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Freihandelsabkommen
Neue Mobilisierung gegen CETA und TTIP

Ein Bündnis von Organisationen lehnt das CETA-Freihandelsabkommen der EU mit Kanada ab. Es ruft zu Großdemonstrationen in Deutschland auf. Politisch setzen die Aktivisten auf die SPD und die Grünen.

Von Theo Geers | 23.08.2016
    Demonstranten mit Schildern, auf denen die Wörter TTIP und CETA durchgestrichen sind
    Protest gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA im Mai in Brüssel (picture alliance / dpa / EPA / Olivier Hoslet)
    So gut wie nichts hat sich verbessert seit der letzten Großdemonstration vor einem Jahr. Deshalb ruft ein Bündnis von über 30 Organisationen für den 17. September zu den nächsten Protesten gegen die Freihandelsabkommen CETA und TTIP auf – diesmal zeitgleich in sieben deutschen Großstädten.
    Der 17. September ist mit Bedacht gewählt. Am 19. September sollen ein SPD-Konvent und vier Tage später die EU-Handelsminister auf einem Treffen in Bratislava das fertig ausgehandelte Freihandelsabkommen mit Kanada - CETA - billigen. Die Gegner der Freihandelsabkommen wollen mit ihren Protesten die SPD und auch die Grünen so unter Druck setzen, das am Ende ein "Nein" steht, so Christoph Bautz vom Kampagnen-Netzwerk Campact: "Wenn wirklich dieser Konvent nein sagt, dann wird natürlich auch Gabriel in Bratislava nicht zustimmen können. Wir haben als Zweites den Ansatzpunkt über die Grünen, die sind Teil einer Regierung, sodass sozusagen auch über eine zweite Kammer, über den Bundesrat, wenn es denn zu einer Ratifizierung kommt, CETA zu stoppen wäre."
    TTIP durch die Hintertür?
    Wer dieses Handelsabkommen mit Kanada unterzeichne, bekomme TTIP, das umstrittenere Abkommen mit den USA, durch die Hintertür, sagt Bautz. Denn über kanadische Tochterunternehmen könnten auch US-Konzerne EU-Mitgliedsstaaten künftig verklagen, zum Beispiel auf Schadenersatz, wenn bestimmten Geschäftserwartungen durch Gesetzesänderungen in EU-Staaten ein Strich durch die Rechnung gemacht würde.
    Und Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband nennt ein Beispiel: "Es besteht, wenn man den genauen Vertragstext liest, keinerlei Sicherheit, dass soziale Standards ohne Probleme verbessern werden können – beispielsweise bei der Qualität in Kitas, beispielsweise bei Personalschlüsseln in der Pflege. Wir haben keinen Schutz davor, so wie der Vertrag jetzt abgefasst ist, dass Investoren nicht klagen und sagen: 'So haben wir nicht gerechnet.'"
    "Wir haben es nicht mit Nordkorea zu tun"
    Überdies könnten ausländische Firmen wählen, ob sie vor einem nationalen Gericht oder vor einem Schiedsgericht klagten. Das aber, so Verdi-Chef Frank Bsirske, benachteilige inländische Firmen, die nur vor ein inländisches Gericht ziehen könnten: "Wir haben es hier nicht mit Nordkorea zu tun. Es gibt überhaupt keinen Grund, ausländische Investoren derart zu privilegieren und Rechtsrisiken in Kauf zu nehmen wegen dieser Privilegien. Es reicht aus unserer Sicht absolut, eine Inländerbehandlung von ausländischen Investoren zu gewährleisten und das heißt Gleichbehandlung."
    Nicht nur Bsirske fordert deshalb Nachverhandlungen bei CETA. Die Forderung findet auch in der SPD Anklang, etwa bei der Parlamentarischen Linken. Matthias Miersch, der Sprecher dieser zahlenmäßig größten Gruppe in der SPD-Fraktion, hat den Text von CETA durchgearbeitet - und stellt fest, dass an vier zentralen Stellen rote Linien überschritten wurden. Linien, die die SPD auf Parteitagen gezogen habe: "Wir haben Bedingungen gestellt. Und jetzt geht's genau um die Frage: Sind diese Bedingungen bei CETA erfüllt? Nach meiner Auffassung nicht. Deswegen kann diesem derzeitigen Entwurf nach meiner Aufassung kein SPD-Parlamentarier zustimmen."
    Breite Debatte über CETA und TTIP nötig
    Daran änderten auch die Änderungen bei den umstrittenen Schiedsgerichten nichts, die SPD-Chef Gabriel in Nachverhandlungen noch durchgesetzt habe. Hinzu kämen die bekannten Vorbehalte, das Sozial- und Umweltstandards abgesenkt werden könnten. Miersch fordert deshalb eine breite Debatte über CETA und TTIP – außerhalb wie innerhalb der Parlamente – anders sei ein Inkrafttreten der Abkommen nicht vorstellbar: "Am Ende muss jedes Parlament eines Mitgliedsstaates zustimmen. Wenn ich diese Zustimmung haben will, muss ich werben. Und die Zeit müssen wir uns auch nehmen, sonst geht das absolut schief."