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Freihandelsabkommen
Wie TTIP nationale Standards aushebeln kann

Das "Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen" zwischen der EU und den USA, kurz TTIP, steht in der Kritik. Gerade in Sachen Umweltschutz könnten zentrale Errungenschaften wieder verlorengehen. Billigere Produkte und mehr Arbeitsplätze hingegen, versprechen die Befürworter.

Von Albrecht Kieser | 11.07.2014
    Demonstranten halten bei einer Wahlkampfveranstaltung der CDU auf dem Hamburger Fischmarkt ein Plakat mit der Aufschrift "Stoppen Sie TTIP" in die Höhe.
    Demonstranten gegen das geplante Freihandelsabkommen in Hamburg (dpa / picture alliance / Axel Heimken)
    Das "Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen" zwischen der EU und den USA, kurz TTIP, soll den größten Binnenmarkt der Welt schaffen, billigere Produkte für die Verbraucher und mehr Arbeitsplätze. Sagen die Befürworter. Aber TTIP gerät zunehmend in die Kritik: Zentrale Errungenschaften im Umwelt- und Gesundheitsschutz, bei den Sozialstandards, bei den Regulierungen der Finanzmärkte und im Verbraucherschutz diesseits und jenseits des Atlantiks seien in Gefahr. Sagen die Kritiker. Denn verhandelt werde gerade nicht über eine Angleichung solcher Schutzstandards auf möglichst hohem Niveau. Verhandelt werde über die Beseitigung dieser Standards, weil sie den Verhandlungsführern der US-Regierung und der EU-Kommission als sogenannte Handelshemmnisse gelten, die den ungezügelten Freihandel bremsen.
    "Beide Seiten, sowohl USA als auch EU, haben seit Jahren Berichte geschrieben über die jeweiligen Handelsbarrieren auf der anderen Seite, Umweltschutzgesetze, Verbraucherschutzstandards als Handelsbarrieren, die es gilt abzuschaffen. Die Deregulierungsagenda wird nicht nur klar, wenn man in die Wunschzettel von transnationalen Konzernen schaut, sondern auch in die Verhandlungsagenda von EU und USA."
    Freihandelsabkommen bedeutet Abbau von Standards
    Pia Eberhardt von der europäischen Nichtregierungsorganisation CEO, der Corporate Europe Observatory, weist auf die Geschichte der Verhandlungen um das TTIP hin, die vor exakt einem Jahr begonnen haben, aber schon lange vorbereitet worden sind.
    "Der Charakter eines Freihandelsabkommens ist immer der Abbau, die Absenkung solcher Standards. Sonst würde man einen anderen Vertrag verhandeln, sonst verhandelt man einen Vertrag zur Stärkung des Klimaschutzes, zum Ausbau der Regulierungen von Finanzmärkten zum Beispiel. Aber Freihandel impliziert vom Charakter der Verhandlungen her den Abbau von solchen sogenannten Barrieren und Regulierung des Schutzes von Mensch und Umwelt."
    Dass es in diesen Verhandlungen tatsächlich nicht um den stärkeren Schutz von Umwelt, Klima und Menschen, sondern um dessen Gegenteil gehe, zeige das Beispiel Fracking. Beim Fracking werden umwelt- und klimagefährdende Chemikalien in großer Menge in den Boden gepumpt, um das im Schiefergestein gebundene Öl und Gas freizubekommen. Die EU-Kommission möchte mithilfe des TTIP Zugang zu diesem sogenannten "dreckigen Rohstoff" haben, der in den USA bereits mittels Fracking gefördert wird; so steht es in einem Mitte Mai bekannt gewordenen Geheimpapier der EU-Verhandlungskommission."
    Das ist natürlich etwas, was aus umweltpolitischen Gründen verheerend ist und eine Absenkung von Standards bedeutet, wenn Gas vermehrt in Europa eingesetzt würde, welches unter noch umweltschädlicheren Bedingungen gefördert wird als Gas, was sowieso jetzt schon importiert wird."
    Fracking als brisantes Verhandlungsthema

    Ein Plakat mit der «Stop Fracking» steht am 03.06.2014 in Brünen (Nordrhein-Westfalen) am Niederrhein in einem Feld.
    Gegen das Fracking regt sich bei den Menschen heftiger Widerstand. (dpa / Martin Gerten)
    Alexis Passadakis vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac gehört wie auch Pia Eberhardt einer der 120 Nichtregierungsorganisationen in Europa und den USA an, die über das TTIP und seine negativen Auswirkungen aufklären. Im Juli des vergangenen Jahres wurden die Gespräche aufgenommen, im Mai sind sie in die 5. Runde gegangen. Fracking - auch in Deutschland hoch umstritten - ist eines der brisantesten Themen bei den Verhandlungen, verdeutlicht Pia Eberhardt:
    "In Polen wird sehr viel gefrackt, in Großbritannien wird viel gefrackt, aber auch in Deutschland ist ja die Fracking-Debatte noch nicht am Ende und es gibt, regional verschieden, durchaus Offenheit gegenüber Fracking. Also insofern ist das Szenario von einer Investor-Staat-Klage gegen ein z.B. neu eingeführtes Fracking-Verbot, ein Moratorium oder die Rücknahme von Lizenzen durchaus auch hier ein drohendes Szenario."
    Die Investor-Staat-Klage ist ein zentraler Bestandteil in allen Freihandelsverträgen, die Deutschland bislang mit über 100 Ländern abgeschlossen hat; darunter zum Beispiel Pakistan oder Ecuador. Auch das TTIP zwischen der EU und den USA soll dieses Instrument enthalten. Unternehmen könnten es einsetzen, wenn sie einen Staat verklagen wollen, der mit einem neuen Gesetz bisher gültige Produktionsbedingungen reguliert. Zum Beispiel durch die Auflage, geringere Emissionswerte auszustoßen oder das Verbot, schädliche Chemikalien einzusetzen.
    "Anlass für eine Investor-Staat-Klage könnte sein, dass zum Beispiel ein Bundesland einem Ölkonzern aus den USA erst signalisiert, ja, wir wollen Fracking, und auch erste Lizenzen vergibt zur Exploration und es dann in diesem Bundesland ein Umdenken gibt. Zum Beispiel weil es starke Proteste gibt von Bürgerinitiativen aber auch, weil es vielleicht eine neue Studie gegeben hat, die zeigt, Fracking ist noch mal umweltschädlicher und schädlich für die Gesundheit, als wir uns das dachten und dann gibt es ein politisches Umdenken. Und das wäre ein Szenario, in dem eine Investor-Stadt-Klage greifen könnte, weil der Konzern dann argumentieren könnte, ihr habt unsere legitimen Erwartungen enttäuscht. Jetzt habt ihr euch um entschieden, jetzt verklagen wir euch auf Schadensersatz in Millionen- oder Milliardenhöhe. Und aufgrund des weitreichenden Eigentumsschutzes, der Investoren gewährt wird in solchen Abkommen, könnte so eine Klage durchaus zum Erfolg führen."
    Investor-Staat-Klagen sind nicht ausgeschlossen
    Wie das geht, macht der schwedische Energiekonzern Vattenfall vor, der die Bundesrepublik Deutschland vor zwei Jahren wegen ausbleibender Profiterwartungen auf 3,7 Milliarden Euro Schadensersatz verklagte. Denn Deutschland hat beschlossen, aus der Atomenergie auszusteigen, Vattenfall musste deshalb zwei Atommeiler abschalten. Die nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima demokratisch gefällte Entscheidung des Deutschen Bundestages soll nun von einem sogenannten internationalen Schiedsgericht gekippt werden, dem sogenannten Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten ICSID, angesiedelt bei der Weltbank in Washington.
    Ein Schild weist in der Hamburger Hafencity auf die Firma Vattenfall hin.
    Teurer Rückkauf (dpa / Axel Heimken)
    Die Möglichkeit dazu gibt der sogenannte Energiecharta-Vertrag, eines der über 140 internationalen Investitionsschutzabkommen, die Deutschland mit anderen Staaten abgeschlossen hat. Im Kern geht es in diesen Verträgen immer um dasselbe: Ausländischen Investoren wird zugesichert, dass die Rahmenbedingungen für ihre Profiterwartungen nicht wesentlich verändert werden. Sind sie der Meinung, diese Zusicherung werde etwa durch Gesetzesänderungen verletzt, können sie den betreffenden Staat vor einem sogenannten Schiedsgericht verklagen. Der Völkerrechts-Professor Markus Krajeswki:
    "In diesen Investitionsschutzabkommen steht drin, dass der Investor billig und gerecht zu behandeln ist. Und was das im Einzelnen bedeutet, das ist nun der Kompetenz dieser Schiedsgerichte überantwortet, und die haben Standards herausgearbeitet: Es muss das geschützt werden, was der Investor als „sichere Investitionsumgebung" erwarten konnte – das ist so ein klassischer Standard, der inzwischen anerkannt ist."
    Den Sonderschutz auf ihre Gewinn-Erwartungen genießen nur ausländische Investoren. Inländische Investoren haben keinen Zugang zu den erwähnten Schiedsgerichten. Es handelt sich also um eine Begünstigung ausländischer Investoren. Und die ist einzigartig. Denn grundsätzlich haben Ausländer, die in einem Staat leben oder arbeiten, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, deutlich weniger Rechte als die Bürger dieses Staates. Im Falle von Investoren, die aus dem Ausland kommen, ist es umgekehrt.
    "Diese völkerrechtlichen Verträge, die zusätzliches Recht schaffen, gelten nicht für die Inländer. Der Ausländer hat zusätzlich einen völkerrechtlichen Schutz, den der Inländer nicht hat. Eine Ungerechtigkeit, die die Staaten vereinbart haben."
    Karl-Heinz Böckstiegel ist emeritierter Professor für Luft- und Weltraumrecht und der einzige deutsche Schiedsrichter, der in internationalen Schiedsgerichtsverfahren tätig ist. In seinem Wohnhaus in der Nähe von Köln arbeitet er sich oft durch Dutzende von Akten und bereitet sich so auf die Schiedsgerichtssitzungen vor, die häufig in Washington, aber auch in Paris, London oder im Fernen Osten stattfinden. Warum die Staaten ausländische Investoren begünstigen, eine – Zitat Böckstiegel - "Ungerechtigkeit", hat historische Gründe. Das Kapital der Investoren aus den ehemaligen Kolonialstaaten sollte auch in den mittlerweile unabhängigen ehemaligen Kolonien gegen Enteignung und Entwertung gesichert werden. Bis heute richtet sich die Mehrzahl der Klagen von Privatinvestoren gegen frühere Kolonien. Völkerrechtler Markus Krajewski:
    "Es sind schon überwiegend Klagen, die sich gegen Länder des globalen Südens richten bzw. auch viele Transformationsländer. Aber Verfahren gegen die traditionellen OECD-Staaten, also Europa, Nordamerika, gibt es bislang kaum. Die Vattenfall-Fälle sind die ersten."
    Nun kehrt sich also dieses Instrument gegen dessen Erfinder. Und jetzt erst wird auch hierzulande deutlich, wie fragwürdig dieses Instrument ist. Fragwürdig in mehrerlei Hinsicht. Wegen des besonderen Schutzes für ausländische Investoren, die mit diesem Instrument demokratische Gesetze unterlaufen, kippen oder erheblich verteuern können – Beispiel Vattenfall. Und wegen der rechtsprechenden Instanz selbst. Recht spricht nämlich kein ordentliches Gericht aus eigens dafür ausgebildeten Richtern in öffentlicher Verhandlung und unter Kontrolle einer Berufungsinstanz. Sondern verhandelt wird hinter verschlossenen Türen:
    "Da wird eine Klage eingereicht, das ist in diesen Fällen immer der Investor. Diese Klage wird dann zugestellt, dem beklagten Staat, der hat eine Frist sich zu äußern. Beide Parteien - jetzt kommt der Unterschied zum Gerichtsverfahren - können einen Schiedsrichter benennen. Und dann kommt der Dritte, auf den man sich einigen muss."
    Drei- bis viertausend Abkommen
    Die klagende und die beklagte Partei werden von nur wenigen international agierenden Anwaltskanzleien vertreten. 20 Kanzleien bearbeiten nach eigenen Angaben 70 Prozent der Fälle. Aus den Reihen dieser Kanzleien, die häufig mit Hunderten von Anwälten in zahlreichen Staaten agieren, stammen meist auch die sogenannten Schiedsrichter. Alles in allem ein kleiner Kreis von "Auserwählten". Die Studie der lobbykritischen Organisation CEO spricht von 15 Akteuren, die mehr als die Hälfte aller Streitigkeiten entscheiden. Pia Eberhardt:
    "Freshfields, die britische Kanzlei, ist die Nummer eins in diesem Feld schon seit Jahren, gefolgt von White & Case aus den USA, Shearman and Sterling ... Das sind Kanzleien, die ein Auge darauf haben, wenn sich in irgendwelchen Ländern Investitionspolitiken verändern. Das sind Großkonzerne, die in ihren strategischen Planungen sich überlegen, wie sehen heute Investitionsströme aus, welche Konflikte könnten daraus entstehen und ihre Büros entsprechend aufmachen, jetzt gerade aktuell zum Beispiel sehr, sehr viel in Asien, wo ganz neue Schiedsgerichtsbüros aufgezogen werden von Kanzleien. Es sind globale Player, die natürlich auch durch ihr globales Netzwerk von Büros einen guten Überblick haben zu dem Dschungel - kann man ja sagen - an internationalen Investitionsschutzabkommen."
    Der "Dschungel" besteht zurzeit aus etwa drei- bis viertausend Abkommen und vermutlich drei- bis vierhundert anhängigen Schiedsgerichtsverfahren. Die Zahlen sind Mutmaßungen; eine Statistik wird, auch wegen fehlender staatlicher Kontrolle, von niemandem geführt. Viel Geld ist in diesen Verfahren zu verdienen, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD bei ihren Versuchen, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, herausgefunden hat:
    "Laut OECD betragen die Stundenlöhne bis zu 1.000 Dollar für einen Anwalt, der an solch einem Fall arbeitet. Meistens sind es Fälle, die Jahre dauern und wo auch nicht nur ein Anwalt dran sitzt, sondern ganz Teams von Anwälten. Daher kann man davon ausgehen, dass das ein sehr, sehr lukratives Geschäft ist."
    Sehr lukratives Geschäft für Anwälte
    Dass es um sehr viel Geld geht für sehr wenige Kanzleien und noch weniger Schiedsrichter, bestätigt auch Karl-Heinz Böckstiegel, der einzige deutsche Schiedsrichter bei Investitionsschutzverfahren. Seine Erfahrungen zeigen, ...
    "... dass von den 100 Prozent Kosten, sagen wir mal, es sind 100 Millionen, mindestens 90 Prozent für die beiden Parteien drauf gehen, für die Anwälte, die ganzen Teams, die Zeugen, die müssen ja auch bezahlt werden, die Experten, die auch teuer sind. Und die restlichen 8 Prozent oder was immer sind Gebühren für die Institutionen, die etwas kassiert und für die Schiedsrichter."
    Auch drei deutsche Kanzleien sind mit im Geschäft, wenn auch eher als Newcomer. Wie ihre großen Vorbilder aus den USA und England sind auch sie nicht nur kundige Helfer, sondern offensive Akteure.
    "Sie sind eine treibende Kraft im Boom der Verfahren, weil es tatsächlich Kanzleien sind, die dieses System überhaupt bekannt machen in der Unternehmenswelt. Wann immer es Veränderungen gibt, politische Gesetze, dann sind es Kanzleien, die kleine Papierchen schreiben und damit hausieren gehen bei ihren Kunden und sagen: Griechenland! Umschuldung! Haben Sie damit ein Problem? Rufen Sie uns an, wir sind Spezialisten."
    "Selbst wenn Staaten ihre Anleihen nicht bedienen ..."
    ... wirbt zum Beispiel die Kanzlei Luther in Hamburg ...
    "...heißt dies nicht, dass die Anleger rechtsschutzlos sind. Vielmehr bieten internationale Investitionsschutzabkommen eine Möglichkeit, gegen zahlungsunwillige Staaten vorzugehen. Wenig bekannt ist, dass Deutschland mit Griechenland Investitionsschutzverträge abgeschlossen hat. Diese Verträge schützen Investitionen gegen verschiedene Formen des politischen Risikos. Der Investor muss sich also nicht auf das Beschränken, was ihm der Staat im Rahmen der Umschuldung anbietet. Unsere Kanzlei kann Ihnen bei diesen komplizierten Fragen mit Rat und Tat zur Seite stehen."
    3,7 Milliarden-Klage von Vattenfall gegen Deutschland
    Auch das Schiedsgericht, das über die Klage von Vattenfall gegen Deutschland befindet, besteht aus drei Anwälten, die zu diesem Anlass in Richterroben schlüpfen. Und ein Urteil jenseits nationaler Gerichtsbarkeiten fällen. Auch ihr Spruch ist vereinbarungsgemäß nicht mehr anfechtbar. Ein Staatsstreichverfahren, so qualifizieren es Kritiker. Dennoch ist die Unanfechtbarkeit des Schiedsspruchs Standard, auf den sich die beteiligten Staaten bei Abschluss von Investitionsschutzverfahren immer verständigen.
    Auch die 3,7 Milliarden-Klage von Vattenfall gegen Deutschland wird, wie grundsätzlich alle Investor-Staat-Klagen, im Geheimen verhandelt. In Berlin wird nicht einmal der Deutsche Bundestag über die Klage informiert. Der Bundestagsabgeordnete Ralph Lenkert von den Linken wollte schon in der vergangenen Legislaturperiode wissen, was die Bundesregierung gegen die Klage von Vattenfall zu tun gedenke. Er bekam keine Auskunft.
    "Wir haben dann erreicht, dass wir zumindest Einsicht in die Klageschrift von Vattenfall bekommen haben. Jeder Abgeordnete des Umweltausschusses kann jetzt wenigstens in der Geheimnisstelle des Bundestages die Unterlagen selbst einsehen. Aber er darf sie nicht verwenden."
    Nicht anders erging es der Bundestagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl von den Bündnisgrünen. Ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter Bastian Zimmermann durfte in ihrem Auftrag zur Akteneinsicht die „Geheimnisstelle" des Bundestags aufsuchen:
    "Es lagen detailliertere Informationen als in der Antwort der Bundesregierung, die ja öffentlich verfügbar ist, vor. Darüber kann ich aber nichts sagen, ohne mich strafbar zu machen."
    Der Völkerrechtsprofessor Markus Krajewski, der sich intensiv mit dieser Art Verträge befasst, qualifiziert die Investor-Staat-Klage so:
    "Ich halte das schlichtweg für rechtsstaatlich nicht haltbar. Das ist aus meiner Sicht mindestens ein Rechtspolitischer, wenn man es genauer durchdenkt, möglicherweise auch ein verfassungsrechtlicher Skandal. Wir haben es damit zu tun, dass ein vom Deutschen Bundestag beschlossenes Gesetz von einem internationalen Schiedsgericht überprüft werden sollte, was möglicherweise zu Schadenersatzforderungen und auch -zahlungen der Bundesrepublik Deutschland führt. Und die Parlamentarier, die das Gesetz selber gemacht haben, die haben nicht mal die Möglichkeit mitzubekommen, was hier eigentlich gemacht wird."
    Das für die Energiewende zuständige Bundesministerium für Wirtschaft unter dem SPD-Politiker Sigmar Gabriel möchte zur Klage Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland kein Interview gewähren. Ebenso wenig wie zum TTIP. Keine Zeit, lautete die Begründung. Man sei allerdings bereit, schriftlich gestellte Fragen schriftlich zu beantworten. Lapidar heißt es zur Vattenfall-Klage:
    "Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir aus prozesstaktischen Gründen keine weiteren Auskünfte erteilen können. Über die abschließende Entscheidung im Schiedsverfahren wird die Bundesregierung informieren."
    Eine maskierte Demonstrantin protestiert gegen Gen-Food in Berlin.
    Viele fürchten sich vor der industriellen Landwirtschaft - und genetisch veränderten Lebensmitteln. (Herbert Knosowski, dpa picture-alliance)
    Das Rechtsverfahren in Washington wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen beauftragten Anwaltskanzleien und privaten Schiedsrichtern entschieden. Kritik und Nachfragen sind unerwünscht. Transparenz? Fehlanzeige. Das federführende Bundeswirtschaftsministerium teilt zwar mit, es fordere im TTIP nicht mehr unbedingt die Investor-Staat-Klage, aber: am 23. Mai – also zwei Tage vor der Europawahl - hat das Europäische Parlament einer Rahmenvereinbarung für genau dieses Verfahren mit Mehrheit zugestimmt. Dem Votum muss sich Deutschland beugen, denn das Verhandlungsmandat zum TTIP haben die Mitgliedsländer an die EU abgegeben.
    Mit solchem Rückenwind stößt das TTIP den Investor-Staat-Klagen auf dem größten Wirtschaftsmarkt der Welt Tür und Tor weit auf. Womit Wirklichkeit werden kann, was die großen, international investierenden Konzerne diesseits und jenseits des Atlantiks als Schutzschild für ihre Profiterwartungen fordern. Pia Eberhardt:
    "Der Investorenschutz ist ein gutes Beispiel dafür, dass es hier nicht um USA versus EU geht und schon gar nicht um die böse USA versus die gute EU. Beide Seiten wollen auf jeden Fall diese weitreichenden Konzernklagerechte verhandeln - Die EU-Kommission genau so wie die US-Regierung. Der Druck darauf ist ganz groß aus der Unternehmenswelt. Gleichzeitig konzentriert sich der Widerstand auf dieses Abkommen an diesem Punkt, und auch zu Recht. Das ist ein Generalangriff auf unsere Demokratie. Es ist noch ein hartes Stück Arbeit, diese Konzernprivilegien zu verhindern."