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Frei vernetzt

Öffentliche Drahtlosnetze, die flächendeckendes und kostenloses mobiles Surfen erlauben, sind in Deutschland Exoten. Mit gutem Beispiel voran gehen immerhin das von Freiwilligen betriebene Freifunk-Netz in Berlin und das städtische WLAN MobyKlick in Norderstedt.

Von Jan Rähm | 06.07.2013
    Eigentlich ist der Aufbau des Freifunk-Netzes in Berlin einem technischen Irrtum geschuldet. Denn eigentlich sollte der Ausbau mit der OPAL-Technik Deutschlands Osten zukunftsfähig mit digitalen Kommunikationsnetzen abdecken. Aber es kam anders. DSL via Kupferleitung setzte sich durch und die OPAL-Gebiete hatten das Nachsehen. So auch der Osten Berlins. Dort wohnt die Netzwerk-Programmiererin Elektra Wagenrad.

    "Wir hatten nur ISDN. Und dann gab es diese gloriose Zeit, wo alle Internet-Flatrates gekündigt wurden, die über ISDN liefen und dann saßen wir hier quasi so digital abgeschnitten. Und so gab es dann eben die Idee, schon alleine um Internetbreitbandversorgung für uns selber sicherzustellen, Freifunknetze aufzubauen. Also erstmal mit WLAN Funkstrecken aufzubauen und aus den Kiezen, die so glücklich waren, das A-DSL zu bekommen, uns die Breitbandgeschwindigkeit zu holen."

    Seit über zehn Jahren bauen die Freiwilligen des Projekts "Freifunk" öffentliche WLAN-Netze auf. Teils aus der Not heraus ohne Internetanschluss zu sein, teils aus Lust am Experimentieren und Programmieren. Heute gibt es Freifunk-Netze in der ganzen Republik. Und auch über die Grenzen Deutschlands hinweg hat sich die Idee weiterverbreitet. Die kostenlose Internetversorgung ist dabei allerdings nur ein Faktor des Erfolges.

    "Mittlerweile gibt es immer mehr Leute, die sich dafür halt begeistern - grade in dem Umfeld mit Zensur und Überwachung. Also viele Leute, die ebenso auf Freiheit pochen und ihre demokratischen Rechte verteidigen wollen, setzen das ein. Viele sehen das auch als eine soziale Funktion. Freifunk hat sich als Idee etabliert und es entstehen immer mehr solche Netze im Augenblick, obwohl man die jetzt einfach nur um Bandbreite zu haben, zumindest in den Metropolen immer weniger braucht."

    In den Städten selbst trifft die Initiative auf großen Zuspruch. In Berlin, erzählt Elektra Wagenrad, gab es nie Widerstände seitens der Politik.

    "Im Gegenteil. Man war eigentlich immer ganz begeistert und immer ganz angetan. Es ist halt auch so: Der Friedrichshainer Süden hatte ja einen echten Standortnachteil früher, dadurch, dass es hier kein schnelles Breitband gab. Also welches Unternehmen, welche kreativen Leute siedeln sich in einem Stadtteil an, wo es eben diese Zugänge gar nicht gibt. Von daher sind Leute, die solche Infrastruktur also in einem demokratischen Sinne aufbauen, im Prinzip schon willkommen."

    Auch andere Orte haben den Wert eines öffentlich zugänglichen Drahtlos-Netzwerks erkannt. Zum Beispiel die Stadt Norderstedt in der Nähe von Hamburg. Dort haben der örtliche Breitbandanbieter Wilhelm Tel und der Oberbürgermeister vor wenigen Wochen den Start des flächendeckenden WLANs "MobyKlick" bekanntgegeben. Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote begründet den Schritt so:

    "Also die Frage nach Infrastruktur einer Stadt ist nicht mehr begrenzt auf Kanäle, Straßenbeleuchtung und Straßenbelag, sondern auf moderne Kommunikation - Thema Heimarbeitsplätze etc . - das ist eine der wichtigsten Infrastrukturen, die heute eine Stadt vorhalten muss."

    Bis Ende des Jahres sollen Norderstedts Straßen und Plätze flächendeckend mit dem kostenlosen Hochgeschwindigkeitszugang ins Internet abgedeckt sein. Möglich wird das dadurch, dass der stadteigene Breitbandanbieter Norderstedt nahezu lückenlos mit Glasfaser-Leitungen ausgebaut hat. Und so halten sich auch die Kosten für das Projekt in einem überschaubaren Rahmen, sagt Wilhelm-Tel-Geschäftsführer Theo Weirich.

    "Wir haben 160 Millionen in den letzten 14 Jahren mit Hamburg und Norderstedt investiert. Norderstedt vielleicht die Hälfte oder weniger als die Hälfte. Das Wireless-LAN-Netz hier aufzubauen, kostet uns knapp unter einer Million - also noch weniger als eine Million. Und das ist verschwindend gering, für den Nutzen, den es uns bringt, denn wir verkaufen damit ja auch Dienste."

    Trotz des Erfolges beider Projekte gab es ein Thema, mit dem sich beide herumplagen mussten: Die Störerhaftung. Sie behindert noch immer den Aufbau frei nutzbarer Netze.