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Freikauf vom Klimaschutz

Klimawandel. Anstatt selbst Emissionen zu reduzieren, können sich Industriestaaten Emissionsrechte von anderen Ländern kaufen. Und sie können in bestimmte Projekte in Entwicklungsländern investieren, damit diese nicht auf klimaschädliche Technologien setzen. Bei der Weltklimakonferenz in Nairobi wurde über die Effektivität dieses Verfahrens beraten.

Von Jan Lublinski | 17.11.2006
    Treibhausgase werden heute weltweit gehandelt oder genauer: das Recht, die Atmosphäre mit ihnen zu verschmutzen. Längst ist ein neuer, vielschichtiger Markt entstanden, an dem auch Entwicklungsländer beteiligt sind: Über den so genannten Mechanismus für saubere Entwicklung, auf Englisch "Clean Development Mechanism", kurz CDM, können Industriestaaten Emissionsrechte erwerben, wenn sie in Entwicklungsländern investieren. Dazu müssen sie Projekte fördern, welche die Produktion von Treibhausgasen reduzieren. William Greene von Point Carbon, einer Agentur für Emissionshandel:

    "Ein beliebter Projekttyp zielt darauf ab, das Methan, das in großen Mülldeponien in Entwicklungsländern entsteht, einzufangen. Dazu muss man die Deponien versiegeln und das Methan, das dort entsteht, verbrennen oder seine Energie in Elektrizität umwandeln. Diese Projekte sind vergleichsweise billig, und sie ermöglichen einen effektiven Klimaschutz. In Industrieländern ließe sich das nicht so einfach realisieren."

    Der Mechanismus für saubere Entwicklung, CDM, verfolgt im Rahmen der Kyoto-Vereinbarung noch ein zweites Ziel, das über den Klimaschutz hinaus geht: Mit ihm soll eine nachhaltige Entwicklungshilfe geleistet werden, also wenn es zum Beispiel gelingt, mit einer versiegelten Mülldeponie Treibhausgase zu reduzieren und gleichzeitig eine Dorfgemeinschaft mit Elektrizität zu versorgen.

    Das aber geschieht nicht immer. Zum Beispiel werden in einigen Entwicklungsländern Kühl- und Schäummittel mit sehr starken Treibhausgasen hergestellt. Diese Chemikalien sind in Industriestaaten verboten, weil sie die Ozonschicht zerstören. Nun gibt es Technologien, die dafür sorgen, dass diese Treibhausgase nicht in die Atmosphäre gelangen. Mit ihnen könnten Entwicklungsländer, im Rahmen des CDM, Profite machen - ohne für nachhaltige Entwicklung zu sorgen. Gudrun Benecke von der Universität Potsdam.

    "Eine Kritik, die entstanden ist, ist, dass es in einigen Ländern passiert ist, dass dieser Fakt sozusagen, so eine Art perversen Anreiz gegeben hat, dazu, Fabriken extra zu bauen, die man sonst nicht gebaut hätte, die dieses Gas produzieren, damit man daraus CDM-Projekte machen kann, um so Geld zu verdienen."

    Intensiv diskutiert wird derzeit in Nairobi, ob auch die Lagerung von CO2 in der Erde und bestimmte Forstprojekte, durch den Handel mit CDM-Zertifikaten unterstützt werden sollen. Bei diesen Themen prallen die Interessen von Industrie- und Entwicklungsländern, von Marktwächtern und Entwicklungshelfern aufeinander.

    Greene: "In den vergangenen Jahren ist deutlich geworden, dass CDM nicht wirklich immer zu einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt. Es wurde viel darüber diskutiert, ob CDM letztlich nicht doch nur ein Mechanismus ist, der in erster Linie dazu beiträgt den Klimawandel abzumildern - und das bei möglichst geringen Kosten."

    Der Mechanismus für saubere Entwicklung, CDM, ist längst zu einem dynamischen, wechselhaften Markt geworden, in dem eine Vielzahl von Investoren aktiv ist. Gudrun Benecke von der Universität Potsdam hat die jüngsten Entwicklungen des CDM-Handels in einer Studie untersucht.

    "Das letzte Jahr über sind zum Beispiel viele amerikanische Hedge-Fonds ins Spiel gekommen, also spekulatives Kapital engagiert sich jetzt auch in den Clean Development Mechanisms. Das ist also viel mehr als nur ein europäisches Phänomen, wenn man sich anguckt, dass Japaner, sowohl die Regierung als auch die Unternehmen, sehr aktiv sind im CDM, gerade in asiatischen Ländern, Indien und China."

    Derweil gelingt es den ärmsten Ländern in Afrika viel zu wenig, sich an diesen Geschäften zu beteiligen. In Zukunft will die UNO ihre Beratungsangebote in Sachen CDM verbessern. Weiterhin suchen die Experten in Nairobi nach Wegen, Teile der Erlöse aus dem CDM-Handel in einen so genannten Adaptations-Fonds umzuleiten. Diese Gelder sollen dann denn ärmsten Ländern zugute kommen, damit diese sich in Zukunft besser gegen Dürren und Überflutungen schützen können.