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Freiheit statt Sozialismus

In seiner Grundsatzrede auf dem FDP-Parteitag in Stuttgart hat Guido Westerwelle den Kurs der Großen Koalition heftig kritisiert. Union und SPD würden eine Politik zu Lasten der gesellschaftlichen Mitte machen, erklärte der FDP-Vorsitzende. Mit Blick auf die neue Partei "Die Linke" sagte Westerwelle, er könne keinen Fortschritt darin erkennen, wenn Kommunisten und Sozialisten wieder aus ihrer Versenkung auftauchten.

Von Jasper Barenberg | 17.06.2007
    An der Spitze einer kleinen Prozession zieht Guido Westerwelle in die Porsche-Arena ein, im Gefolge des Vorsitzenden enge Vertraute wie Generalsekretär Dirk Niebel und hoch dekorierte Parteiveteranen wie Hans-Dietrich Genscher und Graf Lambsdorff. Die Tischreihen in der Halle sind sorgsam in Gelb-Blau dekoriert. Auf jeden der gut 660 Delegierten wartet an seinem Platz ein Buch von Anträgen, dicker als jemals zuvor.

    Die passenden Klänge dazu hält die Parteitagsregie bereit. Der Klassiker von Fleetwood Mac mahnt, an die Zukunft zu denken: In Stuttgart sollen die letzten Löcher im Parteiprogramm gestopft werden. Auch als Ausgangsbasis und Grundlage für die erhoffte Regierungsbeteiligung 2009 in Berlin. Leitanträge beschäftigen sich deshalb mit der Kulturpolitik und mit der Sozialpolitik.

    " Man verbindet ganz natürlich Wirtschafragen, Steuerfragen, außenpolitische Fragen mit der FDP. Aber die FDP hat mehr zu bieten. Und nachdem wir uns auf dem letzten Parteitag in Rostock um die Umweltpolitik gekümmert haben, sind jetzt die Sozialpolitik und die Kulturpolitik dran. Ich finde, das sind wichtige Felder - gerade in der Kulturpolitik, wo die FDP eine lange Tradition hat. Von daher finde ich die Themengebung für den Parteitag richtig."

    Überschwänglicher als die Zustimmung zur Tagesordnung fällt im Saal noch das Lob über das ungewohnt harmonische Erscheinungsbild der Partei aus. Es scheint: soviel Zufriedenheit war selten.

    " Die FDP war ja in der Vergangenheit gut dafür, dass solche Parteitage turbulent zugegangen sind - auch bei den Wahlen. Von daher finde ich es ganz angenehm, dass man mal in etwas ruhigerem Fahrwasser die Geschäfte machen und die Beratungen durchführen kann, die wir hier auf der Tagesordnung haben, dass wir keinen personellen Streit haben."

    " Wir waren noch nie so geschlossen wie zurzeit. Ich bin schon seit über dreißig Jahren FDP-Mitglied. Und das ist eine tolle Atmosphäre, wie geschlossen die Partei ist. Und wenn wir so weitermachen, dann glaube ich ganz sicher, dass wir wieder in die Regierung kommen werden.

    Ansonsten freue ich mich auf die Rede von Guido Westerwelle, weil das immer ein ganz guter Wegweiser ist, sehr unterhaltsam. Ich freue mich auf den Parteitag."

    Westerwelles Führungsposition ist bei den Freien Demokraten unbestritten, Alternativen scheinen inzwischen fast schon undenkbar. Schritt für Schritt hat der alerte Jurist die einst unruhige, immer wieder von Intrigen und Flügelkämpfen geplagte Partei in ungewohnt ruhiges Fahrwasser geführt; Schritt für Schritt hat er dabei auch seine Macht gefestigt. Seit er vor gut einem Jahr nach dem Parteivorsitz auch den Fraktionsvorsitz übernommen hat, laufen alle Fäden bei ihm zusammen. Verdiente ältere Herren wie Hermann-Otto Solms oder Wolfgang Gerhardt treten mehr und mehr in den Hintergrund, die Überväter Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff stützen ihn, unter den Jüngeren macht ihm keiner den Machtanspruch streitig. Die Partei, das ist Guido. Die Aufmerksamkeit in den eigenen Reihen ist ihm daher gewiss, das Interesse außerhalb der Kongresshalle jedoch keineswegs. Der Vereinigungsparteitag von PDS und WASG in Berlin würde Kameras und Mikrofone auf sich ziehen. Das war im Vorfeld des dreitägigen Treffens auch dem FDP-Chef klar. Erst hat er sich darüber geärgert. Dann aber muss es ihm wie eine Fügung vorgekommen sein.

    " Nichts könnte symbolträchtiger sein als die Tatsache, dass an diesem Wochenende zwei Bundesparteitage in Deutschland stattfinden. Hier in Stuttgart tagen die Liberalen, in Berlin die Sozialisten. Und genau darum geht es! Deutschland muss sich entscheiden: Ob es mehr Sozialismus will oder mehr Freiheit. Wir werben für mehr Freiheit. Weil wir nicht zulassen dürfen, dass die geistige Achse nach links verschoben wird."

    Einen Großteil seiner Rede zum Auftakt des Parteitages widmet Guido Westerwelle diesem Thema. Die Abgrenzung zur Linken macht er zum zentralen Motiv. Durchaus ohne Scheu vor Pathos: "Hier steht die Freiheitsstatue der Berliner Republik!" ruft er seinen Parteifreunden zu.

    " Als Liberaler der Mitte kann ich keinen Fortschritt darin erkennen, wenn Kommunisten und Sozialisten wieder aus der Versenkung auftauchen. Ich bin gegen die Wiederbelebung dieser Leiche! Und wenn der Kollege Bisky auf seinem Parteitag am heutigen Tage seinen Kommunisten und Sozialisten zuruft: Wir sind gekommen, um zu bleiben - so will ich ihm hier von diesem Parteitag der Freiheit zurufen: Und wir sind da, damit ihr wieder geht! Das ist die Herausforderung in Deutschland!"

    Während der guten Stunde, die Westerwelle spricht, verteidigt er auch die Globalisierung als Chance, fordert die weitere Nutzung der Atomkraft als Beitrag für den Klimaschutz. Er wendet sich entschieden gegen einen Abzug deutscher Truppen aus Afghanistan. All das aber verblasst gegenüber der Wucht, mit der er die Formel "Freiheit statt Sozialismus" als Wasserscheide deutscher Politik beschwört. Zumal er bewusst unscharf lässt, ob er lediglich die neue Linkspartei ins Visier nimmt oder die Sozialdemokraten, ja selbst die Union gleich mit zum gegnerischen Lager zählt. Mit beiden Parteien geht er hart ins Gericht. Fundamentalismus legt er den Sozialdemokraten zur Last, Kapitulation vor dem Ungeist der Sozialdemokratisierung der Union. Der Vorwurf an beide lautet: Stillstand in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, wo angesichts guter Konjunkturdaten beherzte Reformen vonnöten wären.

    " Jetzt muss Deutschland handeln, weil Deutschland jetzt handeln kann. Jetzt brauchen wir ein neues Steuerrecht, jetzt brauchen wir eine Sozialreform, jetzt brauchen wir die Modernisierung des Arbeitsmarktes, jetzt brauchen wir den Abbau von Bürokratie. Nichts von dem darf vertagt werden. Alles von dem ist dringlicher, als je zuvor!"

    Als Wolfgang Gerhardt nach der Rede seinem Nachfolger lange die Hand schüttelt, wirkt das wie die endgültige Stabsübergabe. Die Delegierten danken ihrem Vorsitzenden auf ihre Wiese: Sie applaudieren minutenlang, wenn auch ohne Begeisterungsstürme. Aber sie bestätigen Guido Westerwelle mit über 87 Prozent im Amt. Das Gleiche gilt für Generalsekretär Niebel und die übrigen Mitglieder des Präsidiums. Auch sie stellen sich ohne Gegenkandidaten zur Wahl, auch sie werden erwartungsgemäß in ihrer Funktion bestätigt. Kritik aus dem weiten Rund der Porsche-Arena beschränkt sich auf Bemerkungen hinter vorgehaltener Hand. Über die Sprunghaftigkeit, mit der Westerwelle gelegentlich von einem Thema zum nächsten hüpft. Auf den Appell der Jungliberalen, außer dem Vorsitzenden auch andere Köpfe zu präsentieren. Andere, wie der Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Landtag von Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, signalisieren Distanz dadurch, dass sie andere Akzente setzen.

    " Ich würde mit der Formel "Freiheit statt Sozialismus" nicht arbeiten wollen. Aber wir sehen gegenwärtig, dass die hohen Wachstumsraten, die wir jetzt erzielen, dabei helfen können, eine Reihe der sozialpolitischen und demographischen Probleme zu bewältigen. Die FDP ist eine Wachstumspartei. Für uns gilt: mehr Wachstum für alle. Und wenn wir gleichzeitig feststellen, dass wir die geringste Staatsquote seit 1990 haben; dass das Zurückdrängen des Staates mehr wirtschaftliche Dynamik im privaten Sektor freisetzt, dann ist die Formel: Drängt den Staat zurück, nehmt eure eigene Verantwortung wahr, etwas, was der Gesellschaft hilft, was uns hilft, was vor allen Dingen dazu beitragen kann, Probleme, die auch mit der Globalisierung zu tun haben, zu bewältigen."

    Wirklich aus dem Fenster lehnt sich nur einer: Burckhard Hirsch aus dem links-liberalen Lager. Die Alternative zwischen Freiheit und Sozialismus hält er für eine völlige Verzerrung der politischen Wirklichkeit. Demgegenüber blieben wichtige Zukunftsthemen wie Generationengerechtigkeit, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit allzu stark unterbelichtet. Diesem Urteil schließt sich aus dem Präsidium auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an, wenn auch in eher allgemeinen Wendungen.

    " Ich halte diese Auseinandersetzung für ganz wichtig für die FDP. Ich glaube aber, dass der alte Slogan, den damals Franz-Josef Strauß gegen die Liberalen verwandt hat, nicht geeignet ist. Ich glaube, mit diesen Begriffen gewinnen wir auch nicht diejenigen für uns, die auch sagen: Wir brauchen eine Politik, die auf den einzelnen setzt und sich nicht immer auf den Staat konzentriert und glaubt, der brächte nun das Glück für alle."

    Wie die Liberalen in ihrem Sinne das Verhältnis zwischen dem einzelnen und dem Staat neu gewichten wollen, das deklinieren die Delegierten in Stuttgart zunächst am Beispiel der Erbschaftssteuer durch. Und zwar durchaus grundsätzlich. Ein Vertreter der jungen Liberalen fasst das Dilemma in Worte.

    " Das Thema Erbschaftssteuer beinhaltet natürlich einen Grundkonflikt für Liberale. Zum einen haben wir das Recht des Einzelnen, über sein Vermögen auch über den Tod hinaus. Auf der anderen Seite haben wir die Problematik der Chancengleichheit. Wir Liberale setzen uns dafür ein. Und natürlich wird es durch vererben, was reiner Zufall ist, ob ich nun Erbe bin oder nicht, wird das Ziel konterkariert."

    Dass Veränderungen nötig sind, steht in der Debatte außer Frage. Die derzeitige Regelung ist verfassungswidrig und muss bis Ende 2008 geändert werden. Strittig ist aber, ob die Besteuerung von Erbschaften generell abgeschafft, den Ländern überantwortet oder im Prinzip erhalten bleiben soll.

    " Niemand soll sich dafür entschuldigen müssen, dass er eine Erbschaft erhält. Das ist eigentlich der Grundsatz. Die Erbschaftssteuer ist leistungsfeindlich. Es entspricht unserem liberalen Menschenbild, dass man mit seinem Vermögen tun und lassen kann, was man möchte. Solange wir in Deutschland - und zwar auch die Liberalen, etwa mit ihrem sehr guten Steuermodell, einfach, niedrig und gerecht - Leistungsträger in diesem Land besteuern. Und nicht etwa eine reine Konsumbesteuerung einführen, muss es auch möglich sein dürfen, in einem geringen Umfang, Erben zu besteuern. Denn hier gilt der Gleichheitsgrundsatz: Die, die sich jeden Tag anstrengen und sich jeden Tag die Ärmel aufkrempeln, solange wir die besteuern, solange können wir in einem gewissen Umfang auch die Erben in diesem Land besteuern."

    Am Ende setzt sich der Bundesvorstand mit seinem Vorschlag durch: die Besteuerung von Erbschaften den Ländern zu überantworten - und damit die schrittweise Abschaffung dieser Steuerart zu begünstigen. Von großem Konsens getragen ist auf dem Parteitag der Antrag zur Kulturpolitik. Hans-Joachim Otto stellt ihn vor, der liberale Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien im Bundestag. Und freut sich darüber, dass Kultur erstmals auf einem Bundesparteitag einer deutschen Partei mit einem Leitantrag aufgewertet und damit entsprechend ihrer Bedeutung gewürdigt werde.

    " Die Kultur ist die Grundlage unserer Identität, unserer Persönlichkeit und spiegelt unsere Werte, Vorstellungen und Ideale wieder. Die Kultur ist also nicht bloß ein Sahnehäubchen der Freizeitbeschäftigung einiger weniger. Kultur schafft übrigens auch Arbeitsplätze - mehr Arbeitsplätze, als die Automobilindustrie!"

    Über die Forderung, Kultur als Staatsziel zu definieren, herrscht in Stuttgart schnell Einigkeit. Um Kultur auf allen Ebenen aufzuwerten, einschließlich der kulturellen Bildung für Kinder und Jugendliche. Um Kürzungen der öffentlichen Hand zu bremsen. Für Aufregung sorgt dann erst der Appell der jungen Liberalen, das ZDF in seiner derzeitigen Gestalt abzuschaffen.

    " Das Zweite Deutsche Fernsehen ist in seiner jetzigen Form in öffentlich-rechtlicher Hand nicht mehr notwendig, sondern kann in den freien Wettbewerb überstellt werden. Meine Damen und Herren, seien sie konsequent liberal: Schicken sie das ZDF in den freien Wettbewerb und die Mainzelmännchen in den freien Arbeitsmarkt!"

    Diesen Vorstoß will FDP-Chef Westerwelle aber dann doch nicht unkommentiert lassen.

    " Es gibt eine Menge beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu verbessern. Mir gefällt auch manche Entwicklung nicht. Aber wir wollen mal nicht so tun, als ließe sich die Grundversorgung so einfach privat organisieren."

    Förmlich herausgerissen aus ihren Beratungen werden die 600 Delegierten in Stuttgart, als Generalsekretär Dirk Niebel die Sitzung am Samstagnachmittag unterbricht um mit Grabesmiene ans Rednerpult zu treten.

    " Vor wenigen Minuten ist eine neue sozialistische Einheitspartei gegründet worden. Mit ihr feiern alle falschen und verlogenen Rezepte des Kommunismus fröhlich Urständ. Gegen diese gesellschaftliche Düsternis werden wir mit der Fackel der Freiheit auftreten. Wenn Gregor Gysi in seiner Eröffnungsrede des Vereinigungsparteitages sagt: 'Ohne Sozialismus gibt es auch keine Freiheit', dann ist das eine Verhöhnung all derjenigen 17 Millionen Ostdeutschen, die eingemauert worden sind von den Sozialisten! Und dann stellen diese Kommunisten sich hin, ganz offen, und sagen, sie wollen den Systemwechsel. Was wäre eigentlich los in Deutschland, wenn eine rechtsextreme Partei den Systemwechsel wollte? Wehret den Anfängen - gegen links und rechts!"

    Bei diesen Worten tauscht der Generalssekretär der Freien Demokraten mit großer Geste auch die Beschilderung des Rednerpults aus: "Freiheit statt Sozialismus" steht dort jetzt zu lesen, kurz darauf auch auf der großen Anzeigetafel auf der Bühne. Da ist sie wieder: der Drang der Parteispitze zur großen Auseinandersetzung. Zum Abschluss ihres Parteitages berät die FDP schließlich über Sozialpolitik. Den Tenor des 17-seitigen Leitantrages zum Thema hatten Partei-Vize Rainer Brüderle und Guido Westerwelle bereits am Tag zuvor erläutert:

    " Das Menschenbild unseres Grundgesetzes ist nicht der bevormundete und gegängelte Bürger, sondern der selbstverantwortliche Mensch, der nur in der Not vom Staat geschützt und unterstützt wird. Wir müssen die einfache Wahrheit aussprechen: Für sein Wohlergehen ist der einzelne zunächst einmal selbst zuständig. Wenn er es nicht kann, dann helfen wir ihm."

    " Alles immer nur beim Staat abzuladen, jedes eigene Scheitern, das macht Deutschland krank und arm! Irgendwo ist man auch Schmied seines eigenen Glückes, ist man auch verantwortlich für seinen eigenen Lebensweg. Es ist nicht immer die schwere Kindheit. Und es ist nicht immer der böse Staat. Manchmal ist es ganz einfach auch die eigene Anstrengung. Deswegen: Weniger Neid, mehr Anerkennung - das braucht Deutschland!"

    Die FDP will die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, verlangt dafür flexiblere Arbeitszeitmodelle und ein familienfreundliches Steuerkonzept. Bei der Rente sollen die Versicherten nach dem Willen des Bundesvorstandes ab dem 60. Lebensjahr frei wählen können, wann sie in Rente gehen wollen. Im Gegenzug wollen die Liberalen alle Zuverdienstgrenzen für Rentner aufheben. Streit entzündet sich dann an der Frage der Familienpolitik. Die Liberalen beschließen die Forderung nach Betreuungsgutscheinen für die Kindererziehung. Nach kontroverser Debatte wendet sich die Mehrheit der Delegierten jedoch dagegen, Betreuungsgeld auszuzahlen, wie es Generalsekretär Dirk Niebel für richtig hält.

    " Wir sind auch für Wahlfreiheit. Und wenn wir Wahlfreiheit durchsetzen wollen, dann können wir uns nicht hinstellen und sagen, wenn jemand gewählt hat, Deine Wahl gefällt mir aber nicht. Sondern dann müssen wir akzeptieren, dass eine mündige Mutter, dass ein mündiger Vater eine Entscheidung getroffen hat."

    In dieser Frage allerdings muss Niebel in Stuttgart eine Niederlage einstecken. Am Ende folgen die Delegierten der Argumentation einer Gruppe um Cornelia Pieper und der früheren Bundesministerin Irmgard Schwätzer.

    " Es ist inzwischen vollkommen akzeptiert, dass Krippe und Kita einen Bildungsauftrag haben. Und genau darum geht es. Familien aus den eher bildungsfernen Teilen unserer Gesellschaft würden in weit überwiegender Mehrheit die Auszahlung bevorzugen und die Kinder eben nicht in die Krippe schicken."

    Im neunten Jahr in der Opposition präsentieren sich die Liberalen auf dem Bundestreffen in Stuttgart einig wie selten zuvor. Allem Anschein nach ist die FDP im Reinen mit sich und ihrem Vorsitzenden. Die Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung nach den nächsten Bundestagswahlen hilft, die Partei zusammen zu halten. Es ist die letzte Chance für Guido Westerwelle und einige andere in der Parteiführung, doch noch Regierungsämter zu erlangen. Auf dem Weg dorthin verordnet er seiner Partei programmatische Breite auf der einen Seite und Konfrontation gegenüber allen anderen Parteien auf der anderen. Neben dem Vorsitzenden versteht sich vor allem Vize Rainer Brüderle darauf, die große Koalition aufs Korn zu nehmen.

    " Es zeigt sich täglich, hier regieren zwei sozialdemokratische Parteien: die eine ist schwarz lackiert, die andere ist rot lackiert - und beide sind falsch programmiert! Diese Trantüten kosten uns Chancen, sie verspielen Zeit und deshalb müssen wir kämpfen, damit in Deutschland sich etwas ändert und diese Wundertütenpolitik zu Ende geht in Berlin. Wundertütenpolitik kennen Sie: da ist viel drin aber nichts, was man gebrauchen kann."

    Westerwelle macht Anstalten, die Zeit bis zur nächsten Wahl damit zu füllen, die Zustände im Land so schlecht zu reden, wie sie seiner Ansicht nach sind. Damit die Wähler nur von ihm und seiner Partei noch Besserung erhoffen können. Dazu gehört auch, die FDP als einzig verbliebene politische Kraft der Freiheit zu empfehlen, als Heimat für das, was die Liberalen die 'vergessene Mitte' der Leistungsbereiten nennen. Doch bei aller offensichtlichen Neigung hin zur Union: Derzeit pocht die FDP vor allem auf eines: auf ihre Eigenständigkeit.

    " Und all denen, die auf diesem Parteitag die Frage stellen: Interessiert ihr euch jetzt mehr für die eine größere Partei oder für die andere größere Partei? Denen will ich nur eines antworten: Das ist der Parteitag der Freien Demokraten. Hier fassen wir die Beschlüsse, von denen wir überzeugt sind, dass sie das Beste für Deutschland sind. Und ob danach Angela Merkel lächelt oder grollt oder Herr Beck sich freut, ist uns völlig egal! Wir sind zuerst eine eigenständige Partei. Und dann kommt lange nichts. Und dann sind wir vielleicht der Koalitionspartner von irgend jemand anderem, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde!"