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Freiheitskampf für Hühner

Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Käfighaltung von Legehennen beschlossen. Das Bundesland hält die vom Bundesrat gegen die Stimmen von Rheinland-Pfalz beschlossene Lockerung der Legehennenverordnung für verfassungswidrig.

Von Christoph Gehring | 21.11.2006
    Freilandhühner auf einem Öko-Bauernhof in Klein-Winternheim bei Mainz. Jede der 200 Legehennen von Bauer Stefan Schreiber hat vier Quadratmeter Auslauf unter freiem Himmel, nachts im Stall beträgt die Hühnerdichte höchstens sechs Tiere pro Quadratmeter. Doch die Freilandhennen von Bauer Schreiber sind eine Minderheit: Ende 2005 lebten nach Erkenntnissen des Statistischen Bundesamtes noch immer fast drei Viertel der 32 Millionen deutschen Legehennen in Käfigen von 550 bis 690 Quadratzentimetern Grundfläche. Zum Vergleich: Ein DIN-A-4-Blatt bringt es auf 623 Quadratzentimeter.

    In so einem Käfig kann ein Huhn nichts tun, was seiner Natur entspräche, es kann sich nämlich überhaupt nicht bewegen. Deswegen nannte der prominente Zoologe Professor Bernhard Grzimek diese Form der Legehennenaufbewahrung schon Anfang der 1970er Jahre grobe Tierquälerei. Aber erst 30 Jahre später, Anfang 2002, wurde unter der Ägide der grünen Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast die Käfighaltung mit gewissen Übergangsfristen verboten - vorübergehend jedenfalls.

    Denn die Bundesländer Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen, in denen der ganz überwiegende Teil der deutschen Legehennen aufgestallt und die Eierproduktion ein nicht unwichtiger Wirtschaftszweig ist, beantragten im Bundesrat eine Lockerung der strengen Legehennenverordnung und fanden dafür eine Mehrheit:

    "Wir wissen, dass wir nach jahrelangen Diskussionen erreicht hatten, dass die Käfighaltung eigentlich Ende 2006 verboten werden sollte. Kurz vor Toresschluss hat eine Bundesratsmehrheit die Gelegenheit genutzt und hat diesen Erfolg für die Legehennen, also für die Nutztiere, zurückgedreht, und das war ein enormer Rückschritt für den Tierschutz gewesen","

    so die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad. Was der Bundesrat im April dieses Jahres beschlossen hat, ist faktisch die Wiedereinführung der Käfighaltung mit kleinen Verbesserungen: Bei der so genannten Kleingruppenhaltung teilen sich mehrere Hennen einen mit Sitzstangen und Legenest möblierten Käfig von 50 bis 60 Zentimetern Höhe, wobei jedem Tier 800 bis 900 Quadratzentimeter Platz zustehen. das ist dann die Fläche von anderthalb DIN-A-4-Blättern. Margit Conrad:

    ""Wir sind der Ansicht, das ist nicht mit unserer Verfassung vereinbar."

    Denn die neue Regelung geht zwar in einzelnen Punkten immer noch über die Legehennenhaltungsrichtlinie der EU hinaus, trotzdem könnte sie gegen Artikel 20a des Grundgesetzes verstoßen, der seit 2002 den Tierschutz als Staatsziel festschreibt. Und dann da ist auch noch das Legehennenurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1999: Die Richter in Rot stellten darin fest, dass die Käfighaltung in ihrer ursprünglichen Form gegen das Tierschutzgesetz verstoße, wonach niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Dass zumindest die Käfigbatterien alter Form den Hennen Leiden und Schäden zufügen, sah das Gericht als erwiesen an. Zugleich stellten die Karlsruher Richter damals fest, dass die wirtschaftlichen Erwägungen der Eierproduzenten keine vernünftigen Gründe seien, die das Zufügen von Schmerzen, Leiden und Schäden rechtfertigen würden.

    Ob das Bundesverfassungsgericht die Kleingruppenhaltung von Legehennen nach EU-Recht ähnlich kritisch sieht wie die alten Käfigbatterien, das wird die Normenkontrollklage des Landes Rheinland-Pfalz nun weisen. Umweltministerin Margit Conrad ist sich ihrer Sache jedenfalls sicher:

    "Ich habe bewusst mich vorher durch einen Gutachter beraten lassen, bevor wir hier die Verfassungsbeschwerde einreichen, und wir sind sehr zuversichtlich, dass wir Erfolg haben werden bei diesem Normenkontrollverfahren."