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Frei vom Ruch des Flamencos

Andrés Segovia hat die Gitarre zurück in die Konzertsäle geholt. Er gilt als der bedeutendste Gitarrist des 20. Jahrhunderts. Am 21. Februar 1893 wurde er in Andalusien geboren.

Von Georg-Friedrich Kühn | 21.02.2008
    Andrés Segovia spielt Bach. Bach in eigenen Transkriptionen, das gehörte zum Stammrepertoire des großen spanischen Gitarristen. Bach auf einer Gitarre zu spielen, hatte vor ihm niemand gewagt. Dabei hat Bach selber Vieles für Laute komponiert und später für andere Saiten-Instrumente umgeschrieben. Segovia kümmerte sich lediglich um Rückübertragungen, wie er einmal beim Gastspiel in Berlin erläuterte:

    "Er [Bach] hat viele Stücke komponiert für Laute, und die hat er später für seine Kinder übertragen auf Cello oder Violine Solo."

    Bach, das war für Segovia die Seele der Musik. Bei seinen ersten Auftritten in den internationalen Musikzentren - 1924 Paris, 1928 New York - spielte er immer auch Bach. Pablo Casals, der bedeutende Cellist und Bach-Verehrer, hatte ihm das Entrée in Paris verschafft, Fritz Kreisler, der Wiener Meistergeiger, das in New York. Eher einem Träumer denn einem Star meinte ein Kritiker in Segovia dort später auf der Bühne zu begegnen:

    "Er gehört zu der sehr kleinen Gruppe von Musikern, die durch ihre Imagination, durch ihre Intuition, eine ganz eigene Kunst entwickeln, ihr Instrument gleichsam zu transzendieren."

    Am 21. Februar 1893 wurde Andrés Segovia im andalusischen Bergbau-Städtchen Linares geboren; er wuchs auf in Granada, der Stadt der Mauren-Burg Alhambra, der Gitarren und des Flamenco. Der Vater war Jurist, wollte, dass auch der Sohn Jura studiert. Der aber interessierte sich nur für die Gitarre, wie er sie in einer nahe gelegenen Werkstatt entdeckt hatte. Mehrere Instrumente zerbrach der Vater dem Sohn - der aber ließ nicht los von seiner Leidenschaft.

    Autodidaktisch eroberte er sich die vom Vater als "Zigeuner-Instrument" verachtete Gitarre. Mit 14 gab er sein erstes Konzert in Granada. Es folgten Auftritte in den großen Städten Spaniens, in Südamerika und in der ganzen Welt. Segovia war der erste Gitarrist, der große Konzertsäle füllen konnte – und das mit einem so intimen Instrument. Skeptikern antwortete er mit der Anekdote über einen Professor, den ein Student im Hörsaal nicht gut verstehen konnte:

    "Schön, sagte der Professor, dann will ich etwas leiser sprechen."

    Segovia perfektionierte die Spiel-Technik und die Körperhaltung beim Spiel, er trug auch bei zur akustischen Optimierung der Gitarre. Wie sein Vorbild Francisco Tarrega bevorzugte er Instrumente mit großem Korpus. Nach dem Krieg ließ er sich von einem Chemiefaser-Produzenten Saiten aus Nylon entwickeln, bei denen der Ton leichter ansprach.

    Zu einem Konzertinstrument adelte Segovia die Gitarre auch dadurch, dass er moderne Tonsetzer von Villa-Lobos bis Castelnuovo-Tedesco zu Neukompositionen inspirierte. Namhafte Schüler folgten ihm, wie Julian Bream oder John Williams. Zahlreiche Ehrungen wurden Segovia zuteil. Der spanische König erhob ihn 1981 in den Adelsstand. Anders als Pablo Casals hatte Segovia auch während der Franco-Diktatur Spanien nicht gemieden. Er starb 1987 in Madrid, 94-jährig.
    Drei Ziele hatte er einmal formuliert: Die Gitarre vom Ruch des Flamenco zu befreien, ihr ein neues Repertoire und dafür ein großes Publikum zu verschaffen. Alles drei glückte ihm. Besonders stolz war er, auch den Beatles ein paar Zuhörer abgeknapst zu haben.