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Freihandel gegen Freilassung

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch will ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU abschließen. Nun mehren sich Gerüchte, dass die inhaftierte kranke Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko das Land verlassen darf. Damit wäre die höchste Hürde zur Unterzeichnung des Abkommens genommen.

Von Sabine Adler | 09.10.2013
    Kommt jetzt der Durchbruch im Fall Julia Timoschenko? Sollte beim Präsidententreffen in Krakau erreicht worden sein, was Jahre zuvor auf den verschiedenen Kanälen erfolglos versucht worden war? Die EU-Sonderbeauftragten Alexander Kwasniewski und Pat Cox haben den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch um die Begnadigung der berühmten Gefangenen gebeten und zugleich der kranken Ex-Regierungschefin die Behandlung in Deutschland angeboten. Sie hat eingewilligt. Ginge es nach dem ehemaligen polnischen Außenminister Adam Daniel Rotfeld, hätte es der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch nie soweit kommen lassen dürfen.

    "Er willigte aus innenpolitischen Gründen nicht in die Freilassung ein, dabei hätte er ihre Krankheit doch zum Anlass nehmen können, das Problem zu lösen. Das hätte ihm geholfen, sein Gesicht zu wahren."

    Janukowitsch ist der Getriebene, der doch alle Möglichkeiten zu handeln hatte, wie im Fall des einstigen Innenministers Juri Luzenko aus der Timoschenko-Regierung. Er wurde im April begnadigt. Timoschenko würde im Fall einer Freilassung nicht in Deutschland um Asyl bitten. Unwahrscheinlich ist bislang außerdem, dass ihr mit der Begnadigung eine 145-Millionen-Dollar-Strafe erlassen würde. Unklar ist zudem, ob sie bei der Präsidentschaftswahl 2015 antreten dürfte, was Amtsinhaber Janukowitsch vermutlich verhindern möchte. Sie will weiter politisch aktiv sein, genau wie Luzenko, der Janukowitsch, von dem jetzt alles abhängt, bei einem Treffen in Jalta vor zwei Wochen regelrecht vorführte.

    "Ich rufe Sie auf, Viktor Fedorowitsch, als ein Mann der Putin nicht fürchtet und auch Julia Timoschenko nicht. Treffen Sie noch heute diese Entscheidung. Nehmen sie den Füllhalter und unterschreiben sie die Begnadigung, das garantiert Ihnen einen hunderprozentigen Erfolg in Vilnius."

    Janukowitsch dazu vor dem internationalen Publikum:

    "Nur Timoschenko und das Gericht können die Antwort auf diese Frage geben."

    Die Unterzeichnung des Assoziationsabkommens mit der EU allein vom Timoschenko-Schicksal abhängig zu machen, hält Ex-Außenminister Rotfeld für einen schweren Fehler europäischer Diplomatie.

    "Frau Timoschenko ist zur Geisel europäischer und ukrainischer Angelegenheiten geworden. Das darf nicht sein."

    Timoschenko frei oder nicht: Das Abkommen gehört seiner Meinung nach unterschrieben, sagt der frühere Außenminister, der der Kommission für schwierige polnisch-russische Angelegenheiten angehört. Nicht nur, aber vor allem die Polen denken bei der Ukraine zuerst geostrategisch und dann erst in Menschenrechtsdimensionen. Stark verkürzt lautet die Formel: Gut ist, was Russland und die geplante Zollunion mit Weißrussland und Kasachstan schwächt. Je weniger Verbündete Moskau hat, desto besser.

    Dass sich Präsident Janukowitsch auf die jüngst von Putin beschworene slawische Bruderschaft nicht verlassen kann, hat er bereits zu Beginn seiner Amtszeit erlebt. Da verlängerte er auf Moskaus Wunsch den Pachtvertrag für die russische Schwarzmeerflotte in der Hoffnung auf einen niedrigeren Gaspreis und ging leer aus.

    Je näher das Treffen in Vilnius rückt, desto irrationaler reagiert der russische Präsident Putin. Neu ist, dass jetzt Litauen als Ausrichter des EU-Treffens gepiesackt wird. Einfuhren litauischer Milchprodukte sind untersagt worden, der Ukraine wurde gerade ein 550-Millionen-Euro-Kredit verlängert, günstigeres Gas angeboten. Moskau arbeitet mit Zuckerbrot und Peitsche.