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Freier Eintritt in Museen?

Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus Dieter Lehmann, hat dem von "Zeit"-Redakteur Hanno Rauterberg gefordeten generellen freien Eintritt in Museen eine Absage erteilt. Sinnvoller wäre es, das Museum als Lernwerkstatt zu begreifen. Nach Lehmanns Ansicht sind museale Begleitprogramme insbesondere für Kinder und Jugendliche sinnvoller als Gratis-Besuche.

Moderation: Christoph Schmitz | 31.01.2008
    Christoph Schmitz: Klaus Dieter Lehmann ist Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Brauchen die Museen denn nicht das Eintrittsgeld, um ihre Arbeit mit zu finanzieren?

    Klaus-Dieter Lehmann: Ja, wir benötigen tatsächlich die Eintrittsgelder. Ich will nur mal ein Beispiel sagen. Wir haben in Berlin 2006 auf 2007 einen 20-prozentigen Zuwachs an Besuchern gehabt. Das heißt, insgesamt haben wir fünf Millionen Besucher gehabt, und das bedeutet, wir haben tatsächlich von den öffentlichen Geldern, die wir ausgeben, verdienen wir fast 40 Prozent über den Eintritt. Wenn der wegfallen würde, könnten wir gar nichts mehr machen. Es müsste also, wenn freier Eintritt kommt, müsste unser Unterhaltsträger diese Mittel zur Verfügung stellen.

    Schmitz: Das sind vielleicht die Berliner Verhältnisse. Herr Rauterberg sagt, dass die Eintrittsgelder nur fünf bis zehn Prozent im Schnitt der Kosten für die Museen decken.

    Lehmann: Ja, aber da muss Rauterberg wirklich ein bisschen von seiner sehr abstrakten Sichtweise weg. Man muss Eintrittsgelder sehr differenziert sehen. Ich sage Ihnen mal die Beispiele, wie wir das gemacht haben. Bei uns haben grundsätzlich Kinder und Jugendliche bis 16 freien Eintritt. Und die lassen wir aber nicht nur zur Tür hinein, sondern wir machen richtig Begleitprogramme damit. Wir machen eine Publikumsbindung in ganz früher Zeit. Und dann ist diese Situation, die Rauterberg schildert, dass nur die Akademiker und dann die Arbeiter nicht, die ist dann aufgehoben, weil wir hier mit den Schulen ganz eng zusammenarbeiten. Oder wir haben einen freien Donnerstag. Oder wir haben Jahreskarten, wo eine Jahreskarte nur 40 Euro kostet für das ganze Jahr für alle Museen. Insofern zeigt sich, man muss sehr genau hinschauen. Sind es große Häuser, die sehr attraktiv von Touristen besucht werden, oder sind es kleine Häuser, wo man tatsächlich sehr differenziert sehen kann, ist dann der Aufwand größer als der Gewinn. Wenn man so vorgeht, dann kann man durchaus Modelle von Eintrittsfreiheit propagieren, aber man muss es immer vor einem konkreten Hintergrund machen.

    Schmitz: Diese Zahlen, die Rauterberg nennt, die kommen vom Institut für Museumskunde, also das sind eruierte, wissenschaftlich fundierte Zahlen durch Umfragen. Wenn man im Schnitt zu diesen Zahlen kommt, die Rauterberg nennt, dann muss man doch sagen, dass es vermutlich viele Museen in Deutschland gibt, die so kalkulieren, also mit relativ niedrigen Eintrittsgeldern. Das heißt an die der Appell, lasst die Leute kostenlos rein, weil diese fünf Prozent kriegen wir auch anders wieder rein.

    Lehmann: Man muss Statistik als Statistik sehen, und man muss aber auch Strukturen betrachten. Bei Eintrittsgeldern muss man immer sehr stark auf Zielgruppen gehen. Das bedeutet, die Museen sind eigentlich eher aufgefordert, wirkliche Programme zu machen für den Bereich, der prägend ist. Das ist der Programmbereich Kinder und Jugendliche. An den muss man sich wenden. Da sollten wirklich alle Städte nachdenken, gebt für die Kinder und Jugendlichen bis 16 frei von einem Tag auf den anderen. Denn dann haben wir erlebt, dass die Kinder beim nächsten Besuch ihre Eltern mitbringen, den Großvater mitbringen. Wir haben überhaupt keine Einbußen im Eintrittsgeld gehabt, wir haben aber mehr Benutzer gehabt, weil die Kinder diejenigen waren, die das Museum wirklich entdecken konnten.

    Schmitz: Aber dennoch, es gibt ja die anderen Beispiele. In London werden die großen staatlichen, städtischen Museen kostenlos angeboten. In Paris zum Teil auch, Stockholm hat anscheinend einen Rückzieher gemacht mit fatalen Folgen, wie wir gehört haben. Sind das nicht ermutigende Beispiele, das heißt, es könnte organisatorisch durchaus möglich sein?

    Lehmann: Sage ich Ihnen was zu. London: In London ist tatsächlich ein freier Eintritt propagiert worden aus politischen Gründen. Man hat gesagt, das ist ein Programm für die Bevölkerung. Was man in London nicht gemacht hat, ist, dass man die Eintrittsgelder, die ausgefallen sind, durch die Etaterhöhung ersetzt hat. Was bedeutet es? Sie haben im British Museum tatsächlich von jedem Tag auf den anderen bestimmte Abteilungen geschlossen, weil sie nicht mehr betrieben werden können aus der Etatsituation. Also man muss dann schon das ganze Bild sehen. Freier Eintritt als politische Forderung ist gut, aber es muss das Museum in den Stand versetzt werden, seine Aufgabe dann wirklich als Bildungsauftrag zu erfüllen.

    Schmitz: Das heißt, müsste man die Politik dazu aufrufen, die Museen frei zu machen?

    Lehmann: Da ist die Adresse.

    Schmitz: Es ist in der Politik die Rede vom Linksruck der politischen Kultur in Deutschland, nach den Hessenwahlen allemal. Wäre die Forderung des eintrittsfreien Museums in dieser Situation nicht gut vorstellbar?

    Lehmann: Das ist das, was ich vordergründige Politik nenne. Was ich als Bildungspolitik ansehen würde, wäre wirklich etwas substantielleres, dass man sich das Museum als eine Lernwerkstatt vorstellt, die früh beginnt, die nicht einfach nur sagt, wir machen die Türen auf, dann wird sich das schon richten. Wir brauchen ein diskursives Museum, weil einfach die Schulen bislang den Bildungsauftrag in dieser Weise nicht erfüllen, und das Museum muss mit der Schule gemeinsam wirklich in die Bildung hineingehen.