seinem Team an der praktischen Umsetzung des Verfahrens aus Oberhausen. Dafür verzichtet er jedoch auf die Holzspäne als Trägermaterial und gibt stattdessen die Chemikalien, die an die PFT binden, direkt in das belastete Wasser hinein. Mit den Tensiden zusammen bilden diese biologisch abbaubaren Fällungsmittel feine Flöckchen, die zu Boden sinken.
    "Das vielleicht noch im Wasser verbliebene Restflöckchen, das kleine Flöckchen, das nicht gerne sedimentiert, das wird noch abfiltriert. Und die nicht ausgefällten, verbliebenen, geringen Konzentrationen an PFTs, die können dann in einer Nachreinigungsstufe, zum Beispiel mit Aktivkohle, entfernt werden, wobei dann diese Nachreinigungsstufe nur mit geringen Restkonzentrationen beaufschlagt wird und somit sehr kosteneffizient und technisch wirksam dann arbeiten kann."
    Und so sei es dann möglich, bis zu 95 Prozent der perfluorierten Tenside aus dem Wasser zu entfernen.