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Freiwillige Aufarbeitung

Die Besitzerin des Auktionshauses Neumeister, Katrin Stoll, hat das Geschäftsgebaren von Firmengründer Adolf Weinmüller untersuchen lassen. Der Kunsthändler machte Geschäfte mit Nazi-Größen. Stoll hofft, dass andere Kunsthandelshäuser dem Beispiel folgen werden und ihre Geschichte aufarbeiten.

Christoph Schmitz sprach mit Katrin Stoll | 08.05.2012
    Christoph Schmitz: An zahlreichen Bildnissen der Kunstmoderne, aber auch an Werken alter Kunst klebt Blut. Jüdischen Eigentürmen und Kunsthändlern wurden sie von Nazis abgepresst, gestohlen, geraubt. Die einstigen Besitzer und ihre Nachfahren hatten es schwer, nach der NS-Zeit die Werke wiederzubekommen. Irgendwann waren die Ansprüche verjährt. Mit der Washingtoner Erklärung 1998 einigten sich über 40 Staaten auf Regeln der Rückgabe. Vermehrt durchforsten seitdem öffentliche Kunstsammlungen ihre Bestände nach Raubkunst und erforschen ihre dunkel Geschichte, wie auch Banken und Unternehmen es tun. Der Kunsthandel tut sich damit nach wie vor schwer. Das renommierte Münchner Kunstauktionshaus Neumeister wagt jetzt einen Vorstoß. Im Auftrag der Neumeister-Inhaberin, Katrin Stoll, hat die Kunsthistorikerin Meike Hopp das Geschäftsgebaren von Adolf Weinmüller unter die Lupe nehmen lassen. Der Kunsthändler Weinmüller versorgte Nazi-Größen, wirkte mit bei der Arisierung des jüdischen Kunsthandels in Wien. - Warum haben Sie als erste Kunstauktionärin die Nazi-Geschichte des Unternehmens erforschen lassen? Das habe ich Katrin Stoll gefragt.

    Katrin Stoll: Als Erste deshalb, weil niemand vor mir auf die Idee gekommen ist, oder aus welchen Beweggründen auch immer die Sache in Angriff genommen hat. Und warum ich das für meine Person oder mein Unternehmen gemacht habe? Weil es erkennbar Grund gab, sich mit der Historie des Unternehmens zu befassen.

    Schmitz: Welchen erkennbaren Grund gab es?

    Stoll: Ich habe immer wieder einzelne Hinweise erhalten, dass Weinmüller doch durchaus mit den Nationalsozialisten kollaboriert hat, und das war in meinen Augen schon Grund genug.

    Schmitz: Sie haben eine Historikerin beauftragt, die das nun sehr ausführlich und detailliert recherchiert hat. Welches sind die Hauptergebnisse?

    Stoll: Also die Historikerin, Dr. Meike Hopp, ist genau genommen Kunsthistorikerin. Es war ein Grenzfall. Ich habe mich selber erst informieren müssen, welcher Bereich das ist, Historiker oder Kunsthistoriker, und es hat sich dann doch so erwiesen, dass eine Kunstgeschichtlerin richtig am Platz ist. Und die Ergebnisse sind, dass Weinmüller ein sehr vielschichtiger Akteur war während der Zeit des Nationalsozialismus. 1938 war er der Einzige, der die Auktionatorenlizenz in München innehatte. Er hat in Wien das Auktionshaus Kende arisiert. Und so als Gesamtabstract würde ich sagen, dass Weinmüller nicht von einzelnen Motiven getrieben war. Wenn Sie so wollen, dann war das einzige Motiv, das ihn geleitet hat, eigentlich das, was seinem wirtschaftlichen Vorteil gedient hat. Aber es lässt sich sonst eigentlich schwer eine relativ eindimensionale Interpretation seiner Person und seines Handelns darstellen.

    Schmitz: Das heißt, er war kein glühender Nazi, sondern er hat den Nazis zugearbeitet, um seine Geschäfte zu verbessern.

    Stoll: Ja genau, und er war Mitglied in der Partei, hat aber gleichwohl sich zurückgehalten von gewissen Aktionen, weil er wusste, das hätte ihm geschäftlich geschadet. Er hat ja auch eine begrenzte Zeit eine Halbjüdin beschäftigt. Er hat schon Dinge getan, die ihm vielleicht auch versucht haben, wieder politisch Vorteile zu bringen.

    Schmitz: Ihr Vater hat ja den Handel dann übernommen, gekauft das Geschäft in München. Sie sind Ihrem Vater nachgefolgt. Sind in Ihrem Bestand denn noch Werke, von denen Sie jetzt wissen, dass sie unter Druck jüdischen Eigentümern entrissen wurden?

    Stoll: Das kann ich mir schwer vorstellen, über 50 Jahre nach der Übernahme. Sie müssen sehen, dass mein Vater erst als Gesellschafter eingetreten ist in das Unternehmen Weinmüller und Herr Weinmüller drei Monate später starb, und laut Aussage meines Vaters gab es genau zwei Auktionen in der Übernahmezeit, die noch auf Material von Herrn Weinmüller oder Kommissionsware von Herrn Weinmüller zurückgingen. Und von da an hat ja mein Vater selbst akquiriert. Das war also nach 1958. Das halte ich für nahezu ausgeschlossen und die Objekte, die wir versteigert haben, waren ja immer Kommissionsobjekte, also nie Eigentum.

    Schmitz: Haben Sie jetzt oder sehen Sie die Möglichkeit, dass Ihr Schritt, den Sie getan haben, indem Sie die Geschichte Ihres Vorgängerunternehmens haben durchleuchten lassen, dass andere Ihnen folgen werden?

    Stoll: Ich denke durchaus, dass es die Wahrnehmung sensibilisiert und dass einzelne reflektieren, wie sie mit ihrer Firmengeschichte umgehen, und kann mir vorstellen, dass da doch andere Beispiele sich dem anschließen werden.

    Schmitz: Ist es für den Kunsthandel wichtiger geworden, nicht nur saubere Kunstwerke zu verkaufen, sondern auch selbstkritisch, wie Sie es nun getan haben, die eigene Vergangenheit offenzulegen?

    Stoll: Am Ende der Kette ist es für den Handel auch wichtig, aber an erster Stelle ist es natürlich für die Wissenschaft und Forschung und für die Betroffenen wichtig, dass man doch weitergehende Erkenntnisse trifft und einzelne Fälle klären kann. Und am Ende der Verbraucherkette steht natürlich dann auch irgendwann der Handel.

    Schmitz: Die Kunsthändlerin Katrin Stoll über die Aufarbeitung der Geschichte des Auktionshauses Neumeister im Nationalsozialismus.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.